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Eine Nacht, die sich von allen anderen unterscheidet

Die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten feiern Juden mit einer besonderen Liturgie. Dazu gehört eine Mahlzeit mit symbolischen Speisen. Ein Lebensmittel ist allerdings tabu.
Von Elisabeth Hausen
Dank der deutlich gesunkenen Infektionszahlen in Israel war der Sederabend wieder in größeren Gruppen möglich

Als die Israeliten vor mehr als 3.000 Jahren aus Ägypten auszogen, schlug das Sklavenvolk den Weg in die Freiheit ein. Diese Befreiung ist für die Nachkommen bis heute ein Anlass, Gott zu danken. Sie feiern das schon in der Bibel gebotene Pessach-Fest, dessen Auftakt der Seder bildet. In diesem Jahr beginnt die Festwoche am Abend des 5. April.

Dass es sich um eine Mahlzeit von freien Menschen handelt, zeigt sich auch an der Körperhaltung beim Essen. Im Jerusalemer Talmud heißt es im Traktat „Pessachim“ (10,1/37b): „Rabbi Levi sagte: Da es Knechtesart ist, stehend zu essen, isst man beim Seder zurückgelehnt, um kundzutun, dass sie von der Knechtschaft in die Freiheit zogen.“

Das hebräische Wort „Seder“ bedeutet „Ordnung“. Es steht für den Ablauf dieses besonderen Abends, der einem bestimmten Ritus folgt. Dieser ist in der sogenannten „Haggada“ (Erzählung) festgehalten – sie enthält liturgische Texte und Gebete.

Der jüngste Knabe der Tischgemeinschaft stellt traditionell die vier zentralen Fragen. „Worin unterscheidet sich diese Nacht von allen Nächten?“, fragt er – und will wissen, warum Juden in dieser Nacht nur Ungesäuertes essen, warum sie zurückgelehnt statt sitzend essen, warum bittere Kräuter zur Mahlzeit gehören. Das Familienoberhaupt antwortet mit der biblischen Geschichte vom Auszug aus Ägypten, dem Exodus.

Vier Becher mit dem Getränk des Weinstocks

Während der Mahlzeit werden vier Becher Wein oder Traubensaft getrunken. In diesem Jahr beginnt das Fest einen Tag vor dem Gründonnerstag der westlichen Kirchen. Den Wein verglich Jesus nach neutestamentlicher Überlieferung am Abend vor der Kreuzigung mit seinem Blut, das für die Menschen vergossen werden sollte. In biblischer Zeit gehörte Pessach neben dem Wochenfest (Schawuot) und dem Laubhüttenfest (Sukkot) zu den drei großen Wallfahrtsfesten, an denen Tausende nach Jerusalem pilgerten.

Der Jerusalemer Talmud gibt im Traktat Pessachim (101,1/37b–c) eine Antwort auf die Frage, warum Juden vier Becher trinken. „Rabbi Jochanan sagte im Namen Rabbi Banajas: Entsprechend den vier Ausdrücken der Erlösung: ‚Daher sprich zu den Söhnen Israels: ICH bin‘s, ich führe euch unter den Lasten Ägyptens hervor, ich rette euch aus eurem Dienst, ich löse euch aus mit ausgestrecktem Arm, mit großen Gerichten. Ich nehme euch mir zum Volk‘ (2. Mose 6,6f.).“

Ein leerer Stuhl ist beim Seder für den Propheten Elia reserviert, der nach der jüdischen Tradition die Ankunft des Messias ankündigen soll. Auch auf diesem Platz steht ein gefülltes Weinglas. Die Kinder sehen immer wieder hin und schauen nach, ob sich die Menge des Getränkes verringert hat.

Auf einem speziellen Teller finden sich am Sederabend die symbolischen Speisen. Bittere Kräuter erinnern an die Fronarbeit, ein Fruchtmus wegen der Farbe an den Mörtel für die Bauarbeiten. Ein gebratener Hähnchenknochen symbolisiert das Lamm, das vor dem Auszug das besondere Pessach-Opfer war. Ein hartgekochtes Ei steht für das Feiertagsopfer, das in den Tagen des Tempels dargebracht wurde.

Mehr Bedürftige in Israel

Viele Israelis können allerdings das Geld für das Pessach-Essen nicht aus eigener Kraft aufbringen. In diesem Jahr ist ihre Anzahl besonders hoch. So teilte die Hilfsorganisation „Pitchon Lev“ mit, dass sich deutlich mehr Juden für die Verteilung von Lebensmittelpaketen gemeldet hätten als im Vorjahr: Die Zahl sei um 285 Prozent gestiegen. Die Organisation „Lechiot B’Kavod“ wiederum kündigte an, während der Festwoche 3.000 Mahlzeiten an Überlebende der Scho’ah auszugeben.

In Israel steigen derzeit die ohnehin schon hohen Lebenshaltungskosten, auch infolge der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise. Wohlfahrtsminister Ja’akov Mergi (Schass) hat laut der Zeitung „Ma’ariv“ mitgeteilt, umgerechnet rund 1,3 Millionen Euro freizugeben. Das Geld solle die Organisationen unterstützen.

Sauerteig aus Häusern entfernen

Im 2. Buch Mose berichtet die Bibel, wie Gott die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei befreite. In der Nacht des Aufbruches war keine Zeit, um Sauerteig für Brot anzusetzen. Deshalb nahmen die Fliehenden ungesäuertes Brot mit. Dieses gehört in Form von Matzot zu Pessach.

In 2. Mose 12,14–15 gebietet Gott den Israeliten: „Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung. Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Schon am ersten Tag sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern tun. Wer gesäuertes Brot isst, vom ersten Tag an bis zum siebenten, der soll ausgerottet werden aus Israel.“

In den Wochen vor dem Fest unterziehen viele Juden ihre Häuser und Wohnungen einer Grundreinigung. Sie verzehren alles Gesäuerte. In den israelischen Supermärkten sind ganze Regale zugehängt, weil die dortigen Produkte nicht „koscher le-Pessach“ sind. Die Reste der gesäuerten Speisen werden verbrannt.

Wenn eine große Menge übrig ist, können Juden die Lebensmittel oder gar den Raum, in dem sich diese befinden, vorübergehend an einen Nichtjuden „vermieten“. In Israel übernehmen oft Araber die Verantwortung für diese Lebensmittel. Es gibt auch besonderes Geschirr, das nur für das Passahfest hervorgeholt wird.

Trauer um ertrunkene Ägypter

Dem Auszug gingen zehn Plagen voraus, mit denen Gott das verhärtete Herz des Pharao erweichen wollte, damit er die Israeliten ziehen lasse. Zuletzt starben alle erstgeborenen Söhne in Ägypten. Nur die Familien, die nach Gottes Geheiß ihre Türpfosten mit dem Blut eines Lammes bestrichen hatten, wurden von dem Todesengel verschont, der an diesen Häusern vorüberging. Die Bezeichnung „Pessach“ wird auf das hebräische Verb „passach“ (vorübergehen) zurückgeführt.

In manchen Familien fasten die Erstgeborenen vor dem Fest von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Dies soll daran erinnern, wie Gott die Söhne der Israeliten verschonte, während die der Ägypter getötet wurden. Doch die Freude über die Befreiung ist nicht vollkommen.

Denn durch die Plagen und beim Durchzug durch das Schilfmeer starben auch Ägypter, die sich nicht persönlich gegen einen Israeliten versündigt hatten. Und so heißt es gleich an zwei Stellen im Talmud: „Als sie die Vernichtung der Ägypter sahen, wollten die Engel einen Gesang anstimmen, aber Gott gebot ihnen Schweigen und sprach: ‚Das Werk meiner Hände ertrinkt im Meer, und ihr wollt singen!’“

Lob und Dank im Mittelpunkt

Dankbarkeit für die Befreiung aus der Sklaverei steht dennoch im Mittelpunkt der Festwoche. In der Haggada nimmt das Lob Gottes viel Raum ein. Durch die Jahrhunderte hindurch sind immer wieder Juden unterdrückt worden. Sie haben Gott um Hilfe angerufen, und manchmal sind sie aus ihrer Situation befreit worden. Die Erinnerung ist somit ein wesentliches Element der jüdischen Feste.

Der Sederabend am 15. Tag des jüdischen Monats Nisan bildet den Auftakt zu Pessach. Dieser Tag und der letzte Tag der Festwoche, also der 21. Nisan, sind in Israel offizielle Feiertage. Schüler haben in dieser Zeit Ferien. In der Diaspora währt das Fest einen Tag länger als in Israel.

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9 Antworten

  1. Alles schön und gut.

    Aber auch die Juden sollten sich Jesus zuwenden.

    JESUS IST SIEGER !!

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    1. Das ie Juden ihren Glauben aufgeben würde schon seit Jahrtausenden versucht.
      Hat nicht funktioniert. Nicht einmal durch die inkwisizion.

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      1. Unter anderem durch Luther. In seinen letzten Jahren war er ein krasser Antisemit. Und seine Thesen für den Umgang mit den Juden der Vorläufer für Hitlers Wahn. War ja auch einfach, die Christen zu ködern, man musste nur sagen, auch Luther hat dasselbe gefordert wie wir. Und schon fielen viele von ihnen um.

        Dazu kommen die Pogrome u.a. im Mittelalter, wo Juden auf den Scheiterhaufen verbrannt wurden.

        Mit diesen Hintergründen ist der Slogan „Jesus ist Sieger“ eine Verhöhnung des jüdischen Volkes. Derjenige, der ihn verwendet, sollte erst mal Abbitte tun, für das was man im Namen Jeus dem jüdischen Volk angetan hat. Aber wenn mir den absolut widerlichen Vortrag eines Christen-Antisemiten in Würzburg vor Augen halte, sind da welche ganz weit entfernt davon. Der Vortrag hat immerhin die Ersatztheologie im Inhalt und die Aufforderung, dass die Juden endlich die Verantwortung übernehmen müssen, dass sie Jesus ermordert haben. Antisemitismus pur. Es gibt auch JüngerInnen, die ihm nachfolgen.

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    2. Ist auch so leicht, nachdem die Christen der Welt sie 2000 Jahre lang geprügelt und ermordet haben. Und das im Namen Jesu. Da ist der Slogan „Jesus ist Sieger“ wohl eher Hohn als Hilfe.

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      1. Ihr Christenhass nimmt immer mehr bedenkliche Züge an! Dass im Laufe der Geschichte auch von „Christen“ Unrecht an den Juden geschehen ist, ist nicht zu leugnen, aber Sie „übersehen“ offensichtlich die Verfolgung derer „die der Neuen Lehre“ Jeschua`s von Nazareth, als dem Auferstandenen waren! Sarkastisch könnte man auch sagen, hier wurden (messianische!) Juden von Juden verfolgt; da immer mehr aus den Heiden dazukamen, wurden diese Gläubigen ca. ab dem 2.Jahrhundert – „Christen“ genannt! Nehmen Sie Ihr eigenes Wort ernst: Sie werfen Christen vor, sie würden „die Juden“ als Jesusmörder bezeichnen. Es gibt jedoch viele Christen, die Israel und die Juden lieben und segnen! Umgekehrt gibt es sicher auch Juden, die Christen von einer guten Seite kennengelernt haben und als ihre Mitmenschen lieben und achten! Lernen wir doch neu, mit Gedanken, Worten und Taten begutsam miteinander umzugehen! Schalom!

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  2. „Wer gesäuertes Brot isst, vom ersten Tag an bis zum siebenten, der soll ausgerottet werden aus Israel.“

    Deshalb besuche ich Israel nicht. Ich möchte nicht ausgerottet werden, nur weil ich vielleicht zur falschen Zeit das falsche Brot esse.

    1
    1. Ich kann Sie beruhigen. In Israel ist es, wie in anderen westlichen Demokratien auch. Was gemacht wird, entscheidet der Gesetzgeber. Manchmal hat die Judikative das letzte Wort. Das zweite Buch Mose, das Sie obig zitieren, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

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    2. Sind Sie Jude? Wenn nicht, dürfte es wohl kein Problem sein. Und warum besuchen Sie Israel dann nicht an den 51 übrigen Wochen?

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