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Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten

Erneut protestieren landesweit Israelis gegen die Justizreform. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Am Abend gerät Netanjahus Frau Sara ins Visier der Proteste.
Von Israelnetz

TEL AVIV (inn) – Ein drohender „Bruderkrieg“, „Blutvergießen“ und „Anarchie“: In den innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Justizreform (lesen Sie hier die Hintergründe) sind auch am Mittwoch die Emotionen erneut hochgekocht. Gegner der Reform hatten unter dem Motto „Israel wird keine Diktatur“ landesweit zu einem „Tag der Störung“ und „des nationalen Widerstandes“ mobilisiert.

Vielerorts kam es den ganzen Tag über nicht nur zur Protest-, sondern auch zu Blockade-Aktionen: So legten bereits am Morgen Reservisten die Schnellstraße 1, die von Tel Aviv nach Jerusalem führt, teils lahm. Dabei setzten sie auch Stacheldraht ein. Auch die Ajalon-Schnellstraße, die mitten durch Tel Aviv führt, war im Verlauf des Tages blockiert.

Daneben wurde zudem der Zugverkehr in Mitleidenschaft gezogen: Unter dem Motto „Den Gesetzeszug stoppen“ stellten sich Demonstranten in die automatischen Türen und verhinderten so, dass Züge abfahren konnten.

Blendgranaten und Wasserwerfer im Einsatz

Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (Jüdische Stärke) warnte, er sei für demokratischen Protest, aber werde nicht zulassen, dass es einen „Bürgeraufstand“ gebe und „Anarchisten“ die Straßen blockieren. So fuhr die Polizei an einigen Orten schwere Geschütze gegen die Aktionen auf.

Im Internet verbreitete Videos zeigten den Tag über mehrere handgreifliche bis gewalttätige Auseinandersetzungen und Ausschreitungen. Zum Teil setzte die Polizei Blendgranaten und Wasserwerfer ein. Auch berittene Einsatzkräfte waren unterwegs. Israelische Medien vermeldeten dutzende Festnahmen und mehrere Verletzte unter Demonstranten wie Polizisten.

Die Bürgerinitiative „Restart Israel“ sprach auf ihrer Website von „Polizeigewalt“, die sich nicht nur gegen Störer gerichtet habe. Ein Video zeigte einen Mann, der offenbar sein Ohr verlor. Der Betroffene erklärte später, er habe direkt eine Blendgranate abbekommen.

Wortgefechte zwischen Netanjahu und Lapid

Unterdessen lieferten sich Politiker der verschiedenen Lager via Medien und Internet verbale Schlachten: Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) warf Oppositionsführer Jair Lapid vor, den Staat „in die Anarchie zu zerren“. Lapid erklärte seinerseits, die einzige Anarchie werde von der Regierung geschaffen, über die Netanjahu die Kontrolle verloren habe.

Der Jesch-Atid-Chef zeigte sich selbst auf den Straßen und rief die Proteste zum „Kampf zwischen der Regierung und dem Volk Israel“ aus. Sicherheitsminister Ben-Gvir versuche, mehr Gewalt und mehr Anarchie zu entfachen. Lapid rief die Polizei auf, diesen Versuch zu ignorieren.

Sara Netanjahu belagert

Zu einer weiteren Zuspitzung der Lage kam es dann am Abend: Regierungsgegner hatten mitbekommen, dass sich Netanjahus Ehefrau Sara in einem Friseursalon in Tel Aviv aufhielt. Daraufhin versammelten sich auf der Straße davor hunderte Menschen. Auf Videos ist zu hören, wie die Menge im Chor skandiert: „Buscha! Buscha!“ (Schande! Schande!)

Medienberichten zufolge saß Sara Netanjahu mehrere Stunden in dem Salon fest, bevor sie am späten Abend unter großem Polizeiaufgebot und geschützt durch berittene Einsatzkräfte aus dem Salon eskortiert wurde. Zuvor hatten mehrere Oppositionspolitiker, darunter Lapid, die Demonstranten aufgefordert, Sara Netanjahu gehen zu lassen. Premier Netanjahu verbreitete später ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie er seine Frau in die Arme schließt: „Die Anarchie muss aufhören – sie kann Menschenleben kosten.“

Bereits am Abend hatte sich Netanjahu in einer kurzfristig angekündigten Fernsehansprache an die Israelis gewandt: Es gebe ein Recht auf Demonstration, aber kein Recht, das Land lahmzulegen, erklärte er mit Blick auf die Protestaktionen vom Tag und warnte vor „Anarchie“ und „Chaos“. Gewalt und Gesetzesbruch werde man nicht tolerieren.

Herzog warnt vor „schrecklichem Abgrund“

Unterdessen halten die Bemühungen von Staatspräsident Jitzchak Herzog an, einen Kompromiss zwischen den Lagern herbeizuführen. „Ich spüre die Tiefe des Schmerzes und die Sorge um das Schicksal des Landes“, sagte Herzog am Mittwoch. Man könne in einen „schrecklichen Abgrund“ stürzen, andererseits aber auch zu einer Lösung kommen, die breite Zustimmung erfährt.

„Ich werde nicht zulassen, dass unser Staat den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt, ich werde nicht zulassen, dass diese historische Katastrophe geschieht“, sagte Herzog. Niemals werde er die Chance aufgeben, einen breiten Konsens zu erreichen.

Gantz: „Bruderkrieg steht vor der Tür“

Auch der vormalige Verteidigungsminister Benny Gantz (Nationale Einheitspartei) rief am Mittwoch dazu auf, zu einem Kompromiss zwischen Regierung und Opposition zu kommen. „Ein Bruderkrieg steht vor der Tür – wann halten wir an? Wenn Blut vergossen wird?“, fragte er.

Gantz forderte Netanjahu auf, die Arbeit der Knesset zu unterbrechen, alle Gesetzgebungsverfahren anzuhalten und „noch heute Abend in die Residenz des Präsidenten zu kommen“. Die Erfolgsaussichten für Verhandlungen seien zwar nicht hoch, doch die Geschichte werde jenen nicht verzeihen, die nicht versucht hätten, einen Bruderkrieg zu verhindern.

Bisher ist allerdings keine Einigung in Sicht: Auch Regierungsvertreter zeigen sich zwar offen für Verhandlungen mit der Opposition. Sie lehnen allerdings die Forderung ab, zunächst die Gesetzgebungsverfahren zu unterbrechen. Justizminister Jariv Levin (Likud) und der Vorsitzende des Justizausschusses, Simcha Rothman (Religiöser Zionismus), antworteten am Mittwoch auf Gantz‘ Aufruf: „Setzen wir uns hin und reden – ohne Vorbedingungen.“ (ser)

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9 Antworten

  1. Wie werden die Proteste eigentlich in den regierungsnahen Medien geframed? Sind die Protestierer da auch alles Extremisten (in Israel vermutlich eher Linksextremisten statt Rechsextremisten?), die die Demokratie abschaffen wollen?

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  2. Ungeachtet dessen, wer im Recht ist und wer nicht: In einem früheren Newsletter (vielleicht von Israel heute?) hiess es, dass der Iran hinter den Protesten stecke (oder ähnlich). Ich vermute auch eher das oder/und zB. die Hamas. Die Bevölkerung sollte diesbezüglich mehr sensibilisiert werden.

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  3. Wir erleben, wie ein Land, das entstand, indem es das Vorherige zerstörte bzw. die früheren Einwohner vertrieb, sich jetzt selbst zerstört. Das wars wohl mit der zionistischen Idee. „Make Israel Palestine again“ steht auf roten Cappies in den USA in Anlehnung an Trumps Wahlkampfslogan. Ungerechtigkeit währt eben nicht ewig und Unterdrückung kann widerstanden werden.

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    1. Sie haben offensichtlich KEINE AHNUNG, was in der Zeit vor 1948 geschah. AUSSER mit PLO-Lügen gegen Israel zu HETZEN bringen Sie hier wenig zustande!
      Die ganzen ersten jüdischen Siedlungen z.B. Deganiah A+B entstanden in Menschenleeren Gegenden. Ein Mark Twain berichtet davon, dass das Land Menschenleer sei. Israel hat NICHTS Voriges zerstört, wie Sie es schreiben. Im Gegenteil sie haben das Land fruchtbar gemacht, denn davor war es Sumpfgebiet oder eine öde Steppe bzw. Wüste.

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      1. @ Martin

        Sie scheinen ja das zionistische Narrativ voll verinnerlicht. Schade nur, dass das alles erstunken und erlogen ist. Schauen Sie sich mal Landkarten aus dem frühen 19. Jahrhundert an, wieviele Dörfer und kleine Städte es gab. Und Jaffa-Orangen waren schon im 17. und 18. Jahrhundert in Europa höchst geschätzte Exportprodukte. Die These vom „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ ist DIE Propaganda-Lüge der Zionisten. Und eine Unverschämtheit obendrein!

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  4. Richter sind beauftragt Gesetze zu interpretieren und keinesfalls befugt Gesetze zu machen.
    Das würde auch für die Demokratie in den USA ein belebender Aspekt sein.
    Insofern hat die Regierung Netanjahu demokratisch-korrekt gehandelt.
    Wo Linksextremisten Knebelrhetorik ohne Differenzierung als Waffe gegen Oppositionelle einsetzen, wird versucht rechts, rechtskonservativ mit rechtsextrem zu labeln (Deutschland)
    Ein unheilvoller Weg, der jede Demokratie erodieren lässt.
    Sowohl rechts und rechtskonservativ haben ihre Daseinsberechtigung in einer funktionierenden Demokratie.
    So vehement wie rechtsextreme Positionen in D zu Recht bekämpft, unterdrückt und verfolgt werden, so diametral lasch werden hierzulande linksextreme Bestrebungen toleriert, ignoriert bis hin zum Goutieren und das demokratische Gefüge somit in eine gefährliche Schieflage gepusht.
    Das fängt bei einer Klima-Aktivistin an, die Demokratie zu bester Sendezeit für vernachlässigbar erklären darf und hört bei links-ideologisch geförderten Antisemiten, die in öffentlich-rechtlichen Medien ihren giftigen Senf abgeben, noch lange nicht auf.
    Wo unter Linker Flagge Gewalt, Faustrecht etc. statt demokratischer Diskurs unter Missachtung von Opposition zur Tagesordnung wird, da ist der Staat in der Pflicht, dieses Treiben zu unterbinden.

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  5. Träumen Sie weiter.

    Und was Unterdrückung angeht, schauen Sie sich mal bei der Regierung in Ramallah um
    Wo wollten Sie die Israelis nochmal hin tun?

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  6. Statt die Bibel würden manche Leute besser Martin Buber lesen. Der hatte
    schon in den 20ern darauf hingewiesen, das man die Araber miteinbeziehen
    muß und nicht einfach so gegen die Wand drücken darf. Und der war auch
    ein Zionist. jetzt merkt man, was draus wird, wenn man Gewaltpropheten
    wie Ben-Gurion folgt. Die rote Linie geht über 1948, 1967 zum „Heute“. Das
    ist nun so, das ständig land reklamiert wird, das angeblich göttlich verheißen
    sein soll. Der Zionismus wird zur Plattform für radikale Fanatiker . Diese Spi-
    rale droht außer Kontrolle zu geraten, der kessel droht überzukochen.

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    1. Und warum haben die Araber dann 1948 ihren Staat Palästina nicht ausgerufen?

      Und warum hat Jordanien zwischen 1949 und 1967 das Gebiet gestohlen, anstatt dann darauf einen Staat Palästina zu gründen? Wäre ohne Not gegangen.

      Vielleicht möchten Sie auch noch ein paar Worte zu dem dreifachen Nein: Nein zu Frieden, Nein zu Verhandlung, Nein zu Israel von 1967 sagen? Oder ist Ihnen dies vollkommen neu?

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