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Teilgesetz der Justizreform nimmt erste Hürde

Israels Parlament beschließt ein erstes Teilgesetz der umstrittenen Justizreform. Während die Abgeordneten sich in der Knesset zur Abstimmung treffen, formiert sich außerhalb des Parlaments großer Protest.
Von Israelnetz
Demo Justizreform Israel

JERUSALEM (inn) – Trotz großer Proteste hat das israelische Parlament ein Teilgesetz der umstrittenen Justizreform in erster Lesung angenommen. Nach achtstündiger Sitzung billigte die Knesset in der Nacht zu Dienstag einen Teil der Justizreform. 63 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 47 votierten dagegen. Enthaltungen gab es keine. Einige Abgeordnete blieben der Abstimmung fern. Netanjahus Koalition hat eine Mehrheit von 64 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset.

Während der Abstimmung riefen mehrere Abgeordnete der Opposition „Schande, Schande“ aus dem Plenum und bezeichneten die Abstimmung als „Staatsstreich“. Das berichtet die israelische Onlinezeitung „Times of Israel“.

Entschieden wurde über zwei Reformen. Eine stärkt den Einfluss der Regierung bei der Auswahl der Richter. Eine zweite beschränkt die Befugnisse des Obersten Gerichts, ein Gesetz zu kippen.

Damit ein Gesetz in Israel rechtskräftig wird, sind insgesamt drei Lesungen notwendig.

Kritik von der Opposition

Mit der Reform will die Regierung die Einmischung eines nicht repräsentativen Obersten Gerichts in die Politik einschränken. Kritiker werfen der Koalition von Premier Benjamin Netanjahu (Likud) jedoch vor, mit der Reform Israels demokratisches Wesen zu beschneiden.

Nach der Abstimmung schrieb Netanjahu auf Twitter: „Eine großartige Nacht und ein großartiger Tag“.

Der Justizminister Jariv Levin (Likud), der als Architekt der Reform gilt, sieht in der Reform eine „Wiederherstellung der Demokratie“.

Präsident Jitzchak Herzog rief nach der Abstimmung die Regierung erneut zum Dialog auf. „Beweisen Sie nach dem gestrigen Tag, dass Sie die Großzügigkeit von Siegern haben. Finden Sie einen Weg, um einen Dialog mit der Opposition zu führen.“

Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) warf der Regierung dagegen vor, der Demokratie, der Wirtschaft und der Sicherheit Israel Schaden zugefügt zu haben. „Die Geschichte wird Sie für heute Abend verurteilen.“ Zudem warnte Lapid vor einer Spaltung des Landes.

Der frühere Verteidigungsminister Benny Gantz (Blau-Weiß) sprach nach der Abstimmung von einem „schwarzen Tag für die Demokratie“.

Landesweite Proteste

Parallel zur Abstimmung in der Knesset versammelten sich erneut zehntausende Menschen im ganzen Land, um gegen die Reform zu demonstrieren. Demonstranten blockierten zentrale Kreuzungen und Autobahnen. Israelischen Medien zufolge gingen allein in Jerusalem vor der Knesset rund 60.000 Menschen auf die Straße. (mas)

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14 Antworten

  1. Kommt dieses Gesetz durch, gibt es neben Ungarn eine zweite „illiberale“ Demokratie! „Glückwunsch“ an Herrn Orban, der mit „Netanyahu“ ein weiteres „würdiges“ Mitglied in seinem Club findet. Ein Land ohne ein in Verfassungsfragen zuständiges unabhängiges Gericht ist kein Rechtsstaat mehr! Wer wissen will, wohin Israels Weg geht, soll sich die Entwicklung in Ungarn einmal ansehen. Ist die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet, wird das Schließen schwierig. Schade, Israel war bisher ein phantastisches Land und die einzige (liberale) Demokratie/der einzige Rechtsstaat im gesamten Nahen Osten. Neben der Bevölkerung in den anderen Ländern muss man nun auch um die demokratischen Bevölkerungsteile in Israel Befürchtungen haben. Israel hat sich selbst ins Abseits gestellt!

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    1. Times of Israel meldete gestern: „Reservisten und Veteranen der israelischen U-Boot-Flotte lehnen die geplante Justizrevision der Koalition entschieden ab und warnen in einem offenen Brief, dass ihre Auswirkungen „die Tiefen des Meeres erreichen und die kritische Stärke der U-Boot-Flotte beschädigen könnten“.

      Die Hunderte von U-Bootfahrern, die den Brief unterzeichnet haben, von denen einige noch in den Reserven dienen, schließen sich den Gruppen von Piloten, Panzerfahrern, Spezialeinheiten und Seeleuten an, die in den letzten Wochen ähnliche Briefe geschrieben haben.

      In dem offenen Brief, der morgen in der Zeitung Yedioth Ahronoth erscheinen wird, fordern die rund 300 U-Boot-Fahrer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf, das geplante Justizgesetz unverzüglich zu stoppen.

      „Voller Angst beobachten wir den Regimewechsel, den Sie anführen, und die Spaltung, die er bereits in der Nation verursacht“, schreiben sie.

      Netanjahus Regierung stößt das Land in den Abgrund. Das sind nicht meine Worte (bzw. auch!), es sind die Worte israelischer Journalisten. Wer unterstellt diesen „Judenhass“, „Israelhass“ oder „Antisemitismus“?

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  2. Ich zitiere Deutschlands Justizminister zur israelischen Justizreform:
    „Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte“, sagte Buschmann in Tel Aviv.

    Verstehe ich das richtig so, dass Herr Buschmann sich anmaßt, der demokratisch gewählten israelischen Regierung, Ratschläge zu erteilen?
    Der Justizminister eines Landes, dass selber erhebliche Probleme mit seinem höchsten Gericht hat; das Land, das in seiner politischen Arbeit korrigiert aber auch grenzwertig unterstützt wird von diesem Gericht; das Land, das von seinen Bürgern unter Kritik steht, wg. des Wahlmodus der höchsten Richter und seines Verfassungsgericht?

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  3. Wichtig ist doch: Mit welchem Gesetz wird Gott geehrt? Gott will, dass Frieden herrscht. Linke sollten nicht auf ihr Recht beharren und sich lieber fragen: Was dient dem ganzen jüdischen Volk und was dient der Sicherheit des israelischen Staates?

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    1. Martin, sagen Sie das auch, wenn die Ultraorthodoxen mal wieder Straßen blockieren oder aggressiv demonstrieren wegen den Änderungen bei der Wehrpflicht? Oder sollen nur die *Linken* nicht auf ihrem Recht beharren?
      Was ist das überhaupt für eine Aussage? Gilt Recht nicht gleichermaßen für alle oder ist Israel tatsächlich schon ein rechter Gottesstaat mit mehr Rechten für bestimmte Ansichten und Glaubensrichtungen?
      LG
      Agnes

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  4. Sehr geehrter Herr Westphal,
    ja sie verstehen die Aussage von Herrn Buschmann durch aus Richtig. Er maßt sich etwas an was ihm gar nicht zusteht. Herr Buschmann sollte erst seinen eigenen Laden Sauber halten und aus der Deutschen Geschichte lernen.

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  5. a) Herrn Westphal, welche Kritik von welchen Bürgern gegen den Wahlmodus des Bundesverfassungsgerichtes meinen Sie? Mir ist weder substanzielle Kritik aus Kreisen der deutschen Verfassungsrechter noch von relevanten Teilen der deutschen Bevölkerung bekannt. Da Herr Buschmann FDP-Mitglied ist, wäre das auch sehr verwunderlich!
    b) Deutschland oder die Bundesregierung hat „erhebliche“ Probleme mit dem Bundesverfassungsgericht? Meinen Sie damit, dass das Bundesverfassungsgericht nicht zu allem Ja und Amen sagt in der Politik? Das ist normal in einer Demokratie – bzw., das zeichnet eine liberale Demokratie bzw. den Rechtsstaat aus!
    c) Da aber offensichtlich jede Niederlage einer politischen Institution vor dem Verfassungsgericht für Ihr „Rechts-“ und „Verfassungsverständnis“ ein „erhebliches Problem“ darstellt, sagt das sehr viel über Ihr Verfassungs- und Demokratieverständnis aus. Offensichtlich haben Sie ein autokratisches Staatsverständnis, wie es jedem Obrigkeitsstaat (z.B. im Deutschland des 19. Jahrhunderts) zur Zierde gereichen würde. Dass jemand wie SIE die israelische Justizreform verteidigt, demaskiert neben Ihnen auch die israelische Regierung! Dann also viel Erfolg auf dem Weg in die „illiberale Demokratie“.
    d) Da ist es nur logisch, dass jemand wie Sie sich JEDE Kritik am Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Israel verbietet. Nichts verdeutlich die schwache Position von Ihnen und von der derzeitigen Regierung Israels klarer! Machen Sie bitte so weiter! Denn den Abbau von Demokratie sollte man natürlich nicht mit demokratischen Einwänden behindern!?

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    1. @ Georgetown

      Das erste „like“ zu Ihrer obigen Replik auf M. Westphal stammt übrigens von mir!

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  6. Ich verstehe Herrn Buschmann so, dass gravierende Änderungen der Verfassung oder in Israel der Grundgesetze nicht mit wenigen Stimmen über dem Quorum (vorliegend gerade drei) beschlossen werden sollten. Schon deswegen nicht, weil bei einer späteren Regierung aus den Reihen der ggw. Opposition die Änderung als allererstes rückgängig gemacht würde.

    Und das Pikante ist, dass die knappe Mehrheit nur mit rechtsextremen Stimmen möglich ist.

    Durchaus deutlichere Kritik kam übrigens aus den Vereinigten Staaten.

    PS: Hinsichtlich der Baustellen in D.-schland gebe ich Ihnen übrigens Recht.

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  7. Der international hoch angesehene David Grossmann, israelischer Schriftsteller und als das „Gewissen der Nation“ bezeichnet, sprach vor einigen Tagen auf einer Demonstration gegen die sog. „Justizreform“ der neuen religiös-nationalistischen israelischen Regierung folgendes:

    „Das Israel von heute ist für viele kein Zuhause mehr. Das Israel von heute befindet sich in einem schicksalschweren Kampf um seine Werte, um seine Demokratie, um die Stellung des Rechtssystems, um Menschenrechte, um Ausdrucksfreiheit, um die Freiheit der Kunst und um die der freien Medien.“

    Und da wagen sich hier einige bedingungs- und vorbehaltslosen Israelanbeter aufgrund ihrer dümmlich-frömmelnden evangelikalen Gesinnung, jüdischen und nichtjüdischen Kritikern dieser israelischen Regierung Antisemitismus, Juden- oder Israelhass vorzuwerfen und verschliessen die Augen davor, dass Israel auf dem besten Wege ist, sich selbst abzuschaffen.

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  8. Die Mehrheit der Israelis ist sehr wohl für eine Justizreform. Und die Mehrheit davon ist gegen die, die jetzt zur Abstimmung steht. Sie wollen Änderungen, aber so dass sie allen gerecht wird und dies wäre gut. Der Plan von Herzog weist in die richtige Richtung. Aber wahrscheinlich ist Herzog jetzt auch für dümmliche Großpalästina und Israel-muss weg Apologeten auch ein Rechtsradikaler, der am besten seinen Amts enthoben wird.

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  9. Auch in Israel sollte das Primat der Politik gelten, so daß die gewählten Volksvertreter in der Knesset den Vorrang bei Gesetzen haben. Sollte das Gericht in der Tat zu große politische Einflussmöglichkeiten haben, ist es legitim und demokratisch diese Rechte zu beschneiden. In Deutschland stellt es sich so dar, dass wir mit Richtern wie Harbarth und einem fast kompletten Senat, der mit der Kanzlerin gemeinsam tafelt, in Deutschland leider eine zu große Staatsnähe des obersten Gerichtes haben.

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  10. Richter dürfen sich keineswegs zum Gesetzgeber überhöhen.
    Sie sind dazu berufen, Gesetze zu interpretieren.
    Die israelische Regierung handelt also korrekt.

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