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Die Hamas und Israel

Seit 2007 muss Israel mit der Hamas als dominierender Kraft im Gazastreifen umgehen. Zuletzt versuchte Jerusalem, sich Ruhe zu erkaufen. Netanjahus Rivalen führten diese Politik fort.
Von Israelnetz
Wirtschaftliches Entgegenkommen: Ein Palästinenser im Gazastreifen freut sich über Finanzhilfen aus Katar

Zu der Debatte rund um die Ursachen des Terrormassakers gehört auch der Verdacht, dass Israel die Terror-­Organisation Hamas als Gegengewicht zur „Palästina-­Befreiungsorganisation“ (PLO) gefördert, wenn nicht sogar gegründet, habe. Der Gedanke dabei: Solange die Palästinenser in innere Konflikte verstrickt sind, kämpfen sie nicht in der Intensität gegen Israel, wie sie es könnten, noch sind sie in der Lage, einen Staat zu gründen.

Wie so oft in der verwachsenen Lage in Nahost trifft manches zu  – und manches nicht. Es ist kein Geheimnis, dass Israel in den vergangenen Jahren der Hamas entgegengekommen ist: Im Jahr 2018 genehmigte Regierungschef Benjamin Netanjahu massive Geldflüsse von Katar in den Gazastreifen – anfangs monatlich 10 Millionen US-Dollar. Er erhöhte auch die Zahl der Genehmigungen für eine Arbeit in Israel. Auf diese Weise fließt mehr Geld in den Gazastreifen.

Umstrittene Einvernehmlichkeit

Da Netanjahu die Geschicke Israels fast in den gesamten vergangenen 15 Jahren bestimmt hat, ist er verantwortlich für diese Politik. Doch als Naftali Bennett und Jair Lapid im Sommer 2021 für anderthalb Jahre an der Macht waren, setzten sie diese Politik nicht nur fort, sondern bauten sie massiv aus: Sie erhöhten die Zahl der Arbeitsgenehmigungen im März 2022 von 11.000 auf 20.000. Die Gelder nach Katar wurden weiter gezahlt, mittlerweile sind es 30 Millionen US-Dollar pro Monat. Der damalige Verteidigungsminister Benny Gantz lobte in dieser Zeit Katars „positive Rolle“ in der Region.

Das Entgegenkommen hatte also auch Befürworter bei den Rivalen Netanjahus. Selbst Avigdor Lieberman trug diese Politik als Finanzminister in der Bennett-Lapid-Regierung mit. Noch 2018 war der Israel-Beiteinu-Chef als Verteidigungsminister unter Netanjahu zurückgetreten, weil er die Finanzzahlungen an die Hamas nicht billigte. Schon im Jahr 2016 hatte er in einem Geheim-­Memo an Netanjahu und den damaligen Armeechef Gadi Eisenkot einen Präventivschlag gegen die Hamas gefordert, weil diese sich aufrüste.

Wie der Mossad zu den Zahlungen stand, ist unklar. Die „New York Times“ berichtete zuletzt, dass sowohl der aktuelle Leiter des Auslandsgeheimdienstes, David Barnea, wie auch sein Vorgänger Jossi Cohen gegen die Zahlungen waren, weil niemand kontrollieren könne, was mit den Geldern geschehe. Anderen Medienberichten zufolge drängte der Mossad auf diese Zahlungen.

Palästinenser im Konflikt

Mit der Politik dieses Entgegenkommens war die Hoffnung verbunden, dass sich Israel Ruhe erkaufen könnte – dies wohl auch, um die damals schon laufenden Geheimgespräche zu den Abraham-­Abkommen nicht zu gefährden. Diese Politik weckte aber einen weiteren Vorwurf: Israel wolle die palästinensischen Gruppierungen gegeneinander ausspielen. Dazu wird eine Äußerung Netanjahus bei einer Sitzung der Likud-Fraktion 2019 angeführt: Wer einen palästinensischen Staat verhindern wolle, müsse die Gelder aus Katar für den Gazastreifen unterstützen, soll Netanjahu damals gesagt haben.

Es ist nicht undenkbar, dass Israel so eine Politik betreibt. Warum auch nicht? Noch gelten bei den Palästinensern – sowohl bei der Hamas als auch bei der PLO – Chartas, die die Vernichtung Israels vorsehen. Entgegen westlicher Träumereien gibt es bei den tonangebenden Palästinensern keinen Friedenswillen. Insofern könnte man es auch fahrlässig nennen, würde Israel nicht versuchen, die Gruppierungen gegeneinander auszuspielen.

Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

Doch boten die Palästinenser auch die Gelegenheit dazu: Im Rahmen der Oslo-Verträge hatte die von der PLO geprägte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) Waffen erhalten, um Terroristen wie die Hamas zu bekämpfen. Wie der frühere Premier Ehud Barak einmal in einem Interview beklagte, nutzte der damalige PLO-Chef Jasser Arafat diese Waffen nicht gegen die Hamas.

Auch auf diplomatischer Ebene sind es die Palästinenser, die ihren Konflikt nicht beseitigen können. In den vergangenen Jahren hatte es mehrere Einigungsversuche gegeben. Sie scheiterten allesamt, auch wenn es 2014 eine kurzlebige „Einheitsregierung“ gab. Im Sommer 2023 nannte PA-Präsident Mahmud Abbas diese Zerrüttung eine „zweite Nakba“ – eine bemerkenswerte Formulierung: Als „Nakba“ bezeichnen Palästinenser normalerweise die „Katastrophe“ der Staatsgründung Israels.

Zahme Anfänge

Eine haltlose Legende ist indes die Sicht, der Mossad habe die Hamas gegründet. Die Terror-Organisation ist ein Ableger der 1928 in Ägypten gegründeten fundamentalistischen Muslimbrüder. In Gaza waren diese ab 1946 aktiv. Beim Krieg von 1948/49 kämpften sie mit dem ägyptischen Militär gegen den neu gegründeten Staat Israel.

In den kommenden Jahrzehnten hielten sich die Muslimbrüder im Gazastreifen aber militärisch zurück – weil sie Repressionen des ägyptischen Regimes befürchteten. Auch nach der arabischen Niederlage im Sechs-Tage-Krieg 1967 beteiligten sie sich nicht am „Widerstand“ gegen Israel, da sie ihn für aussichtslos hielten. In dieser Zurückhaltung liegt wohl auch die Legende begründet, dass der Mossad hinter der Organisation stecke.

Erst Wohlfahrt, dann Terror

Stattdessen verankerten sich die Muslimbrüder weiter in der Bevölkerung. 1973 gründete Scheich Ahmad Jassin, der damals der faktische Leiter der Muslimbrüder war, ein „Islamisches Zentrum“ (Al-Mudschamma al-Islamia) als Wohlfahrtsorganisation. Das „Zentrum“ betrieb Kindergärten und Kliniken, organisierte auch Massenhochzeiten für Paare, die Kosten sparen wollten. Ziel war es, die Gesellschaft verstärkt zu islamisieren. 1979 erkannte Israel das „Zentrum“ offiziell an. Geld erhielt es durch Spenden aus den Golfstaaten.

Die Muslimbrüder

Die Muslimbruderschaft wurde 1928 vom Grundschullehrer Hasan al-Banna (1906–1949) in der ägyptischen Stadt Ismailia gegründet. Der Publizist Hamed Abdel-Samad sieht in ihr die „Mutter aller Terror-Organisationen“: Al-Bannas Ziel war eine rein islamische Gesellschaftsordnung, die mithilfe des Dschihad durchgesetzt wird, und die Errichtung des Kalifats. Im Militarismus der deutschen und italienischen Faschisten sah er ein Vorbild, das ihn zugleich an die Anfänge des Islam erinnerte. 1936 stellte er sein 50-Punkte-Programm vor, das unter anderem die Abschaffung des Parteiensystems vorsieht. Die Muslimbrüder erhielten vor allem in den 1940er Jahren Zulauf, wurden dann aber wegen Terror verboten und agierten im Untergrund. Im Jahr 2012 kamen die Muslimbrüder infolge des „Arabischen Frühlings“ in Ägypten ein Jahr lang an die Macht.

In dieser Zeit kam es auch zu einer stärkeren Politisierung und Militarisierung. Hauptgegner waren aber zunächst linksextreme Palästinensergruppen im Gazastreifen. 1984 verhaftete Israel Jassin, weil er zu diesem Zweck Waffen in einer Moschee hortete.

Zur Gründung der Hamas kam es erst im Kontext des Palästinenseraufstandes, der im Dezember 1987 begann. Im August 1988 veröffentlichte sie ihre israelfeindliche Charta, 1989 verbot Israel die Gruppierung.

Von sich reden machte die Hamas in den 1990er Jahren durch zahlreiche Terroranschläge. Grausige Bilder von explodierten Bussen inmitten von Tel Aviv und anderen Städten gingen um die Welt. Die Absicht der Hamas war es, den damals angelaufenen Oslo-Prozess zu torpedieren. 1991 hatte sie ihren „Militärflügel“ gegründet, die Isadin-al-Kassam-Brigaden.

Im Jahr 2006 gewann die Hamas die Parlamentswahlen und übernahm 2007 in einem blutigen Konflikt mit der Fatah-Partei von PA-Präsident Mahmud Abbas die Kontrolle über den Küstenstreifen. In den Jahren darauf kam es zu mehreren Militärrunden gegen Israel, die umfangreichste davon 2014 mit der Operation „Starker Fels“.

Im Mai 2017 veröffentlichte die Hamas eine neue Charta, in der sie Israel scheinbar akzeptierte – jedenfalls wollten das viele so lesen. Im Text ist das bei genauem Hinschauen nicht ersichtlich, zumal die alte Charta nie aufgelöst wurde. Dass die neue Charta höchstens als Blendwerk diente, zeigt auch ein Zitat von Hamas-­Führer Jahja Sinwar vom Dezember 2017: „Die Zeit, in der die Hamas die Anerkennung Israels diskutierte, ist vorbei. Jetzt diskutiert die Hamas, wie sie Israel auslöscht.“

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7 Antworten

  1. Wie ist es der Hamas in Gaza über Jahre hinweg gelungen dieses großflächige Tunnelsystem aufzubauen? Unter Krankenhäusern, Schulen, Wohnhäusern, ohne dass Israel davon etwas bemerkt hat? Dazu sind doch schwere Geräte und jede Menge Arbeiter und Technik erforderlich. Dass die Bevölkerung in Gaza dies mehr oder weniger unterstützt hat, liegt auf der Hand. Aber warum hat Israel dies zugelassen? Ich verstehe es nicht.

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    1. @Monika W.
      Israel, ein demokratisches Land, wollte testen und abwarten wie sich die Palästinenser, wenn sie völlige Autonomie genießen oder ein Staat sind, verhalten werden: Land für Frieden. Jetzt wissen wir, dass es ein Fehler war und Israel, als einziges Land auf dieser Welt, darf keine Fehler machen.

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    2. Dass es Tunnel gibt wussten sie schon. Sie haben oft genug welche zerstört. Aber die Hamas war eine gute Wühlmaus. Abzweigungen, dort einen Ausgang, hier einen Ausgang. Ausstattung mit allem was man braucht. Was hätte Israel tun sollen? Bei einem der früheren Kriege sie bereits zerstören, aber das hat die Staatengemeinschaft immer verhindert. Der Krieg musste immer beendet werden, bevor man das Problem beendet hatte.

      Und wenn ich mir die Hauptquartiere ansehe, die unter den Krankenhäusern waren, wie kann ich abschätzen, was sind normale Arbeiten in dem Krankenhaus und was nicht? Aber die Klinikleitungen hätten es gekonnt. Und taten es nicht. Die Hamas hat ein Machtgefüge aufgebaut, das sie geschützt hat.
      Und nachdem es UNRWA Beschäftigte gab, die eine Doppelidentität hatten und mit Sicherheit an den Schaltstellen eingesetzt waren, die ein Aufdecken verhinderten, gab es auch da keine Chance.

      Ich hoffe, Israel kann diesen Krieg diesmal zu Ende bringen und dann die Tunnel fluten.

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  2. Israel waren ja in gewisser weise die Hände gebunden, und ob sie von den Tunneln wussten oder nicht, wird man nie genau erfahren. Eine militärische Intervention so wie jetzt, währe auch aufgrund internationalen Druck`s auf Israel, nur weil die da was bauen(jeder kann in seinem Gebiet ja bauen was er will) gar nicht, oder nicht so gründlich wie jetzt möglich gewesen. Netanjahus politische Tricksereien waren ja oft auch erfolgreich, nur hier ging der Schuss nach hinten los. Bei Geschäften mit dem Teufel zieht man immer den kürzeren. Nur; die Lage ist jetzt wie sei ist und Israel MUSS da durch,trotz der Brügel die ihnen von Ihren WOHLMEINENDEN Freunden in den Weg gelegt werden,koste es was es wolle, es geht ja ums eigene ÜBERLEBEN. das darf man nie aus dem Blick verlieren.

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  3. Religiosität darf eben nicht einem lebendigen Glauben an den einen wahren und lebendigen Gott Israels verwechselt werden. ER ist auch in all seiner Gerechtigkeit und Macht liebend und barmherzig. Wer aber nur religiös ist und keine persönliche Beziehung mit dem Ewigen Israels sucht, der braucht ein trügerisches Bild von Gott. Das geschieht bei den Moslembrüdern. Sie suchen einen grausamen Weg, auf dem sie einem trügerischen Bild von Gott (also einem Götzen) zu gefallen suchen. Das Ergebnis ist Hamas = Böses durch und durch. Damit hat Israel zu kämpfen und damit haben mehr oder weniger auch alle Jünger von Jeshua zu kämpfen. Nur wenn das klar ist, wird Sieg über die Hamas möglich sein. Und weil das offensichtlich ist, gehören wir als Jünger von Jeshua untrennbar an die Seite Israels. Dazu segne uns der Ewige Israels!

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  4. „Ein deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch seine Weine trinkt er gern.“ Das ist von Goethe. Ebenso verhält es sich mit den Mohammedanern. Sie verachten Juden und Christen, aber deren „unreines Geld“ nehmen sie gern.

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