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Gedenken in Auschwitz und Sachsenhausen

Beim „Marsch der Lebenden“ in Auschwitz geht es um den Warschauer Ghetto-Aufstand. Eine Rednerin thematisiert die ideologische Spaltung unter den damaligen jüdischen Kämpfern.
Von Israelnetz

AUSCHWITZ / SACHSENHAUSEN (inn) – Etwa 9.000 Menschen haben am Dienstag in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau an die Opfer der Scho’ah erinnert. Am „Marsch der Lebenden“ nahmen Delegationen aus mehr als 25 Ländern teil. Es war der 35. derartige Marsch von Auschwitz nach Birkenau.

Das Thema lautete in diesem Jahr: „Jüdisches Heldentum während des Holocaust und der menschliche Geist“. Wie bei den Veranstaltungen zum Gedenktag Jom HaScho’ah in Israel gab es auch in Auschwitz einen Bezug zum Warschauer Ghetto-Aufstand vor 80 Jahren.

An der Spitze marschierten 40 Überlebende aus Israel und aller Welt. Doch auch viele junge Juden nahmen teil. Eine der ehemaligen KZ-Insassen ist Halina Birenbaum. Die 93-Jährige sagte der Onlinezeitung „Times of Israel“: „Ich halte es für eine Pflicht, anderen zu zeigen, dass wir überlebt haben, aber auch uns selbst daran zu erinnern, was genau wir überlebt haben und wie.“

Birenbaum erlebte den Warschauer Ghetto-Aufstand mit. Im Vernichtungslager Majdanek wurde sie nach der Deportation mit anderen Häftlingen in die Gaskammer gesperrt. Doch den Nationalsozialisten war das Gift ausgegangen. Deshalb überlebte sie.

Spaltung bereits beim Ghetto-Aufstand

Die Vorsitzende des Jüdischen Nationalfonds, Ifat Ovadia-Luski, ging in ihrer Ansprache auf die ideologische Spaltung unter den Helden des Aufstandes im Ghetto ein. Trotz der unmittelbaren Lebensgefahr habe es zwei Gruppen gegeben: eine rechtsgerichtete revisionistische Miliz unter Pavel Frenkel und eine sozialistische Miliz unter Mordechai Anielewicz.

„Die Rebellen hatten ein gemeinsames Anliegen, aber sie hatten unterschiedliche Weltanschauungen“, sagte Ovadia-Luski. „Sie ermutigten einander, stritten aber auch. Sie hatten ein Anliegen, kämpften aber getrennt voneinander und starben, ohne ihre Meinungsunterschiede versöhnt zu haben.“ Dabei nahm sie indirekt Bezug auf die aktuellen Diskussionen über die geplante Justizreform. Die Spaltung beim Ghetto-Aufstand hatte vor einem Jahr beim zentralen Gedenken bereits der damalige israelische Regierungschef Naftali Bennett (Jamina) angesprochen.

Überparteiliche Unterstützung der USA

An dem Marsch beteiligte sich auch der Bildungsminister Joav Kisch (Likud). US-Botschafter Tom Nides und sein Amtsvorgänger David Friedman waren ebenfalls nach Auschwitz gekommen. Weitere Teilnehmer waren der italienische Präsident Sergio Mattarella und Ahmed al-Mansuri. Letzterer hat die erste Holocaust-Ausstellung in Dubai initiiert.

Beim „Marsch der Lebenden“ werden traditionell sieben Fackeln entzündet. Sechs stehen für die sechs Millionen ermordeten Juden, die siebente repräsentiert den Staat Israel. Eine Fackel trugen Nides und Friedman zusammen. Dies sollte die überparteiliche Verpflichtung zum Holocaust-Gedenken und die Unterstützung der USA für Israel symbolisieren.

Erstmals wurde bei der Veranstaltung in Polen auch der Holocaust in Nordafrika thematisiert. Während des Zweiten Weltkrieges waren Tausende Juden in Konzentrationslagern in Tunesien, Libyen und Marokko interniert worden. Viele von ihnen kamen ums Leben. Haim Taib ist eine israelische Geschäftsfrau. Ihr Vater und ihr Großvater überlebten die Scho’ah in Tunesien. Sie gehörte zu den Fackelträgern bei der Zeremonie.

Sirene in Sachsenhausen

Eine weitere Gedenkveranstaltung zum Jom HaScho’ah hielt die israelische Botschaft in Deutschland ab. Als Ort hatte sie die Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg gewählt. Dort trägt der zentrale Gedenkort die Bezeichnung „Station Z“ – ein Komplex mit Gaskammer, Erschießungsbereich und Krematorium. Die SS-Leute brachten mit diesem Namen zynisch zum Ausdruck, dass der letzte Buchstabe des Alphabets für die letzte Lebensstation der Häftlinge stehe.

Am Dienstagmorgen war in Sachsenhausen wie in Israel zwei Minuten lang eine Sirene zu hören. Die Teilnehmer der Zeremonie verharrten in stillem Gedenken. Eine Fackel entzündete der Überlebende Kurt Hillmann, berichtet der Sender RBB. Er wurde 1933 in Berlin geboren.

Buschmann: Ewige Scham

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte bei der Gedenkveranstaltung: „Die Scham werden wir ewig empfinden.“ Er sei demütig und dankbar, dass es ihm heute möglich sei, gemeinsam mit Juden der Opfer zu gedenken.

Buschmann nahm auch Bezug auf israelfeindliche und antisemitische Parolen bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin vor anderthalb Wochen. Wenn sich Juden in Deutschland nicht sicher fühlten, könne das niemals akzeptiert werden, sagte der Minister.

Das KZ Sachsenhausen wurde 1936 errichtet. Bis 1945 waren dort mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende Häftlinge kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, medizinische Versuche und Misshandlungen um oder wurden Opfer systematischer Vernichtungsaktionen.

Gedenken in der Knesset

In Jerusalem gedachte am Dienstag das israelische Parlament der Scho’ah. Die jährliche Veranstaltung steht unter dem Titel „Jeder Mensch hat einen Namen“. Israelische Politiker verlasen Namen von Verwandten, die im Holocaust umkamen, und stellten kurz deren Geschichte vor.

Staatspräsident Jitzchak Herzog beteiligte sich daran ebenso wie Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud), der von seinem Schwiegervater Schlomo Ben-Artzi erzählte. Dieser sei jedesmal in Tränen ausgebrochen, wenn er den Namen seiner ermordeten Schwester Jehudit erwähnte.

Knessetsprecher Amir Ochana (Likud) befasste sich in seiner Ansprache mit einem Juden aus Tunesien: dem Boxer Victor Perez. Er war in den 1930er Jahren Meister im Leichtgewicht. 1942 wurde er von den nationalsozialistischen Besatzern nach Auschwitz deportiert. Mit der Boxmannschaft des Lagers sorgte er bei den Aufsehern für Unterhaltung. Er gewann 133 Kämpfe und stellte sich mitunter schützend vor andere Insassen. Perez wurde von einem Aufseher erschossen, als er für Mithäftlinge nach Brot suchte. (eh)

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4 Antworten

  1. Der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg die jüdischen Häftlinge immer in der Minderheit waren. Ich erwähne das, weil ich im Ausland häufig feststellen mußte, dass sehr viele Menschen glauben, in deutschen KZs seine praktisch ausnahmslos jüdische Menschen gefangengehalten, gequält und ermordet worden und dabei oft vergessen wird, dass auch hundertausende nichtjüdische Antifaschisten und Widerständler ein ähnliches Schicksal teilten.

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  2. Tja, richtig. hunderttausende sind natürlich viel mehr als Millionen. Die Rechenkünste gewisser Menschen sind schon interessant. 2023 – 1967 ergeben 75. 45 % in Israel lebende Juden ist weit von der Hälfte der weltweit existierenden Juden. Und damit die, die sich damit nicht auskennen, dies auch glauben, macht man aus 15 Mio. Juden halt mal 1 um 8 Mio. Manipulation wo immer es geht.

    Widerständler. Toll, da greift man auf die zurück. Wenn man die Pal. dann auch als Widerstandkämpfer bezeichnet, zieht man den Bogen zu den Widerstandskämpfern, die tatsächlich ihr Leben riskierten um eine Regierung zu bekämpfen, die vollkommen irre war. Leider lässt sich das 3. Reich nicht anders bezeichnen.

    Man versucht Parallelen zu ziehen und vergisst dabei eines: die „pal. Widerstandskämpfer“ ermorden jüd. Zivilisten. Vorzugsweise Kinder, Frauen und Alte. Die Widerstandskämpfer im 3. Reich kämpften gegen Mörder und Verbrecher.

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  3. @christin
    Ohne die Opferzahlen relativieren zu wollen: Wenn Ihre Rechenkünste so viel besser sind, können Sie mir vielleicht erklären, wie ein schwuler, behinderter, jüdischer Kommunist, der von den Nazis ermordet wurde, in der Opferstatistik auftaucht?

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    1. Was gefällt Ihnen nicht? Schwul, behindert oder jüdisch?

      Es gibt in D schwule Politiker.
      Es gibt in D einen Politiker im Rollstuhl
      Es gibt in D Mitbürger jüdischen Glaubens, die für das Land mehr tun, als so manch Hetzer.

      Und es gibt in D Mitglieder der CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, AFD – um nur bei den im Bundestag vorhanden zu bleiben. Und es gibt Kommunisten.

      Und manche Deutsche sind auch schwul und jüdisch. Oder jüdisch und Sozialdemokrat. Behindert und CDU-Mitglied. Was ist ihr Problem?
      Und im 3. Reich wurden Juden ermordet, Behinderte, Schwule, Sinti und Roma, Pfarrer im Widerstand oder auch Sozialdemokraten. Was ist nun Ihr Problem, G-Sindel?

      Was passt Ihnen nun nicht? Schwul, behindert oder jüdisch?

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