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Vielfalt und Emotionen bei der Fackelzeremonie

Zum Auftakt des 74. israelischen Unabhängigkeitstages beschwört Knessetsprecher Levy die Einheit des Volkes. Fackelanzünder sorgen für Emotionen.
Von Israelnetz

JERUSALEM (inn) – Einander die Hand reichen – unter diesem Motto hat am Mittwochabend in Israel der 74. Unabhängigkeitstag, Jom HaAtzma’ut, begonnen. Wie bereits beim Gedenktag für Gefallene und Terror-Opfer, Jom HaSikaron, war die israelische Einheit auch bei der Auftaktzeremonie ein Thema.

Jom HaSikaron und Jom HaAtzma’ut gehen in Israel nahtlos ineinander über, also auch Trauer und Freude. Der Geist der Traurigkeit war am Anfang der offiziellen Veranstaltung auf dem Jerusalemer Herzl-Berg noch zu spüren. Jaron Bezaleli sprach das jüdische Gedenkgebet für Verstorbene, Jiskor. Es war seiner Tochter gewidmet. Die Offizierin Hila Bezaleli war vor zehn Jahren bei einer Probe für die Fackelzeremonie gestorben, als eine Beleuchtungsbrücke herabstürzte. Sie wurde 20 Jahre alt.

Premiere: Anonymer Fackelanzünder

Doch die Stimmung schlug schnell um, und der Rest der Feier war vor allem von Freude geprägt. Die israelische Vielfalt zeigten einmal mehr die 14 Menschen, die ausgewählt waren, die zwölf Fackeln zu entzünden. Diese symbolisieren die biblischen Stämme Israels.

Normalerweise stellt sich jeder Fackelanzünder mit seinem Namen und den Namen seiner Eltern vor. In diesem Jahr blieb erstmals einer von ihnen anonym: Er widmete die Fackel den Mitgliedern der Sicherheitskräfte in Spezialeinheiten und an Posten, wo Identitäten zum Schutz nicht preisgegeben werden dürfen. Dabei trug er eine schwarze Maske und eine Kappe.

Foto: Stab für staatliche Veranstaltungen und Zeremonien
Aus Sicherheitsgründen blieb der Kommandeur anonym

Der Kommandeur trat unter der Abkürzung Ch. auf. Er stellte sich vor als „stolzer Sohn meiner Eltern“. Die Fackel entzündete er zu Ehren seiner „Geschwister, die Tag und Nacht für Israels Sicherheit ihr Leben riskieren“. In der Ankündigung hieß es, er sei 53 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern.

Der Impuls, ihn in die Reihe der Fackelanzünder aufzunehmen, kam laut der Zeitung „Yediot Aharonot“ infolge einer Anschlagsserie, die am 22. März in Be’er Scheva begann. Darauf folgten Attentate in Hadera, Bnei Brak und Tel Aviv. Unter den Todesopfern von Hadera und Bnei Brak waren insgesamt drei Grenzpolizisten. Dies brachte die Jury dazu, die Sicherheitskräfte in besonderer Weise zu würdigen.

Auch Emotionen gehören dazu

Emotional ging es auch zu bei der Entzündungs-Zeremonie. Jael Scherer, die als Kind von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde, brach in Tränen aus, als sie die Erklärung zu ihrer Fackel verlas. Diese war den Opfern von sexueller Gewalt gewidmet. Die 39-Jährige betonte: „Wir haben nichts, weswegen wir uns schämen müssten.“ Aus dem Publikum erhielt sie wertschätzende und ermutigende Reaktionen – gerade, als ihr die Stimme fast versagte.

Ebenfalls mit den Tränen kämpfen musste Kalman Samuels, der Gründer der Organisation „Schalva“, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt. Liebevoll sprach er von seinem Sohn, der unter den Zuschauern saß. Infolge eines medizinischen Fehlers ist er blind und gehörlos. Die Fackel entzündete der Vater unter anderen „zu Ehren aller Mütter und Väter, die ihre Kinder annehmen und lieben, wie sie sind – und die an ihr Potential glauben“.

Menschen mit Behinderung repräsentierten auch zwei Fackelanzünder direkt: Der Rollstuhl-Basketballer Asael Schabo, der bei einem Terroranschlag ein Bein verlor, sowie der Vorsitzende des Verbandes der Armeeversehrten, Idan Klaiman. Menschen in Rollstühlen wirkten zudem an verschiedenen choreographischen Einlagen mit.

Die Vielfalt kennzeichnete auch der Druse Munir Madi. Seine Organisation bereitet drusische und jüdische Israelis gemeinsam auf den Wehrdienst vor. Die jüdische Diaspora vertrat die Ukrainerin Jelisawjeta Scherstok. Sie hatte in ihrer Stadt Sumy nahe der russischen Grenze einen Transport organisiert, der 150 Juden die Flucht in Nachbarländer ermöglichte. Ein schwungvolles Ende fand die Zeremonie, als die Sängerin Rita ihre Fackel für die Musik entfachte. Sie stammt aus Teheran und hält das Erbe ihres iranischen Elternhauses hoch – auch in ihrem künstlerischen Schaffen.

Knessetpräsident: Einheit auch nach Feiertag möglich

Knessetsprecher Mickey Levy (Jesch Atid) sagte in seiner Ansprache, er könne nicht aufhören, über das Wunder zu staunen, „das unser Staat ist“. Der Politiker ergänzte: „Wir haben hier die Hoffnung der Generationen erfüllt – ein Volk sammelt sich zur nationalen Wiedergeburt, eine Nation erlangt ihre Souveränität zurück. Wir haben hier gemeinsam ein nationales Zuhause errichtet, im Staat Israel. Wir haben hier auch gemeinsam einen unerträglich hohen Preis für unser Zuhause gezahlt.“

Foto: Stab für staatliche Veranstaltungen und Zeremonien
Knessetsprecher Levy staunt immer noch über seinen Staat

Levy ging auf den Zusammenhang zwischen Jom HaSikaron und Jom HaAtzma’ut ein – und betonte die Einheit: „Während dieser zwei Tage, zwischen denen der Übergang so schwierig und so grundlegend israelisch ist, schaffen wir es für einen Augenblick, wirklich eins zu sein. Wir schaffen es für einen Augenblick, davon abzusehen, durch Schwierigkeiten jeglicher Art gespalten zu sein.“

Der Knessetpräsident hält es für möglich, dies jeden Tag zu schaffen – „indem wir uns entscheiden, das Gute im jeweils anderen zu sehen; uns entscheiden, einander freundlich anzusehen; uns entscheiden, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen; uns entscheiden, miteinander in unserem gemeinsamen Zuhause zu leben.“

„Wunder des Landes noch nicht zu Ende“

Die Fackelanzünder „repräsentieren das schöne Gesicht des Staates Israel“, sagte Levy weiter. „Diejenigen, die jeden Tag das Licht in den Herzen von anderen Israelis entzünden. Ihr seid der Beweis dafür, dass alle Wunder dieses Landes noch nicht geendet haben noch enden werden.“

Feuerwerk gehörte auch zum Programm des Auftaktabends. Es war allerdings nicht zu hören, sondern nur zu sehen. Damit nahmen die Veranstalter Rücksicht auf Veteranen der israelischen Armee, die unter Posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

Foto: Stab für staatliche Veranstaltungen und Zeremonien
Beim Feuerwerk blieb es diesmal still

Einen besonderen Auftritt des israelischen Premierministers gab es nicht. Anders als sein Vorgänger Benjamin Netanjahu (Likud) saß Naftali Bennett (Jamina) mit seiner Familie mitten im Publikum. Netanjahu hatte in der Vergangenheit durchgesetzt, dass ein Beitrag des Regierungschefs ins Programm aufgenommen wurde. Der jetzige Oppositionsführer blieb der offiziellen Zeremonie in diesem Jahr fern und verbrachte den Abend bei einer privaten Feier.

Biblische Anklänge im Programm

Entsprechend dem Motto gehörte zum Programm ein Tanz zum bekannten Lied „Hine Ma Tov“. Der Text stammt aus Psalm 133,1: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“

Einmal wurden, ebenfalls passend zum Thema des Nationalfeiertages, Verse aus dem biblischen Buch Prediger (4,9–10) auf den Boden projiziert: „So ist’s ja besser zu zweien als allein; denn sie haben guten Lohn für ihre Mühe. Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt! Dann ist kein anderer da, der ihm aufhilft.“ (eh)

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2 Antworten

  1. Im 74. Jahr seiner Existenz ist die israelische Gesellschaft so zerstritten wie noch nie. So bezeichnete Außenminister Lapid den Knesset-Abgeordneten Ben Gvir als „verurteilten Kriminellen“, den Netanjahu in seiner nächsten Regierung zum Minister für innere Sicherheit ernennen will.

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  2. Was für ein Land im 74. Jahr seines Bestehens: Israelische Politiker sind besorgt, dass die interne Aufwiegelung zu einem neuen politischen Attentat führen könnte, wie es 1995 mit dem verstorbenen Premierminister Yitzhak Rabin geschah. Das bedeutet, dass es fast 27 Jahre nach diesem Attentat noch nicht vergessen ist und viele davon diejenigen, die in diesen Tagen gegen Bennett hetzten, waren ein wichtiger Teil der Hetze gegen Rabin und gelten als verantwortlich für den beispiellosen politischen Umbruch, der in der israelischen Arena stattfand.

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