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Buschmann bei Ausstellungseröffnung in Israel: Starke Justiz nötig

Eine neue Ausstellung in Tel Aviv beleuchtet die NS-Verstrickung des Bundesjustizministeriums in der Nachkriegszeit. Bei der Eröffnung geht der deutsche Minister Buschmann indirekt auf die israelischen Reformpläne ein.
Von Israelnetz

TEL AVIV / JERUSALEM (inn) – Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat am Dienstag eine zweitägige Israelreise beendet. An der Universität Tel Aviv eröffnete er am Montag eine Ausstellung. Sie ist Teil der Bemühungen, die nationalsozialistische Vergangenheit des Bundesjustizministeriums aufzuarbeiten.

In seiner Rede bekundete Buschmann Dankbarkeit darüber, dass er als deutscher Politiker in Israel sprechen dürfe. „Das mag inzwischen Normalität sein – selbstverständlich ist es nicht.“

Der Justizminister nahm Bezug auf seinen Besuch in Yad Vashem. In der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte hatte er nach der Ankunft in Israel einen Kranz niedergelegt. „Als Deutscher empfinde ich dort tiefe Scham. Und zugleich bewundere ich diesen Ort, der davon zeugt, dass man den Opfern ihr Leben nehmen konnte, aber ihre Würde weiterlebt“, sagte Buschmann laut Redemanuskript.

Nachkriegsgeschichte des Justizministeriums aufarbeiten

Bei der Ausstellung geht es um das „Rosenburg-Projekt“. Dafür hatte die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) 2012 eine Unabhängige Wissenschaftliche Kommission eingesetzt. Diese sollte die Geschichte des Justizministeriums in den Jahren 1950 bis 1973 erforschen. Zu jener Zeit hatte es seinen Sitz in der Rosenburg in Bonn. Die Ergebnisse wurden 2016 in der Studie „Die Akte Rosenburg – Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit“ publiziert. Daraus entstand 2017 eine Wanderausstellung.

„Die personellen Kontinuitäten zwischen dem NS-Staat und dem frühen Bundesministerium der Justiz nachzuzeichnen, den Umgang des Ministeriums mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu erforschen, ja, insgesamt das Nachwirken des Nationalsozialismus in unserem Haus darzustellen: Das waren die Aufgaben der Kommission“, erläuterte Buschmann.

Die Ergebnisse seien erschreckend: „Von den 170 Juristen, die von 1949 bis 1973 in Leitungspositionen des Ministeriums tätig waren, hatten 90 der NSDAP und 34 der SA angehört. 16 Prozent waren im nationalsozialistischen Reichsjustizministerium selbst tätig gewesen. 1953 waren im Ministerium und seinem Geschäftsbereich von 968 Stellen 513 mit Beamten besetzt, die bereits im Nationalsozialismus Staatsdiener gewesen waren.“

„Vorstellung vom Juristen als einem bloßen Rechtstheoretiker“

Der FDP-Politiker zitierte den ersten Staatssekretär im Ministerium, Walter Strauß: Seine Beamten hätten einen „Schatz an Erfahrungen“ aus dem NS-Reichsjustizministerium in die Arbeit des BMJ herübergetragen. „Aus dieser Formulierung sprach keine Sympathie für das NS-Regime. Walter Strauß selbst war jüdischer Herkunft. Seine Eltern wurden 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Er selbst kam nur knapp mit dem Leben davon.“

Hinter der Formulierung vom „Schatz an Erfahrungen“ stehe eine „Vorstellung vom Juristen als einem bloßen Rechtstechniker, einem Ingenieur, der sich in der unpolitischen Welt des rein Funktionalen bewegt, die sich trennen lasse von den Zwecken seines Tuns – egal wie unmenschlich sie sind“, ergänzte Buschmann. „Dahinter steht aber auch die Tragik des deutschen Bürgers aus jüdischer Familie, Walter Strauß, der in seiner Heimat weiterleben wollte und der zugleich wusste, dass er das inmitten von Tätern tun musste.“

Das Rosenburg-Forschungsprojekt habe zur Neufassung des Paragrafen 5a des Deutschen Richtergesetzes geführt, sagte der Bundesjustizminister weiter. Dort heiße es nun: „Die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur“.

Anspielungen auf Justizreform

Buschmann führte aus, was es aus seiner Sicht bedeutet, aus der Geschichte zu lernen. Dazu gehöre die Erkenntnis, „dass Grundrechte ihrem Wesen nach Minderheitenrechte sind. Daher darf es gerade nicht die Mehrheit sein, die das letzte Wort über sie behält“. In Deutschland liege deshalb das letzte Wort über die Bedeutung der Grundrechte beim Bundesverfassungsgericht. Diese Äußerung lässt sich als indirekten Kommentar zur in Israel geplanten, umstrittenen Justizreform deuten.

Eine weitere Erkenntnis aus der Geschichte ist nach Buschmanns Ansicht, „dass sich Demokratien mit ihren eigenen Mitteln selbst abschaffen können, wenn der Mehrheit keine Grenzen gesetzt sind“. Deshalb sehe das deutsche Grundgesetz eine starke, unabhängige Justiz vor, „die der Politik auch Einhalt gebieten kann, wenn sie das Grundgesetz und damit das Recht verletzt“. Und Änderungen des Grundgesetzes seien nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit möglich.

Die englischsprachige Version der Wanderausstellung war bereits in den USA und in Polen zu sehen. Die deutschsprachige Rosenburg-Ausstellung wurde bis 4. Februar an der Universität Potsdam gezeigt. Nächste Station ist ab dem 7. März Karlsruhe.

Treffen mit Amtskollege Levin und Vertreterinnen der Justiz

Bei seinem Israelbesuch kam Buschmann auch mit dem israelischen Justizminister Jariv Levin (Likud) zusammen. Medienberichten zufolge äußerte er dabei Kritik an den Reformplänen. Weitere Treffen gab es mit Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara und mit der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Esther Hajut. Zudem sprach er mit der Abgeordneten Karine Elharrar (Jesch Atid). „Gegenstand der Gespräche waren rechtspolitische Themen, die in Israel und Deutschland aktuell diskutiert werden“, hieß es aus dem Bundesjustizministerium.

Buschmann erklärte zum Abschluss der Reise: „Als Freund des Staates Israel habe ich mich in vielseitigen, sehr ernsthaften Gesprächen über die aktuellen politischen Diskussionen im Land erkundigt. Es ist keine Situation denkbar, in der Israel und Deutschland nicht im Gespräch miteinander bleiben müssen. Klar ist für mich auch, dass wir grundsätzlich die Institutionen unserer liberalen Demokratien schützen und stärken müssen. Denn Grundrechte sind ihrem Wesen nach Minderheitenrechte und die Mehrheit darf niemals das letzte Wort haben.“ (eh)

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7 Antworten

  1. Auch ein Vertreter aus dem Land der Täter hat das Recht, auf im Sinne von Rechtsstaat und liberaler Demokratie problematische Entwicklungen in Israel hinzuweisen. Wer demokratisch gefestigt ist und für Demokratie eintritt, wird dies auch auf israelischer Seite akzeptieren können. Der „Rest“ kann eben dagegen protestieren! Schweigen in einem Augenblick, in dem in Israel eine rechtsradikale bis rechtsextreme Regierung den Rechtsstaat – in Form eines unabhängigen Verfassungsgerichts – mindestens entscheidend beschneiden will, ist nicht tolerable. Da ist JEDE Demokratie – auch die deutsche! – geradezu verpflichtet, die warnende Stimme zu erheben. Auf die Diskussion zu diesem Thema in der gestrigen Israelnetz sei verwiesen.

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  2. Bitte hört auf das heutige Deutschland wegen des Holocaust vor fast 80 Jahren zu diffamieren israel hat viele Freunde in Deutschland und könnte noch mehr haben. Bitte löst euch endlich von der Vergangenheit!

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    1. Ne, genau das nicht. Ja, die heutigen Deutschen tragen keine Verantwortung was vor 80 Jahren passierte. Aber wir die tragen die Verantwortung, dass es nie mehr passiert. Und genau deshalb muss diese Vergangenheit offen bleiben.

      Deutschland hat ein Verbrechen begangen und ich erlebe hier auf dieser Seite immer wieder den Versuch die Geschichte zu relativieren, sie mit „die Israelis machen das gleiche mit den Palästinensern, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben“ zu legitimieren. Man möchte das Blutfell der Vorfahren reinwaschen. So nach dem Motto: mein armes Papilein, der arme opa, sie mussten sich beteiligen, sie waren die Opfer und die Juden, die Sinti und Roma, die Behinderten usw die Opfer, denn ihr Verhalten musste bestraft werden. Welches Verhalten? Das, dass sie lebten? Was kommt dann in 30 Jahren, wenn man alles vergessen hat? Vielleicht die Rentner, denn die sind ja unnütze Esser?

      Kein Mensch diffamiert Deutschland. Aber Geschichtsklitterung geht nicht. Auch in hundert heißen Sommern nicht. Es gehört zu unsere Geschichte wie die Geschichte der anderen Länder zu ihrer gehört. Sollen die USA sich jetzt vom Umgang mit ihrer Urbevölkerung distanzieren oder die Australier von ihrer. Welches Recht haben die Indianer, die Aborigines? Was ist mit dem Sklavenhandel, der sich durchzog? Alles vergessen, alles vergeben. So nicht.

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      1. Nachtrag: die Deutschen, die im 3. Reich die Opfer waren, neben denen, die aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihres Gesundheitszustandes ermordet wurden, waren die, die sich gegen das Regime auflehnten. z.B. die Geschwister Scholl. Die hatten den Mut sich dagegen zu stellen.

        Hitlers Sekretärin Traudel Junge erzählte mal, dass sie sich immer herausgeredet hat, ich war ja zu jung, um es zu durchschauen. Irgendwann ging sie in München über den Geschwister-Scholl-Platz und plötzlich kam ihr der Gedanke, die waren ja gleich alt wie ich und die durchschauten es.

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  3. Sehr schöne Beiträge. Am allerwichtigsten ist dann wohl die beeeachtliche Rede des deutschen FDP Justiz-Ministers Buschmann, der für Israels Demokratie die Grenze markiert und empfohlen hat, die Israel nie überschreiten sollte.

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  4. Wenn das doch alles so einfach wäre.
    Wo in der Welt gibt es eine Demokratie, die von allen Seiten angefeindet wird, außer in Israel?
    Wo in der Welt gibt es eine Demokratie, die ums Überleben kämpfen muss an jedem einzelnen Tag?
    Und wer ist dieser Salomo, der so wiel Weisheit hat, dass er die richtige Antwort formulieren kann. Wenn das Herr Buschmann wäre, wäre Putin schon in DenHaag.
    Aber leider leidet die Welt vor Untätigkeit und mittlerweile zieht man mit seinen Armeen in arme Nachbarländer ein, von denen man weiß, dass sie sich ohnehin nicht lange wehren können. Feige und hinterhältig. Was hilft da die Weisheit von Herrn Buschmann. Leider gar nichts. Warum ist Putin noch nicht in Jerusalem? Nun dort wacht man Tag und Nacht über seine Grenzen und findet die Angreifer gerne bevor sie Ihre Anschläge verübt haben. Man registriert Ihre Tätigkeiten und macht Ihnen ein Ende, bevor der das Unheil losbricht. Möge die Reformen diese Art der Weisheit bestärken und die anderen davon lernen, die sich noch immer so weise dünken und möge der Agressor im Moskau gestoppt werden, bevor seine Sprengköpfe nicht nur auf Kiew gerichtet werden, sondern auch auf Jerusalem, Berlin, Bukarest, Warschau, Helsinki, Oslo, Stockholm, Kopenhagen, Amsterdam, Paris, Washington und wahrscheinlich auch auf die Wagner Gruppe…..Viel Erfolg

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  5. Beva: Glücklicherweise ist auch Ihnen aufgefallen, dass Putin noch nicht in Den Hague oder in Bordeaux ist (obwohl er den dortigen Wein sehr schätzen soll). Offensichtlich hindert ihn nicht nur die Ukraine daran. Und über eine gewisse Wende in der EU-Außen- und Militärpolitik können sicher auch Sie nicht hinwegsehen. Was Sie vorstehend schreiben, gehörst ansonsten zu mindestens 100 % nicht zum Thema, oder fällt in die Sparte „Schönfärberei/Themenvermeidung“. An HUJI oder TAU hätten Sie dafür eine niedrige Prozentzahl bekommen.

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