Suche
Close this search box.

Die „saudischen Palästinenser“

Israel und seine Nachbarstaaten – verfeindete wie verbündete – teilen eine lange Geschichte. Sie entstanden unter vergleichbaren Bedingungen. Ein Blick auf Jordanien.
Von Carmen Shamsianpur

Das Königreich Jordanien hat sehr viele Gemeinsamkeiten mit Israel. Beide Länder entstanden aus dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. Beide waren dünn besiedelt und haben jetzt eine Bevölkerung, die mehrheitlich aus einstigen Flüchtlingen besteht. Beide haben große innenpolitische Probleme mit Palästinensern.

Parallele Entwicklungen über Jahrtausende

Jahrtausende lang machten die Gebiete des heutigen Israels und Jordaniens eine nahezu identische Entwicklung durch. Die ersten belegten Städte wurden von semitischen Völkern bewohnt, wie zum Beispiel Ammonitern, Moabitern – mit dem ­biblischen Stammvater Lot – und Edomitern – mit dem biblischen Stammvater Esau. Auch das Königreich Israel beinhaltete Gebiete östlich des Jordan.

Danach fiel das Gebiet unter die Herrschaft verschiedener Eroberer und Großreiche. Mehrere Jahrhunderte wurde das Land islamisch regiert, selten arabisch. Die Einnahme durch die Assyrer, Babylonier und Perser ist in der Bibel geschildert. Griechen und Römer hinterließen ihre Spuren. Rom regierte das Gebiet zur Zeit Jesu. Teile des Ostjordanlandes wie die Dekapolis (das Zehnstädtegebiet) lagen in dessen direktem Wirkungsbereich.

Auch die nachbiblischen Eroberungen durch die Byzantiner, Kreuzritter, Mamluken und Osmanen betrafen die Gebiete westlich und östlich des Jordan. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem daraus folgenden Zusammenbruch des Osmanischen Reiches blieb das Gebiet unter britischem Mandat eine Einheit. Die Teilung ging erst 1922 vonstatten, als die Briten von ihrem Mandatsgebiet Palästina den östlichen Teil abtrennten und dort das Emirat „Transjordanien“ errichteten.

Flüchtlinge aus Mekka als Herrscher Jordaniens

Bereits während des Ersten Weltkriegs befand sich England in Verhandlungen mit den Haschemiten. Diese stammen von der Arabischen Halbinsel und leiten ihre Herkunft von der Familie des islamischen Propheten Mohammed ab. Seit dem 10. Jahrhundert stellten sie die Herrscher über die islamischen heiligen Städte Mekka und Medina im Hedschas. Aber Anfang des 20. Jahrhunderts verloren sie diese Position endgültig an die einflussreiche, konkurrierende Familie Al-Saud, die in der Folge das Königreich Saudi-Arabien gründete. Die Haschemiten mussten fliehen.

Die Briten setzten Abdullah Ibn al-Hussein, Sohn des letzten Scharifen von Mekka, als Emir und später König von Transjordanien ein. 1946 erhielt Transjordanien seine Unabhängigkeit und nannte sich fortan „Haschemitisches Königreich“. Das königliche Militär blieb unter britischer Kontrolle, sodass Großbritannien im israelischen Unabhängigkeitskrieg indirekt auf jordanischer Seite kämpfte.

Haschemitisches Ringen um Bedeutung

In diesem Krieg eroberte Transjordanien das Westjordanland und ernannte es zu seinem Staatsgebiet. Aus „Transjordanien“ wurde „Jordanien“. Der Name blieb, als Jordanien den westlichen Teil samt Jerusalem im Sechs-Tage-Krieg an Israel verlor. Von der Zeit davor ist nur die jordanische Verwaltung der islamischen heiligen Stätten auf dem Tempelberg übrig.

Im ständigen Streit um dieses Areal verfolgen die Haschemiten ein eigenes, existenzielles Interesse: Die Verwaltung des „Haram al-Scharif“ („edles Heiligtum“), also des Tempelberges, ist alles, was vom einstigen Glanz der Haschemiten geblieben ist. Als Abkömmlinge der Prophetenfamilie und Herrscher von Mekka genossen sie einst hohes Ansehen und waren sogar von der Steuer befreit.

Erfolglos versuchten die Huthi-Rebellen im Jemen, dieses System wiedereinzuführen. Auch sie sehen sich als Angehörige der Haschemiten-Familie und stehen mit dem Königshaus Al-Saud auf Kriegsfuß.

Heute gilt der Stamm in Saudi-Arabien, dem Irak und anderen Orten früherer Herrschaft als nahezu ausgerottet. Nur noch das rote Dreieck in der Flagge Jordaniens erinnert an die haschemitische Dynastie. Ohne die jordanische Waqf-Behörde mit der Kon­trolle über den Tempelberg würde das haschemitische Geschlecht in Bedeutungslosigkeit versinken.

Palästinensische Flüchtlinge in Jordanien

Eine der größten Gefahren für das haschemitische Königshaus in Jordanien geht ausgerechnet von den Palästinensern aus, deren Rechte es zu verteidigen vorgibt. Rund die Hälfte der Einwohner Jordaniens sind Palästinenser. Die meisten von ihnen haben die jordanische Staatsbürgerschaft. Es handelt sich um Flüchtlinge aus Israel (1948 und 1967), Kuwait (1991) und Syrien (ab 2011).

Im Jordanischen Bürgerkrieg (1970–1971) vertrieb der damalige König Hussein die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) aus dem Land. Sie hatte angefangen, systematisch seine Macht zu unterhöhlen.

Das haschemitische Königshaus verfolgt eine prowestliche Politik, auch unter seinem derzeitigen König Abdullah II. Das mag der Hauptgrund sein, warum sich die Dynastie an der Macht halten konnte.

Beispiel für doppelten Standard

Die parallelen Entwicklungsgeschichten sind ein Beispiel für den doppelten Standard, der an Israel angelegt wird. Das 20. Jahrhundert war geprägt von zwei Weltkriegen und der Dekolonisation. Weit mehr als hundert Kolonien und abhängige Territorien erlangten in dieser Zeit ihre Unabhängigkeit. Israel, Jordanien und Saudi-Arabien sind nur drei davon.

Keiner dieser Staaten entstand ohne Streit, Intrigen, Flucht, Vertreibung und Tod. In manchen Fällen betraf das Millionen von Menschen, etwa bei der Gründung der Staaten Indien und Pakistan.

Niemand fordert ein „Rückkehrrecht“ für Millionen Haschemiten nach Saudi-­Arabien. Keiner fragt, wer in Jordanien lebte, bevor die Briten das Land den Haschemiten übergaben. Nur ein einziger Staat sieht sich aufgrund seiner Gründungsgeschichte bis heute internationalen Anfeindungen ausgesetzt: Israel.

Jordanisch-saudische Vereinigung in einer Hochzeit

Am 1. Juni 2023 heirateten der jordanische Kronprinz Hussein und Prinzessin Radschwa al-Saif in Amman. Die Tochter eines Bauunternehmers ist mit der saudischen Königsfamilie verwandt. Ihre Mutter entstammt derselben Familie wie die Mutter des derzeitigen saudischen Königs Salman Ibn Abd al-Asis al-Saud. Auch dessen verstorbene Ehefrau gehörte zu dieser Familie.

Die Herkunft all dieser Frauen aus der Familie Al-Sudairi ist durchaus von Bedeutung. Denn der amtierende König ist gemäß der Geburtsfolge nur der 32. Sohn seines Vaters. Dieser hatte mehr als 50 Kinder von 30 Frauen. Al-Saud verdankt seinen Thron der Tatsache, dass seine Mutter Hussa Bint Ahmed Bin Mohammed al-Sudairi eine „Lieblingsfrau“ seines Vaters war.

Beobachter sehen in der royalen Hochzeit eine mögliche Annäherung Jordaniens an Saudi-Arabien.

Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

3 Antworten

  1. Mögen sie glücklich werden und die Frau nicht die zig…zig… Frau werden mit der Zeit.
    OT: Saudi Arabien kann ich heute nicht hören, nachdem was gestern von “ Welt“ und „ARD“ berichtet wurde. Aberhunderte Flüchtlinge von Saudis ermordet an der Grenze. Abgeschlachtet! Auch Kinder/Frauen.
    Die BRD lieferte Waffen in Milliardenhöhe zu den Saudis. Wurden damit die Menschen ermordet?
    Auswärtiges Amt sagte dazu: Wir müssen erst prüfen. Was gibt es da zu prüfen? Die Bilder der Toten sagen alles aus. Und Überlebende sprachen im FS.
    ISRAEL traue NIE den Saudis bzw. Jordanien im kalten Friedensvertrag.
    Dazu hat das Hochzeitspaar bestimmt nichts zu sagen.

    12
  2. Es ist bitter, wie Saudi-Arabien mit den Menschenrechten umgeht. Ich hatte durch westlichen Einfluss auf Besserung gehofft, aber nun ist das Gegenteil eingetreten: Saudis können zu einer gefährlichen Macht werden, und China hat großen Einfluss. China’s Regierung hält nichts von Menschenrechten, früher war der Einfluss der USA stärker auf die Saudis, und das hat sich seit dem 20.01.2021 12 Uhr AM Washington D.C: geändert: Biden kümmert sich zu wenig um den Nahen Osten, und China schmiedet Pläne mit Saudis, Iran und ist eine große Gefahr für Israel und diese Welt.

    1

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen