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Klein und groß: Diese Listen wollen in die 23. Knesset

Vom Drogendealer bis zur Frau des Rabin-Mörders, vom Kommunisten bis zum Nationalisten: Kandidaten auf 30 Listen wollen in die 23. Knesset einziehen. Im linken Lager gibt es ein neues Bündnis, im rechten eine bereit bekannte Konstellation.
30 Parteien wollen bei den kommenden Knesset-Wahlen antreten

Wenn die Israelis am 2. März zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten die Wahlkabinen aufsuchen, werden sie voraussichtlich auf eine große Menge an Papierzetteln treffen. Auf denen stehen nämlich die einzelnen Listen, die für das Parlament kandidieren. 30 sind es, die sich bis zur gesetzten Frist am Mittwochabend beim Zentralen Wahlkomitee für eine Kandidatur beworben haben – zwei weniger, als bei der September-Wahl antraten.

Der Ausschuss hat nun die Aufgabe, über die Zulassung der einzelnen Bewerber zu entscheiden. Für einige Parteien und Kandidaten heißt das: bangen. Bei den vorigen Wahlen hatte es etwa Beschwerden gegen die Splitterpartei der „Jüdischen Stärke“ (Otzma Jehudit) gegeben, deren Anhänger mit dem israelischen Attentäter des Hebron-Massakers von 1994, Baruch Goldstein, sympathisieren. Das Wahlkomitee strich damals letztlich einen Teil der Liste.

Listen für Inhaftierte und von Inhaftierten

Große Aufmerksamkeit, die weit über ihre eigentliche Bedeutung hinausgeht, zieht auch die Partei des „fairen Prozesses“ (Mischpat Zedek) auf sich, die ihr Anliegen bereits im Namen trägt: „für eine Reform des Justizsystems und die Freilassung von Jigal Amir“. Wem der Name Amir nichts sagt, der weiß zumindest über die Tat Bescheid, für die der Israeli rechtskräftig verurteilt wurde: die Ermordung des israelischen Premierministers Jitzchak Rabin, die sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt. Angeführt wird die Liste von Amirs Frau Larissa Trimbobler-Amir. Amirs Mutter ist auf Platz 6 gelistet. Laut Medienberichten hat die Partei versprochen, die Ermordung Rabins in der Öffentlichkeit nicht gutzuheißen.

Einen anderen Weg geht die ebenfalls chancenlose „Wirtschaftsliberale Macht“ (Otzma Liberalit-Kalkalit). Sie platziert einen derzeit Inhaftierten auf ihrer Liste: Amos Dov Silver ist Gründer der Online-Drogenplattform Telegrass und in diesem Zusammenhang angeklagt. Was die Partei auch unter einer freien Wirtschaft versteht, ist eindeutig: die Liberalisierung des Drogenmarkts. Damit übernimmt sie die Rolle der Identitäts-Partei (Sehut) von Mosche Feiglin, der nicht mit einer eigenen Liste antreten will. Bei den Wahlen zuvor schaffte es seine Partei wegen zu weniger Stimmen gar nicht in die Knesset.

Amos Dov Silver pflegt sein Drogenimage auf Facebook – und will nun in die Knesset Foto: Amos Dov Silver, Facebook
Amos Dov Silver pflegt sein Drogenimage auf Facebook – und will nun in die Knesset

Auch die rot-weiße Partei (Adom Lavan), deren Namen wohl in Anlehnung an das blau-weiße Bündnis (Kachol Lavan) von Benny Gantz entstanden ist, setzt sich für eine Legalisierung von Cannabis ein. Erneut dabei ist auch der „Bibel-Block“ (Gusch HaTanachi). Die jüdisch-christliche Partei hatte bei den vorigen Wahlen wenige hundert Stimmen erhalten.

Die üblichen Szenen in Jerusalem

Vor Ablauf der Registrierungs-Frist am Mittwoch spielten sich in Jerusalem die üblichen Szenen ab: eilig einberufene Sitzungen, Vorwürfe, Drohungen. In Israels zersplitterter Parteienlandschaft ist es üblich, dass sich die Parteien zu gemeinsamen Listen zusammenschließen, um ein Scheitern an der 3,25-Prozent-Hürde zu verhindern oder schlicht einen stärkeren Eindruck zu erwecken. So ist inzwischen schon fast vergessen, dass das blau-weiße Bündnis von Benny Gantz, das auch dieses Mal wieder Benjamin Netanjahu herausfordern will, eigentlich aus mehreren Parteien besteht. Das relativiert das starke Abschneiden bei der vorigen Wahl, bei der der Likud von Premierminister Netanjahu als einzelne Partei antrat, aber dennoch auf fast ebenso viele Sitze kam.

Die Folge dieser Taktierereien ist, dass es bereits vor der Wahl kleine Koaltionsverhandlungen innerhalb der Lager gibt. „Einigungsversuch in letzter Minute“, ist dann oft in dramatisch anmutenden Überschriften zu lesen. Vor allem Netanjahu mischte sich auch dieses Mal wieder in die Angelegenheiten der anderen Parteien ein, die ihm nach der Wahl im Parlament eine Mehrheit beschaffen sollen.

Jamina-Bündnis findet in letzter Minute wieder zusammen

Die zeigten sich zunächst widerborstig. Die „Neue Rechte“ (HaJamin HeChadasch) von Verteidigungsminister Naftali Bennett und Ex-Justizministerin Ajelet Schaked erklärte sich zwar bereit, gemeinsam mit der „Nationalen Union“ (Ichud Le’umi) von Verkehrsminister Bezalel Smotritsch anzutreten. Das „Jüdische Haus“ (HaBeit HaJehudi) von Rabbiner Rafi Peretz – bei den vorigen Wahlen Partner von Smotritsch und Bennett auf der Jamina-Liste – blieb zunächst jedoch außen vor.

Peretz hatte bereits ein Bündnis mit der radikalen Otzma Jehudit vereinbart, mit der Bennett jedoch nicht zusammenarbeiten wollte. Otzma-Anführer Itamar Ben-Gvir versuchte den Verteidigungsminister noch zu beschwichtigen, indem er ein Porträt des Attentäters von Hebron in seinem Wohnzimmer abhängte – vergeblich.

Unter dem Druck Netanjahus und Bennetts stieß Peretz Ben-Gvir von der Bettkante und lief doch noch zu den anderen rechten Parteien über. Das wiedervereinigte Jamina-Bündnis reichte seine Liste als letztes wenige Minuten vor Schließung des Wahlkomitees ein.

Fanden dieses Mal erst in letzter Minute auf einer Liste zusammen: Rafi Peretz (l.) und Bezalel Smotritsch (Archivbild) Foto: Bezalel Smotritsch, Facebook
Fanden dieses Mal erst in letzter Minute auf einer Liste zusammen: Rafi Peretz (l.) und Bezalel Smotritsch (Archivbild)

Likud-Chef Netanjahu gelang ebenfalls am Mittwoch auch noch ein zweiter Coup: Er konnte den äthiopischstämmigen Desta Jevarken aus der blau-weißen Wahlliste lösen und zum Likud herüberziehen. Jevarken könnte der konservativen Partei einige Stimmen aus dem Lager der äthiopischen Einwanderer einbringen.

Der national-säkulare Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, mitverantwortlich für die Neuwahlen vom April 2019, bleibt sich hingegen treu. Mit seiner Partei „Unser Haus Israel“ (Israel Beiteinu) tritt er erneut eigenständig an. Im Moment spricht wenig dafür, dass er seine entscheidende Rolle für die Regierungsbildung verlieren könnte. Im inzwischen zu Liebermans Hauptrivalen aufgestiegenen ultra-orthodoxen Lager bleibt ebenfalls alles beim Alten: Zur Wahl stellen sich das aschkenasisch geprägte „Vereinigte Tora-Judentum“ und die sephardische Schass-Partei.

Der Feind meines Feindes ist mein Freund

Einen neuen „technischen Block“, einen Zusammenschluss also, der mehr Zählgemeinschaft als Ausdruck ideologischer Übereinstimmungen ist, gibt es dafür im linken Lager: Die altehrwürdige Arbeitspartei, inzwischen nah am Exitus, bündelt ihre kaum noch vorhandenen Kräfte mit der links-grünen Meretz-Partei – ein Schritt, der von Teilen der Beobachterschaft schon vor den September-Wahlen erwartet worden war.

Hinzu kommt die zentristische „Brücken“-Partei (Gescher) von Orly Levy. Die Rolle der Spielverderberin nimmt im linken Lager die einstmals als „aufsteigender Stern“ der Linken gehandelte grüneParlamentariern Stav Schaffir ein: sie weigerte sich, der neuen Linksallianz beizutreten. Am Mittwoch gab sie ihren Rückzug bekannt.

„In einer Beziehung mit Meretz“, schrieb die sozialdemokratische Avoda auf Facebook. „Wahre Liebe“, antwortete Meretz. Foto: מפלגת העבודה Facebook, Screenshot Israelnetz
„In einer Beziehung mit Meretz“, schrieb die sozialdemokratische Avoda auf Facebook. „Wahre Liebe“, antwortete Meretz.

Einen ganz besonderen Cocktail bietet unterdessen die arabische „Vereinigte Liste“ den Wählern: Kommunisten, arabische Nationalisten und Islamisten wollen auf ihrem Ticket Hand in Hand in die Knesset einziehen. Alle Lager teilen damit – mal mehr, mal weniger – ein gemeinsames Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Nur die Feinde sind jeweils andere: Die Linken, Netanjahu oder der gesamte Staat Israel.

Von: Sandro Serafin

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