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Volldampf im Wahlkampf: Modethema Marihuana

Unter den israelischen Parteien herrscht momentan so etwas wie ein Überbietungswettbewerb für die Legalisierung von Cannabis. Aber noch ist es nicht soweit. Vergangene Woche schlug die israelische Polizei gegen den Marihuana-Händler Telegrass zu.
Für die einen eine gefährliche Droge, für andere ein Geschenk der Natur: Cannabis könnte in Israel bald legal werden

Marihuana ist ein großes Wahlkampfthema in Israel. Nachdem fast alle Parteien sich ähnlich geäußert haben, sprang Premier Benjamin Netanjahu am vergangenen Montag auf den Zug auf und bekundete in einem Video auf Facebook seine Offenheit für Gras-Legalisierung: „Ich werde mir das anschauen. Bald gebe ich eine genaue Antwort. Es ist möglich, dass die Legalisierung kommt.“

Das hat die israelische Kriminalpolizei am Dienstag nicht davon abgehalten, führenden Managern von Telegrass die Handschellen anzulegen. Telegrass ist eine Art virtueller Marktplatz, auf dem Dealer ihre Ware anbieten. Als Plattform dient die Messenger-App Telegram, die die Kommunikation verschlüsselt und somit Sicherheit bietet. Nutzer können über ihr Smartphone Marihuana bestellen und bekommen es anonym und schnell geliefert. Getreu der Devise des Gründers Amos Dov Silver: „Bei uns einzukaufen muss einfacher sein, als eine Pizza zu bestellen.“

Beeindruckende Auswahl

Laut dem Online-Portal „Business Punk“ können die Nutzer wählen zwischen „saftig“, „klebrig“ oder „medizinischer Qualität“. Es gibt Haze, Skunk, Indica oder Sativa. Rund um die Uhr. Kurz: Alles, was das Kifferherz begehrt. Obwohl der Gebrauch von Cannabis in Israel illegal ist, konnte Telegrass bis dato auf eine sensationelle Erfolgsgeschichte zurückblicken. 2017 gegründet, verzeichnete Telegrass ein Jahr später schon 3.000 Dealer und 150.000 Nutzer. Bis zuletzt stieg die Zahl stetig. Die Macher haben ein Bewertungssystem erdacht, durch das gestreckte Ware oder Betrüger aus dem Verkehr gezogen werden.

Für den Gründer Amos Silver gehört Gras zu einem ganzheitlich gesunden Leben dazu – auch, wenn man es nicht zu Therapiezwecken braucht. Und obwohl er sein eigenes Geschäftsmodell damit wohl massakriert, setzt er sich leidenschaftlich für die Legalisierung von Marihuana ein. „Dass Kiffen nicht kriminell ist, ist die ganze Zeit die Grundlage und der Antrieb für meine Arbeit geblieben“, erklärte er gegenüber „Business Punk“.

Pläne lösen sich in Rauch auf

Silver hatte große Pläne. Er wollte in Zukunft Bezahlung über Bitcoin ermöglichen, weiter international expandieren und außerdem eine eigene Plattform außerhalb Telegrams schaffen – wie Uber, nur für Gras. Damit ist jetzt erstmal Schluss. Der passionierte Kiffer führte die Geschäfte schon von den USA aus, nachdem er in Israel wegen Drogendelikten 2014 sieben Monate im Gefängnis saß. Bei einem Besuch in der Ukraine ist der 34-Jährige nun von dortigen Sicherheitskräften gestellt worden. In Israel wurden 42 Mitarbeiter verhaftet. Auch in Deutschland und den USA soll es laut der israelischen Tageszeitung „Yediot Aharonot“ bei einer international koordinierten Aktion Festnahmen gegeben haben.

Die Webseite von Telegrass ist mittlerweile nicht mehr zugänglich Foto: Screenshot
Die Webseite von Telegrass ist mittlerweile nicht mehr zugänglich

Medizinische Anwendung von Cannabis ist in Israel bereits möglich. Im April soll außerdem eine Entkriminalisierung seiner Nutzung als Genussmittel in Kraft treten. Dass die Forderung einer vollständigen Legalisierung in diesem Wahlkampf einen so großen Raum einnimmt, erklären viele Beobachter mit dem raschen Aufstieg des ultranationalistischen Politikers Mosche Feiglin und seiner 2015 gegründeten Partei „Sehut“. Neben rechtsextremen Positionen vertritt er auch die Legalisierung von Cannabis und findet großen Anklang. Ehemals bedeutungslos, könnte seine Partei laut Umfrage mittlerweile vier Sitze in der Knesset ergattern. In einem knappen Wahlkampf kann Netanjahu es sich also nicht leisten, das Modethema zu ignorieren. Und Silvers Telegrass könnte vielleicht bald einen offiziellen Eintrag ins Handelsregister bekommen.

Von: Timo König

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