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Proteste und politische Kampfansagen nach Verabschiedung des Angemessenheits-Gesetzes

Die Verabschiedung des Angemessenheits-Gesetzes sorgt für weitere Proteste in Israel. Erste Petitionen erreichen des Oberste Gericht.
Von Israelnetz
In Jerusalem kamen am Montagnachmittag viele Menschen zum Protest gegen die Justizreform zusammen

JERUSALEM (inn) – Nach der Verabschiedung des Angemessenheits-Gesetzes am Montag hat sich die ohnehin angespannte Lage noch einmal zugespitzt. Zahlreiche Menschen demonstrierten am Abend und in der Nacht zum Dienstag auf den Straßen, besonders in Jerusalem und Tel Aviv.

Die Polizei hatte Mühe, für Ordnung zu sorgen. Sie setzte Reiterstaffeln und Wasserwerfer ein. Erst gegen ein Uhr nachts war die Ajalon-Schnellstraße wieder befahrbar, nachdem Demonstranten sie blockiert hatten. In Tel Aviv kam es zu 15 Festnahmen, vier Beamte wurden laut Polizeiangaben verletzt. Umgekehrt beklagten sich einige Protestler, dass die Polizei übermäßige Gewalt angewandt habe.

Kritische Situationen

Unter den Demonstranten kam es auch zu Verletzten, als sich ein Auto den Weg durch die Menschenmenge bahnte. Bereits zuvor hatten Anti-Reform-Demonstranten ein Auto angegriffen, in dem eine Frau mit drei Kindern saß; diese waren infolge des Vorfalls sichtlich erschrocken. Die Mutter hatte den Demonstranten, die ihren Fahrweg blockierten, zuvor zugerufen, ihr Verhalten komme einer Diktatur gleich. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu (Likud) schrieb dazu auf dem Kurznachrichtendienst Twitter/X: „Das ist nicht der Weg.“

Auch andernorts kam es zu kritischen Vorfällen: Ein Wachmann des Kibbutz Chazerim im Negev soll Warnschüsse in die Luft gefeuert haben, als Demonstranten des Reformlagers die Einfahrt zur Ortschaft blockierten. Die Polizei nahm schließlich sieben Verdächtige fest, darunter auch den Wachmann.

Israelische Politiker verbreiteten am Abend die Botschaft, dass der Einsatz von Gewalt kein Mittel der Wahl sein dürfe. Benny Gantz von der Partei Staatslager schrieb auf Twitter/X: „Ich rufe alle Seiten, alle Bürger Israels auf: Wir alle sind Brüder, es darf nicht zu Gewalt kommen.“ Finanzminister Bezalel Smotritsch (Religiöser Zionismus) teilte die Ansage auf seinem Konto.

Netanjahu: Verabschiedung war nötig

Am Abend wandte Netanjahu in einer Fernsehansprache an das Land. Darin betonte er, die Verabschiedung des Gesetzes sei nötig gewesen, damit die gewählte Regierung ihren Aufgaben nachkommen könne. Bis zuletzt habe es Kompromissangebote gegeben, die die Opposition aber abgelehnt habe.

Netanjahu sagte weiter, er sei weiter offen für einen Dialog bei den anderen Reformpaketen, um eine „umfassende Vereinbarung in allen Dingen“ zu erzielen. Die Knesset verabschiedet sich Ende der Woche in die Sommerpause und kommt im Herbst wieder zusammen. Zu den weiteren Reformvorhaben gehört unter anderem eine Änderung im Verfahren zur Ernennung der Richter. Dieses Gesetz stand Ende März kurz vor der Verabschiedung. Die Regierung stoppte den Prozess aber angesichts heftiger Proteste.

Staatslager-Chef Gantz reagierte auf die Rede mit der Ansage, das Gesetz wieder rückgängig zu machen. Dies werde „früher oder später“ geschehen. Gantz erhob den Vorwurf, dass eine Minderheit extremistischer Politiker den Ton in der Regierung angebe. Namentlich nannte er Polizeiminister Itamar Ben-Gvir (Jüdische Stärke) und Justizminister Jariv Levin (Likud).

Petitionen eingereicht

Unterdessen haben die Richter des Obersten Gerichts angesichts der Entwicklung in Israel ihren Deutschland-Besuch abgebrochen. Die Delegation unter Leitung von Gerichtspräsidentin Esther Hajut war erst am Sonntag nach Deutschland aufgebrochen. In Karlsruhe war eine Veranstaltung mit Hajut und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, geplant. Zur Bearbeitung von Petitionen gegen das Angemessenheits-Gesetz kehrt die Delegation jedoch vorzeitig nach Israel zurück.

Eine Petition gegen das Gesetz hatte bereits am Montag Oppositionsführer Jair (Jesch Atid) angekündigt. Schon wenige Stunden nach der Verabschiedung des Gesetzes gingen Petitionen verschiedener Organisationen, darunter der Bewegung für Regierungsqualität, beim Obersten Gerichtshof ein. Am Dienstag reichte auch die israelische Anwaltskammer eine Petition ein.

Als Reaktion auf das Gesetz ging die Ärzteorganisation Israelische Medizinische Gesellschaft (IMA) in einen Streik. Krankenhäuser im ganzen Land waren am Dienstag im „Schabbat-Modus“, also in einem reduzierten Betrieb. Der Präsident der IMA, Zion Hagai, kritisierte das Gesetz als „einseitig“.

Bedenken im Ausland

Inzwischen hat sich auch das Weiße Haus zu dem Gesetz geäußert. In einer Mitteilung vom Montag hieß es, größere Veränderungen in einer Demokratie müssten von einem möglichst breiten Konsens getragen werden, um nachhaltig zu sein. Präsident Joe Biden (Demokraten) nannte es „bedauerlich“, dass dies nicht geschehen sei. Die USA würden den israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog und andere Politiker jedoch bei weiteren Vermittlungsbemühungen unterstützen.

Bedenken erreichten Israel auch aus Großbritannien. Ein Sprecher der Regierung von Rishi Sunak (Konservative) sagte, dies sei zwar eine interne Angelegenheit. Doch müsse die israelische Regierung für Zusammenhalt sorgen und die Gewaltenteilung sicherstellen. Auch die deutsche Regierung äußerte sich besorgt.

Nasrallah: Israel vor Zusammenbruch

Der Chef der libanesischen Terrormiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, sieht Israel unterdessen auf dem Pfad des Zusammenbruchs und des Verschwindens. Der Tag der Gesetzesverabschiedung sei der „schwärzeste Tag in der Geschichte dieses Gebildes“, sagte er in einer Fernsehsprache aus Anlass des schiitischen Gedenktages Aschura. Israel habe einst als unschlagbar gegolten, doch nun habe sich das Selbstvertrauen in eine Krise verwandelt.

Nicht minder drastisch äußerte sich der frühere Regierungschef Ehud Olmert. Er sieht Israel vor einem „Bürgerkrieg“, wie er dem britischen Fernsehsender „Channel 4“ sagte. Auf Nachfrage des Moderators sprach Olmert dann von „zivilem Ungehorsam mit allen möglichen Folgen für die Stabilität des Staates“. (df)

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6 Antworten

  1. Jetzt mal eine Frage, was passiert, wenn der Oberste Gerichtshof dieses Gesetz für nichtig erklärt?
    Kann er das auch durchsetzen, oder richten sich die Richter einfach nicht nach dem Gesetz ? Was macht dann die Regierung als nächstes? Oder hat Nethanjahu sowas einkalkuliert und er kann dann eine allgemein akzeptierte Variante befürworten und sich gegenüber seinen extremistischen Partnern als armes Opfer des
    OGH präsentieren der ja gerne wollte aber leider nicht darf.

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  2. FÜR DIE FEINDE ISRAELS ALLEMAL EIN GEFUNDENES FRESSEN………und sicher auch nicht förderlich
    für den Fremdenverkehr

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  3. Warum nur berichtet kein einziges Medium, WARUM sich Israel so entwickelt hat, auch israelnetz nicht!?
    Alleiniger Grund sit der seit Jahrzehnten anhaltende und nun wirkende Kinderrreichtum der Orthodoxen.

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  4. Ich hoffe sehr, dass das Oberste Gericht nun tätig wird. Das Gericht kann die eigene Entmachtung versuchen zu verhindern. Es muss tätig werden, denn die Bevölkerung braucht nun einen Weg in die Zukunft. Es darf nicht wieder die Zeit von König Jerobeam und König Rehabeam geben. Israel muss zusammenstehen, die Ulra-Orthodoxen müssen zum Militär geschickt werden, und Biden muss auch handeln, bevor es zu spät ist. Netanjahu hat den Ernst der Lage NICHT erkannt, es geht um die Existenz Israels und um einen Sieg gegen das Mullah-Regime. Gott wird Israel neue Kraft geben.

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  5. Dieser „Sieg“ wird NIEMALS kommen. Vielleicht aber eine Niederlage, die ICH
    jedenfalls nicht bedauern würde

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    1. Wundert ja nicht. Denn schließlich bezeichneten Sie auch eine mögliche 3. Intifada mit tausenden Toten auf beiden Seiten als „good news“

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