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Ein Israeli übernimmt den Stab an der Staatsoper

Die Hamburger Staatsoper erhält einen Generalmusikdirektor aus Israel. Dieser führt gern Werke jüdischer Komponisten auf, die in der NS-Zeit verbannt wurden.
Von Israelnetz

HAMBURG (inn) – Der israelische Dirigent Omer Meir Wellber tritt am 1. August 2025 die Nachfolge von Kent Nagano als Hamburgischer Generalmusikdirektor beim Philharmonischen Staatsorchester und als Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Hamburgischen Staatsoper an. Damit ist der Hansestadt ein großer Wurf gelungen, denn Omer Meir Wellber verspricht, Hamburg noch weiter zu einer Musik-Metropole von Weltrang auszubauen.

Der 41-Jährige zählt international zu den gefragtesten Dirigenten. Noch bis einschließlich August 2027 bleibt er Musikdirektor an der Volksoper Wien. Zur Zeit ist er auch Music Director des Teatro Massimo in Palermo und künstlerischer Leiter des Toscanini Festivals.

Von Barenboim geprägt

Omer Meir Wellber wurde am 28. Oktober 1981 in der Wüstenstadt Be’er Scheva geboren. Der Akkordeonist machte 1999 am dortigen Konservatorium seinen Abschluss in Komposition. Von 2000 bis 2008 studierte er Dirigieren und Komposition an der Jerusalemer Musikakademie. Von 2008 bis 2010 war er Assistent des israelisch-argentinischen Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim an der Staatsoper Berlin und an der Mailänder Scala. Das prägte ihn nachhaltig.

Seit nahezu 15 Jahren engagiert er sich zudem als künstlerischer Leiter des israelischen Ra’anana Symphonette für Tradition und Musikvermittlung. Von 2018 bis 2022 war Wellber Erster Gastdirigent der Semperoper Dresden und bis 2022 Chief Conductor des BBC Philharmonic London. Er war – und ist – für Gastspiele an Opernhäusern und Orchestern in aller Welt engagiert, beispielsweise am La Fenice in Venedig, an der Arena di Verona, der Metropolitan in New York, dem London Philharmonic Orchestra und dem Boston Symphony Orchestra. Hinzu kommen die Bayerische Staatsoper und die Münchner Philharmoniker, das Gewandhausorchester Leipzig, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und natürlich das Israel Philharmonic Orchestra in Tel Aviv. Omer Meir Wellber ist ein musikalischer Brückenbauer.

In der Saison 2018/19 stand er in der Elbphilharmonie in Hamburg beim NDR Elbphilharmonie Orchester am Pult und begeisterte das Publikum in dem zauberhaften Musikhaus an der Elbe mit einem Konzert mit den Wiener Symphonikern. „Bitte mehr von diesem Dirigenten“, war die einhellige Meinung der Zuhörerinnen und Zuhörer. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival 2022 gastierte er als Porträt-Künstler im nördlichsten Bundesland. Er gab 14 Konzerte in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Vergessene Komponisten in Erinnerung bringen

In seinem Wirken nehmen vergessene und von der NS-Diktatur verbannte Werke jüdischer Komponisten einen breiten Raum ein, beispielsweise von Paul Ben-Haim. Dessen Sinfonie Nr. 1 hob Omer Meir Wellber auch beim SHMF-Konzert in Norderstedt und Flensburg mit dem Festival-Orchestra ins Programm.

Der israelische Komponist Paul Ben-Haim wurde 1897 als Paul Frankenburger in München geboren und war Assistent der Dirigenten Bruno Walter und Hans Knappertsbusch. 1933 floh er vor dem NS-Rassenwahn nach Tel Aviv und nannte sich Ben-Haim. Komponierte er vor seiner Emigration noch in der Tradition Gustav Mahlers und Richard Strauss‘, so verarbeitete er in Israel auch geistliche und weltliche jüdische und arabische Musik. Seine Sinfonie Nr. 1 schrieb er in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs, beeinflusst von dessen mörderischem Wüten.

Ben-Haim lässt in dieser Anti-Kriegs-Mahnung das tiefe Blech dräuen, immer wieder tauchen Marsch-Rhythmen auf, eine Harfe setzt mystisch-energische Akzente. Streicher drängen vorwärts, kolportieren apokalytische Klänge. Hoffnung breitet sich im zweiten Satz aus, dem Molto calmo e cantabile, und dem Festival Orchestra gelingt ein hoffnungsvoller Klang, in das sich der feine Singsang jüdischer Gebete mischt. Nicht lange, denn mit dem Presto con fuoco schließt sich der letzte, intensivste und zwiespältigste Satz an, tanzend mit den Elementen der Hora, des israelischen Nationaltanzes, und mit Zitaten aus dem ersten Satz, dem Allegro energico. Dirigent Omer Meir Wellber kennt das Werk des israelischen Komponisten und setzt es genial um.

„Das Motto meines Festivalsommers lautet Freundschaft, und es gibt keine Musikerin und keinen Musiker in meinen 14 Konzerten, mit der oder dem ich nicht befreundet bin, das Festival in Schleswig-Holstein ist wie ein großer Kibbutz“, sagte Wellber vor einem Jahr.

Publikum für klassische Musik begeistern

Der Israeli ist die spektakulärste Neubesetzung für die komplett neu aufgestellte künstlerische Leitung der Hamburgischen Staatsoper ab 2025. „Omer Meir Wellber hat gezeigt, dass er dafür brennt, neues Publikum für die klassische Musik zu begeistern. Ich bin sicher, dass er mit dem Philharmonischen Staatsorchester auch in Hamburg neue Impulse setzen wird“, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD).

„Ich freue mich sehr auf Hamburg. Es ist ein Musik-Standort, der nicht nur der Tradition, sondern vor allem der Avantgarde verpflichtet ist“, sagte Omer Meir Wellber bei seiner Ernennung zum Staatsopern-GMD im Hamburger Rathaus. Das sei für ihn gleichermaßen Ansporn, Herausforderung und Inspiration. Hamburg verfüge über eine eindrucksvolle Kombination zweier Haupt-Spielorte, der Hamburgischen Staatsoper als ältestes Opernhaus Deutschlands – entstanden aus dem Engagement sehr selbstbewusster Bürgerinnen und Bürger der Stadt – und der Elbphilharmonie mit ihren einzigartigen Konzertsälen, die zu viel Neuem einladen würden. Das Hamburg Ballett vervollständige diese Kombination mit einer Compagnie, die dank Ballett-Intendant John Neumeier ihresgleichen suche.

Sein Engagement in Palermo werde er aufgeben, seinen Vertrag mit der Volksoper Wien bis August 2027 als Musikdirektor erfüllen. In Palermo dirigiert Wellber demnächst „Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowsky, in Wien „La Traviata“ von Giuseppe Verdi und „Lohengrin“ von Richard Wagner. Wellbers Repertoire ist breit gefächert und umfasst – allein der Musik verpflichtet – auch Werke antisemitischer Komponisten wie Wagner, der in Israel nach wie vor verpönt ist.

Vorfreude auf unkonventionelle Wege

„Besonders freue ich mich auf das Philharmonische Staatsorchester Hamburg, einen Klangkörper von höchstem Niveau, dessen Musikerinnen und Musiker über viele Jahre unter sehr unterschiedlichen Dirigaten bewiesen haben, mit welcher Begeisterungsfähigkeit sie bereit sind, sich auf immer neue und unkonventionelle Wege einzulassen“, lobte Wellber seine künftigen Kolleginnen und Kollegen des international besetzten Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. 

„Für mich kommt Hamburg zum richtigen Zeitpunkt. Hamburg, eine Stadt, in der bahnbrechende Musik komponiert und Musikgeschichte geschrieben wurde“, freut sich Wellber auf die Stadt an Elbe und Alster, zwischen Nord- und Ostsee. Wenn man Hamburg erlebe, spüre man diese musikalische Tradition, geprägt von Felix Mendelssohn und Gustav Mahler, Georg Philip Telemann und Johannes Brahms. „Andererseits spürt man mit dem beeindruckenden Bau der Elbphilharmonie die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und Unkonventionellem, so dass wir die Vergangenheit in die Zukunft bringen können“, ergänzte Hamburgs designierter Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber.

Von: Heike Linde-Lembke

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Eine Antwort

  1. Sehr geehrte Frau Linde- Lembke, bitte nehmen Sie meinen Dank für den Artikel entgegen. Mfg

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