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Erste israelisch-iranische Filmproduktion befasst sich mit einer Judoka

Der israelische Regisseur Nattiv und die iranische Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi könnten die ersten sein, die einen israelisch-iranischen Film produzieren. Ihr Drama „Untitled Judo“ handelt von einer iranischen Judoka, die sich weigern soll, gegen eine israelische Kontrahentin anzutreten.
Von Jörn Schumacher

Eine iranische Judoka hat einen Wettkampf gegen eine israelische Kontrahentin vor sich – und soll sich weigern. Von einer solchen Situation handelt der Spielfilm „Untitled Judo“. Die Handlung ist zwar fiktiv, doch durchaus real ist die Praxis iranischer Sportverbände, die eigenen Sportler unter Druck zu setzen, wenn sie gegen israelische Kontrahenten antreten. Sie sollen lieber absichtlich verlieren. Der Film, der sich derzeit in der Phase der Postproduktion befindet, soll von den Produzenten auf dem European Film Market (EFM) während der Berlinale dem Fachpublikum präsentiert werden. Die Berlinale endet am 26. Februar.

Das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel war bis zur Islamischen Revolution 1979 im Iran freundschaftlich, inzwischen erkennt der Iran Israel nicht mehr als legitimen Staat an. Das Regime in Teheran unterstützt radikal-islamische Terrorgruppen im bewaffneten Kampf gegen Israel. Der jüdische Staat sieht in der iranischen Führung eine der größten Bedrohungen. Umso erstaunlicher ist die Zusammenarbeit bei dieser Filmproduktion.

Der Regisseur von „Untitled Judo“ ist der Israeli Guy Nattiv, geboren 1973 in Tel Aviv. Er ist unter anderem bekannt für den Kurzfilm „Skin“ (2018), für den er einen Oscar bekam. Nattiv führte zudem Regie bei einer filmischen Biografie über Golda Meir, die von 1969 bis 1974 Premierministerin Israels war. Die britische Schauspielerin Helen Mirren („Die Queen“, Gosford Park“), spielt in dem Biopic die israelische Staatslenkerin. Auch diesen Film präsentiert Nattiv auf der diesjährigen Berlinale.

Ein Denkmal für die Freiheitskämpferinnen im Iran

Hauptdarstellerin von „Untitled Judo“ ist die Iranerin Zar Amir Ebrahimi, die in dem Film „Holy Spider“ die Hauptrolle spielte. Dafür wurde sie auf dem Filmfestival von Cannes 2022 als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Ebrahimi wuchs in Teheran auf und besuchte die dortige Schauspielschule.

Im Jahr 2006 tauchte ein Video auf, das sie angeblich zusammen mit ihrem Freund beim Sex zeigte. Ebrahimi bestritt, die Frau in dem Video zu sein, doch gegen sie und ihren Freund wurde eine Untersuchung eingeleitet. Da sie einen unfairen Prozess befürchtete, emigrierte Ebrahimi nach Frankreich. In Abwesenheit wurde sie im Iran zu 99 Peitschenhieben und zehn Jahren Berufsverbot verurteilt.

Die BBC setzte sie 2022 auf die Liste der einflussreichsten Frauen des Jahres. Ebrahimi war auch Teil der Dokumentation „My Worst Enemy“, der ebenfalls auf der diesjährigen Berlinale gezeigt wird. Ebrahimi spricht immer wieder öffentlich ihre Unterstützung für die demonstrierenden Frauen im Iran aus, die seit dem Tod Mahsa Aminis im September 2022 gegen das Regime protestieren.  Amini war wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das staatliche Hidschāb-Gesetz verhaftet worden und im Gefängnis unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen.

Sein Film „Untitled Judo“ setze ein Augenmerk auf all die Tausenden von unschuldigen Iranern, die für ihre Freiheit kämpfen und dafür mit ihrem Leben bezahlen, sagte Regisseur Nattiv laut einem Bericht des „Hollywood Reporters“. In einer Zeit, in der das iranische Regime immer noch den Kontakt zu Israelis kriminalisiert und Frauen Gewalt antut, sei diese iranisch-israelische Zusammenarbeit ein besonders starkes Signal.

Ebrahimi: Viele Athleten müssen Chance ihres Lebens verstreichen lassen

Der Film handelt von einer iranischen Judo-Kämpferin und ihrer Trainerin während der Judo-Weltmeisterschaft. Die iranische Judo-Kämpferin Leila wird gespielt von Arienne Mandi („The L Word: Generation Q“), ihre Trainerin Maryam von Ebrahimi. Während der Teilnahme bekommen die beiden Frauen von der Islamischen Republik den Befehl, Leila solle eine Verletzung vortäuschen und verlieren, anstatt gegen eine Israelin anzutreten. Sollte Leila dennoch antreten, gefährde sie ihre eigene Freiheit und die ihrer Familie.

Genau diese Geschichte hätten viele iranische Athleten erlebt, sagte Ebrahimi: Sie hätten die Chance ihres Lebens erhalten, diese jedoch verstreichen lassen müssen aus politischen Gründen. Die Schauspielerin hofft, dass die kineastische Zusammenarbeit mit dem Israeli Nattiv diesen Personen ein Denkmal setzt, „jenseits des Hasses und der gegenseitigen Bekämpfung“.

Der Film wurde produziert von der israelischen Firma „Keshet Studios“ zusammen mit den Firmen White Lodge Productions, New Native Pictures, Maven Pictures, WestEnd Films, Tale Runners und Sarke Studios. Die britische Produktionsgesellschaft „West End Films“ wurde von der israelischen Produzentin Sharon Harel Cohen 2008 gegründet. Cohen produzierte israelische Klassiker wie „Ha-Lahaka“ und „Dizengoff 99“.

Die Drehbuchautorin Elham Erfani sagte dem „Hollywood Reporter“: „Als eine iranische Frau, die erlebt, wie das Leben überall im Iran erstickt wird, und die die Probleme im Land kennt, will ich gerne über die Bedingungen aufklären, unter denen Frauen im Iran leben. So viele von uns wurden gezwungen, ihre Familien zu verlassen, weil sie Freiheit und Frieden gesucht haben. Dieser Film erinnert daran, dass eine Kraft in der Einheit und im Widerstand liegt.“

Selten, aber möglich: Freundschaft zwischen iranischem und israelischem Sportler

Tatsächlich weichen Athleten aus Ländern ohne diplomatische Beziehungen bei Sportwettkämpfen Begegnungen mit Israelis häufig aus. Der iranische Staat etwa verhindert, dass seine Sportler gegen Israelis antreten. Der Internationale Judoverband schloss aus diesem Grund schon häufiger den Iran von Wettkämpfen aus. Der israelische Judoka Ori Sasson berichtet, wie er 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro den ägyptischen Judoka Islam El-Schahaby besiegte. Nach dem Zweikampf schlug dieser die ausgestreckte Hand des Israelis demonstrativ aus – und wurde disqualifiziert.

Im September 2022 hätte sich der iranische Ringer Amir Jasdani bei den Weltmeisterschaften in Belgrad mit dem israelischen Athleten Josh Finesilver messen müssen. Der Iraner trat nicht an – offiziell hieß es zur Begründung, er habe seine Gewichtsklasse nicht eingehalten. Ebenso trat der algerische Judoka Fethi Nourine bei den Olympischen Spiele in Tokio nicht gegen einen israelischen Kontrahenten an, worauf die Internationale Judo-Föderation (FDI) Nourine und seinen Trainer für zehn Jahre sperrte.

Doch es gibt gerade im Sport auch immer wieder Zeichen der Annäherung. So besiegte die  israelische Judoka Ras Herschko 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokio ihre saudische Gegnerin Tahani Alqahtani. Nach dem Kampf schüttelten sich die beiden Kontrahentinnen trotzdem die Hand, wie es beim Judo üblich ist. Die saudische Sportlerin wurde sogar vom Olympischen Komitee ihres Landes unterstützt.

Der Judoka Saeid Mollaei startete bis 2019 für den Iran, doch floh er nach der Weltmeisterschaft 2019 aus seinem Heimatland, weil er sich geweigert hatte, aus dem Turnier auszuscheiden, um so einem wahrscheinlichen Finale gegen den Israeli Sagi Muki zu entgehen. Mollaei trat von nun an für die Mongolei an und gewann olympisches Silber. Der Sportler sagte gegenüber dem israelischen Fernsehen: „Diese Medaille ist auch Israel gewidmet.“ Auf Hebräisch fügte er hinzu: „Toda“ (Danke). Mittlerweile verbindet den aus dem Iran stammenden und den israelischen Sportler eine Freundschaft.

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Eine Antwort

  1. Fair geht vor…gibt es im Internationalen Sport teils schon lange nicht mehr.
    Es ist politisch geworden.

    9

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