JERUSALEM (inn) – Das für die Zeremonie zuständige Verkehrsministerium hat die zentrale Eröffnungsveranstaltung des 77. Unabhängigkeitstages wegen starker Winde abgesagt. Später kamen auch Brände in Zentralisrael hinzu. Die Feier sollte um 20 Uhr Ortszeit auf dem Jerusalemer Herzlberg beginnen.
Im Zentrum steht bei der Eröffnung des Jom HaAtzma’ut das Entzünden von zwölf Fackeln, die für die biblischen Stämme Israels stehen. Dafür wählt das Ministerium Menschen aus, die sich in besonderer Weise um das Wohl des Staates verdient gemacht haben. Teilweise entzünden mehrere von ihnen gemeinsam eine Fackel. Das diesjährige Motto sollte lauten: „Gescharim schel Tikva“ (Brücken der Hoffnung). Die Kandidaten, die nun nicht auf die Bühne treten, haben passende Geschichten.
Basketball, Judoka und Goalball
Omri Casspi war der erste israelische Basketballer in der renommierten nordamerikanischen Liga NBA. Er spielte dort mehr als zehn Jahre als Profi und nutzte nach Aussage der Jury seine Kontakte, um auf der internationalen Bühne über Israel aufzuklären. Seit dem Terrormassaker der Hamas am 7. Oktober 2023 habe er „eine ganze Generation inspiriert“. Der Sportler habe bewiesen, „dass man mit einer Kombination von Begabung, Glaube und Ambition auch Gipfel erklimmen kann, die einst unwirklich schienen“.
Ebenfalls in der NBA hat sich Dani Avadja einen Namen gemacht. Im Jahr 2020 wurde er als neuntbester Spieler benannt – die höchste Wertung, die ein Israeli in der besten Basketball-Liga der Welt je erhielt. Die für die Zeremonie zuständige Verkehrsministerin Miri Regev (Likud) sagte, er habe sich auf dem Höhepunkt der Karriere mit gefallenen Soldaten und Familien der Geiseln solidarisiert. Avadja sei „ein Beispiel dafür, dass man nach dem Höchsten streben kann – ohne die Wurzeln, die Werte und die nationale Verantwortung zu verlieren“.
Als Judoka gewann Oren Smadscha die zweite olympische Medaille für Israel in der Geschichte. Mittlerweile trainiert der Bronzemedaillengewinner von 1992 die israelische Nationalmannschaft. Sein Sohn Omer ist im aktuellen Krieg in Gaza gefallen. Doch aus der Trauer heraus habe er neue Kräfte entwickelt – und die Judomannschaft zu „nie dagewesenen Erfolgen bei den Olympischen Spielen in Paris“ geführt. Dort gab es zweimal Silber und einmal Bronze.
Gal Chamrani kam mit einer schweren Sehstörung auf die Welt. Mit 25 Jahren verlor sie ihr Augenlicht. Dennoch feiert sie sportliche Erfolge. Als 13-Jährige begann sie vor zehn Jahren, Goalball zu trainieren – eine Parasportart für Blinde und Sehbehinderte. Zwei Jahre später nahm sie erstmals für Israel an einer Europameisterschaft teil. Sie gewann WM-Medaillen und war dreimal bei Paralympischen Spielen. Nach dem Gewinn der Silbermedaille 2024 in Paris trug sie die israelische Flagge auf das Podium.
Überlebende des Massakers und ehemalige Geiseln
Beim Nova-Festival im südisraelischen Kibbuz Re’im legte DJ Jarin Ilovitz (Artifex) den letzten Track auf, bevor er wegen der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen die Musik abstellte. Zu seiner Nominierung hieß es, er habe nach dem Terrorangriff die Musik des „Nova-Stammes“ weitergeben, der viele Mitglieder verloren habe.
Emily Damari wurde am 7. Oktober aus ihrem Haus in Kfar Asa entführt. Dabei schossen Terroristen aus kurzer Entfernung auf die junge Frau. Sie verlor zwei Finger an der linken Hand und wurde am Fuß verletzt. Nach 471 Tagen wurde sie am 19. Januar freigelassen. Auf der Propagandabühne der Hamas bildete sie mit der versehrten Hand das V-Siegeszeichen. Regev sagte: „Emily ist eine außergewöhnliche israelische Heldin, die in unser aller Herzen eingezogen und zu einem Symbol für Inspiration und Sieg geworden ist.“
Der 53-jährige Eli Scharabi wurde am 7. Oktober aus seinem Haus im Kibbuz Be’eri verschleppt, seine Frau und die beiden Töchter wurden ermordet. Am 8. Februar kam er nach 491 Tagen wieder frei. Seitdem spricht er mit israelischen und internationalen Verantwortungsträgern und setzt sich für die Rückführung der verbleibenden 59 Geiseln ein.
Durch Kekse wurde Rachel Edri in Israel bekannt. Die 66-Jährige wurde am 7. Oktober fast einen Tag lang mit ihrem Ehemann David in ihrem Haus in Ofakim als Geisel gehalten. Sie erwarb das Vertrauen der Terroristen, servierte ihnen Essen und buk Kekse – bis sie gerettet wurden. David Edri starb ein paar Monate später am „Gebrochenes-Herz-Syndrom“. Regev betonte, das ganze Volk blicke mit Verehrung auf Rachel. „Ich bin sicher, dass kein Auge trocken bleiben wird, wenn sie am Jom HaAtzma’ut auf dem Herzlberg eine Fackel entzündet“, sagte sie vor der Absage.
Einsatz für Armee und Geheimdienst
Inbar Ben-Simon ist die Ehefrau des Reservisten Ras Ben-Simon. Er wurde im Juni bei Kämpfen im Nezarim-Korridor im Gazastreifen verwundet. Kurz danach kehrte er zu seiner Einheit zurück. Die Nominierung wertete Regev als Ausdruck des Dankes, „den eine ganze Nation den Frauen der Reservisten entgegenbringt, die schon über anderthalb Jahre für die Routine in der Familie und zu Hause sorgen, während sich die Reservisten an der Front befinden“.
Fais Fares und Hagit Alon Elharrar werden für ihren Einsatz in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften geehrt. Der Druse Fares aus dem nordisraelischen Hurfeisch rettete am 7. Oktober unter Beschuss Zivilisten im Kibbuz Re’im. Auch während des Krieges trug er zu Erfolgen der Armee ein.
Elharrar ist Mutter von drei Kindern und stammt aus Kiriat Schmona nahe der libanesischen Grenze. Die Offizierin der Reserve kämpfte ab dem 7. Oktober gegen die Terroristen. Ein Jahr nach Kriegsbeginn fiel ihr Sohn Amitai. Trotz des Verlustes und der Evakuierung ihrer Familie setzte sie ihren Dienst fort. Laut Regev baut sie „menschliche Brücken der Hoffnung und Inspiration“.
Drei Fackelanzünder werden nicht namentlich genannt. Denn sie arbeiten für den Auslandsgeheimdienst Mossad. Die 49 Jahre alte R. hat die Pager-Operation kommandiert, bei der im September zahlreiche Hisbollah-Terroristen im Libanon und in Syrien verletzt wurden. D. wiederum ist leitender Technologe beim Mossad. Er bewältigte die technischen Herausforderungen bei der Aktion – und sorgte dafür, dass der Plan lange geheimgehalten wurde. G. hat zahlreiche Operationen gegen die Hisbollah geleitet, von der Idee über die Entwicklung bis zur Ausführung.
Aufklärung für Israel
Der politische Kommentator in den USA Ben Shapiro hat Millionen von Followern in sozialen Netzwerken. Die Jury würdigt ihn als einen der größten Unterstützer des jüdischen Staates. Seine Bekanntheit nutze der amerikanische Jude, um in seinen Sendungen die israelische Stimme in alle Welt zu bringen.
Als jüngster Fackelanzünder in der Geschichte Israels wurde Ben Carasso gewählt. Der Zehnjährige reist mit seiner Mutter herum und hält auf Englisch Vorträge in aller Welt. Er erzählt, wie er als israelisches Kind den Krieg erlebt. Außerdem produziert er englische Erklärvideos.
Die britische Jüdin Natasha Hausdorf ist Expertin für internationales Recht. Die Anwältin kämpft an der Aufklärungsfront in der Welt für Israel. Sie vertrete Israel erfolgreich gegenüber denjenigen, die versuchten, dem jüdischen Staat das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen, schreibt die Jury.
Führend in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) ist Eli David. Der Israeli befasst sich seit zwei Jahrzehnten mit dem Thema. Er war an der Gründung mehrerer Hightech-Unternehmen beteiligt.
Aus Ägypten stammt die Israelin Livna Samir. Die Historikerin wurde 1938 in Kairo geboren. Sie hat einen Verband für israelisch-ägyptische Freundschaft gegründet. In arabischen und islamischen Ländern informiert sie über das Judentum.
Die 84-jährige Chicki Elghanian kam im Iran zur Welt und verbrachte die längste Zeit ihres Lebens in den USA. Unlängst wanderte sie nach Israel ein. Nach Ausbruch des Krieges verwandelte sie ihre Wohnung in Herzlia in ein Kochstudio für Soldaten. Auf eigene Kosten besorgte sie Unmengen von Lebensmitteln und bereitete mit vielen freiwilligen Helfern warme Mahlzeiten.
Initiativ nach dem 7. Oktober
Der Israeli Schai Graucher hat die Wohltätigkeitsorganisation „Bejachad Nenazeach“. Der hebräische Name bedeutet „Gemeinsam werden wir siegen“. Die Organisation kümmert sich um zahlreiche Menschen, denen der Krieg körperliche und seelische Narben zugefügt hat. Sie bietet Erholung für trauernde Familien und versucht, Kindern, die ihre Eltern verloren haben, eine Geburtstagsfreude zu bereiten.
Die 90-jährige Blanka Gut gründete nach dem 7. Oktober mit ihren Kindern eine private Initiative: Sie erwarben alle grüne Wolle, derer sie habhaft werden konnten. Daraus strickten sie warme Kleidung für Soldaten.
Die Designerin Orli Robinson rief nach Ausbruch des Krieges mit ihren Kindern die Initiative „Chasit HaBeit“ (Hausfront) ins Leben. Sie hilft Evakuierten, ihre vorläufigen Wohnungen mit gespendeten Möbeln einzurichten. Das Projekt wurde mittlerweile auf Angehörige von Geiseln, trauernde Familien und verwundete Soldaten ausgeweitet. Mehr als 100 Ehrenamtlich engagieren sich dafür.
Riki Sisson hat zehn Kinder und lebt in der ultra-orthodox geprägten Kleinstadt Bnei Brak bei Tel Aviv. Sie leitet mehrere Projekte und engagiert sich ehrenamtlich auf dem Geiselplatz. Dort bietet sie den Menschen Gespräch und Gebet an. Sie organisiert Veranstaltungen zur Unterstützung von Angehörigen der Geiseln. „Mit ihrem Glauben, ihrer Persönlichkeit und ihren Taten hat sie es geschafft, viele Haredim zu Tora-Lehrgesprächen auf den Geiselplatz zu holen“, sagte Regev.
Die Psychologin Jenny Sividia besuchte mit ihrem Bruder Schlomi und dessen Partnerin Lilia Gurvitsch das Nova-Festival. Ihre beiden Begleiter wurden ermordet. Sie selbst half unter Beschuss, Verwundete zu retten. Nach dem Massaker gründete sie eine Initiative, die trauernde Familien unterstützt. Zudem bemüht sie sich um Aufklärung: Videos sollen die Wahrheit der Gräuel vom 7. Oktober vermitteln.
Für äthiopische Frauen setzt sich Rahli Tadesse Melkaye ein. Sie ist Leiterin und Gründerin der Organisation „Naschim Ethiopiot Ma’azimot“ (Stärkung äthiopischer Frauen), die laut Homepage 17.550 Mitglieder hat. Frauen mit äthiopischen Wurzeln sollen die Kraft erhalten, ihre Träume zu verwirklichen.
Musikalische Projekte
Der Musiker Micha Schitrit gründete in den 1980er Jahren mit Arkadi Dochin die Rockband „Die Freunde von Natasch“. Sie initiierte das Projekt „Avoda Ivrit“ (hebräische Arbeit). Dabei schrieben viele Israelis Cover-Versionen zu bekannten Liedern.
Eine neue Richtung in der orientalischen Musik schlug in den 90er Jahren Sahava Ben ein. Sie integriert vielfältige Elemente aus Ost und West, aus Tradition und Moderne. Dabei greift sie auch auf Pijutim zurück – religiöse Gedichte, die in der Liturgie der Synagoge vorkommen.
Im Jahr 1998 gewann Dana International mit dem Lied „Diva“ für Israel den Eurovision Song Contest – und wurde zur Kulturikone, schreibt die Jury. Die transsexuelle Sängerin sei ein Symbol für Akzeptanz und Gleichheit.
Der Philanthrop Chaim Taib ist Gründer der Menomadin-Gruppe. Er hat einen israelischen Kongress zur Förderung von Einheit ins Leben gerufen. Er stellt drusischen Reservisten Stipendien zur Verfügung. Ferner unterstützt er Projekte im Grenzgebiet zum Gazastreifen und im westlichen Negev.
Suche nach Vermissten und Inklusion
Am „schwarzen Schabbat“ befehligte Rav Schmuel Slotki eine Einheit, die nach Vermissten suchte. Auch zwei Söhne des Rabbiners, Jischai und Noam, fuhren in den Süden. Bei der Verteidigung der Ortschaften im Negev fielen beide, was erst ein paar Tage später bekannt wurde. Ihr Vater setzte die Suche und Identifizierung nach Erhalt der traurigen Nachricht fort.
Um Inklusion von Soldaten mit besonderen Bedürfnissen bemüht sich Izik Akrisch. Er war 17 Jahre in verantwortlicher Position bei der Armee. Nun verantwortet er die Programme „Schawim BeMadim“ (Gleich in Uniform) und „Gdolim BeMadim“ (Groß in Uniform). Soldaten sähen in ihm eine Vaterfigur, heißt es aus der Jury.
Elischa Madan ist Reservist und Mitgründer der Siedlung Avigail bei Hebron. Bei einer Explosion neben einer Moschee im nördlichen Gazastreifen wurde er schwer verwundet und verlor beide Beine. Vier Kameraden fielen bei dem Vorfall. Madan wird nicht müde, die Israelis zur Einheit aufzurufen.
Der 68-jährige Machluf Ochana ist verantwortlich für den Friedhof im nordisraelischen Kiriat Schmona. Im Krieg wurde seine Arbeit aufgrund der Hisbollah-Angriffe komplizierter. Doch er habe Mut und Selbständigkeit demonstriert, indem er sein Leben riskierte für Beerdigungen, heißt es in der Begründung der Jury.
Am 31. Oktober 2023 wurde der Militärsanitäter Schai Arvas in Dschabalia durch eine Panzerabwehrrakete getötet. Er wurde in Holon beigesetzt. Sein Vater Rafael Arvas kümmert sich um den dortigen Friedhof. Er putzt und pflegt die Grabsteine. (eh)