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Proteste vor geplanter Verabschiedung des Angemessenheits-Gesetzes

Kurz vor der Sommerpause der Knesset steht das Angemessenheits-Gesetz vor der Verabschiedung. Die Gegner der Justizreform reagieren mit Protesten.
Von Israelnetz
Wiederholt fanden sich viele Israelis zu Protesten gegen die Justizreform in Tel Aviv ein

TEL AVIV (inn) – Zehntausende Demonstranten haben in Tel Aviv und anderen Städten wieder gegen die laufende Justizreform protestiert. Am Donnerstagabend nahm die Polizei 15 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung fest. Außerdem setzte sie Wasserwerfer ein.

Im Verlauf des Abends blockierten die Demonstranten mehrmals die Ajalon-Schnellstraße. An mehreren Stellen entzündeten sie Feuer. In Richtung Norden wurde der Verkehrsweg erst nach Mitternacht frei, berichtet die Nachrichtenseite „Times of Israel“. Zu Demonstrationen kam es auch vor Polizeiwachen. Die Protestler forderten die Freilassung ihrer Mitstreiter.

Verabschiedung vor Sommerpause geplant

Die aktuellen Demonstrationen entzünden sich am geplanten Angemessenheits-Gesetz. Demnach dürfen Richter ihren Urteilen nicht mehr das Kriterium der „Angemessenheit“ zugrunde legen, etwa wenn es um Ernennungen von Ministern geht. Befürworter sehen das Kriterium kritisch, weil es zu vage sei und zu Willkür führe. Gegner beanstanden die Einschränkung der richterlichen Autorität.

Die Knesset genehmigte das Gesetzesvorhaben am 11. Juli in erster Lesung. Am Mittwoch ging es durch den zuständigen Verfassungsausschuss. Anfang nächster Woche stehen die zweite und dritte, endgültige Lesung an. Am Sonntag darauf verabschieden sich die Abgeordneten in die Sommerpause.

Netanjahu kritisiert Dienst-Verweigerung

Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) warb am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache für das Vorhaben. Es gehe darum, eine Balance zwischen den Staatsgewalten herzustellen. Viele Kritiker des Gesetzes hätten legitime Bedenken, einige wollten aber schlicht die Regierung stürzen.

Indes sei nicht das geplante Gesetz eine Gefahr für die Demokratie, sondern die Verweigerung der Dienstpflicht in der Armee. In dieser Woche bekundeten einige Reservisten erneut ihre Absicht, aus Protest gegen die Reform nicht zum Dienst zu erscheinen. Netanjahu sagte: „Wenn Elemente im Militär versuchen, durch Drohungen der Regierung die Politik zu diktieren, ist das in jeder Demokratie illegitim. Wenn sie damit erfolgreich sind, ist dies das Ende der Demokratie.“

Lapid fordert Rückkehr zu Gesprächen

Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) forderte in einer Reaktion auf die Ansprache den Premierminister auf, die Gesetzgebung zu stoppen. Netanjahu solle wieder zu den Verhandlungen unter Leitung von Staatspräsident Jitzchak Herzog zurückkehren, um einen breiten Konsens zu erzielen.

Seit Ende Mai hatte es keine direkten Verhandlungen zwischen Reformbefürwortern und -kritikern in der Präsidentenresidenz gegeben. Die Aussetzung erfolgte zunächst auf Wunsch beider Seiten wegen zahlreicher Gesetzesprozesse in der Knesset. Am 9. Juli rief Herzog erfolglos zu einer Wiederaufnahme direkter Gespräche auf.

Der Chef der Oppositionspartei Staatslager, Benny Gantz, warf Netanjahu einmal mehr vor, das Land zu spalten. Israel befinde sich „am Rande eines Bürgerkrieges“. Auch er rief Netanjahu auf, nach einem breiten Konsens zu suchen.

Knesset im Visier

Unterdessen setzen zahlreiche Gegner der Justizreform ihren Protestmarsch nach Jerusalem fort. Er begann am Dienstag in Tel Aviv, das Ziel ist die Knesset. Laut Veranstalter nehmen rund 10.000 Menschen daran teil. Diese gehen die rund 65 Kilometer stückweise immer morgens und abends, wenn die Temperaturen erträglicher sind. Nachts schlafen sie in Zelten.

Das Angemessenheits-Gesetz birgt entgegen der Stimmungslage im Land noch das größte Einigungspotential. Darauf hatte Staatspräsident Herzog bei seinem Aufruf hingewiesen, zu den Verhandlungen zurückzukehren. Netanjahu sagte in seiner Rede, die Regierung habe andere umstrittene Aspekte vorerst gestoppt, etwa die Frage der Gesetzeskontrolle. Das Angemessenheits-Gesetz sei jedoch „notwendig“. (df)

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10 Antworten

  1. Netanahu wirft Nebelkerzen!
    In allen Rechtsstaaten bzw. liberalen Demokratien haben die Verfassungsgerichte seit den 1990er Jahren ihren Entscheidungsbereich ausgeweitet. Primär ging es um den Schutz von Individualrechten, vor allem gegenüber dem Staat.
    Sogar der traditionell etatistisch fixierte französische Staat konnte sich diesem Trend nicht entziehen. Heute möchte niemand mehr auf diesen Machtzuwachs des „Conseil constitutionel“ verzichten.
    Netanjahu möchte sich nur selbst exculpieren, da ihn die israelische Staatsanwaltschaft von Verbrechen wie Bestechung, Selbstbereicherung, Nepotismus, Korruption überführt sieht. Q.e.d.!

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  2. Shalom, ausnahmsweise heute kein Kommentar von mir.Ich wünsche aber allen ISRAELfreunden und der Redaktion von ISRAELNETZ einen frohen und gesegneten Shabbat Shalom. Jerusalem

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  3. Blockaden von Verkehrswegen richten sich nicht gegen die Regierung, sondern vielmehr gegen die andersdenkende Mehrheit im Volk. Blockaden von Straßen und das Legen von Feuer sind alles Andere als friedlich. Wer Gehör finden und positive Veränderung bewirken will, sollte sich nicht selbst durch sein Verhalten Hindernisse aufbauen. Es gibt bessere Protestmethoden, beispielsweise Gebete und friedliche Demonstartionen mit Kerzen. Damit wurde 1989 sogar ein totalitärer Staat, die DDR, zu Fall gebracht.

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    1. Sicher richtig, was die ehemalige DDR betrifft. Vergleiche, nein! Schließlich war in Moskau ein friedliches Einlenken pro DDR. Honecker konnte mit den Milliarden verschwinden, statt angeklagt zu werden.
      Die Wiedervereinigung zahlten wir im Westen. Und mal ehrlich, es ist nichts in Ordnung. Die rechte AfD
      hat Zulauf, weil Menschen sich von westlichen Politikern im Stich gelassen fühlen.
      Alles nicht “ gesund“ für eine Demonkratie.
      Momentan geht es in Israel um eine Gesetzesänderung und nicht um den Fall der Mauer zum Westen.
      OT: Ich bin ein absoluter Gegner der “ Letzten Generation“. Was die anrichten auf unseren Straßen, eine
      Schande. Behindern Berufstätige, Krankenwagen, Feuerwehr usw. Damit ändern sie das Bewusstsein bei
      Menschen pro Klima ganz sicher nicht.Die Demonstranten in IL hoffen auf ein Einlenken der Regierung.
      Diese Blockaden sind Verzweiflungstaten. Netanjahu und Koalitionen spalten das Volk, was in IL eine
      große Gefahr bedeutet. Sie wissen schon, wie Reservisten sich äußerten? Man stelle sich vor, Polizei und Soldaten legen die Waffen wegen diesem Konflikt nieder bzw. wären geschwächt. Wie viel Bomben hat der Iran hinter dem Golan stationiert? Es heißt 200 000.

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      1. @Am Israel chai: Was du zum traurigen Zustand der deutschen Demokratie sagst, stimmt. Eine der wesentlichsten Ursachen für diesen traurigen Zustand ist aber, dass immer mehr Deutsche den Sinn der Päambel unseres Grundgesetzes nicht beherzigen oder verstehen oder rundum ablehnen, und dass dies auch auf wesentliche Teile der im Bundestag vertretenen Menschen über Parteigrenzen hinweg zutrifft. Insofern ist der Vergleich sehr berechtigt.

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  4. Viel Erfo Herr Netanjahu! Im Kampf gegen eine antidemokratische Linke, die seit Jahrzehnten versucht, ihre Macht zu zementieren, indem sie der von ihr kontrollierten Justiz schwammige Rechte eingeräumt hat, mit der diese jede demokratische Gesetzgebung verhindern kann. Netanjahu tut nichts anderes, als Recht und Demokratie durchzusetzen!, damit endlich wieder der Wille der Mehrheit akzeptiert wird… was übrigens in kaum einer sogenannten Demokratie noch der Fall ist.

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    1. Niedlich, Herr Steger zetert unreflektiert über irgend so eine „Linke“. Für ihr ist also die politische Mitte eines Landes die „Linke“.
      Links von der jetzigen, von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten dominierten israelischen Regierung, ist fast alles – rechts von der jetzigen Regierung ist keine Partei mehr, da ist nur noch die Wand. Da aber rechtsextremistische Diktaturen im Europa der 1930er Jahre auch immer „die Linke“ bemühten, reiht Herr Steger sich da nahtlos ein.
      Israel als von Rechtsradikalen und Rechtsextremistischen dominiert, die den Rechtsstaat und die liberale Demokratie abbauen – es ist weit gekommen. Da ist ja selbst die AfD harmlos gegen!!!!

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  5. Ich sehe die Situation in Israel mit großer Sorge. Mir geht es weniger um den Inhalt der Justizreform, sondern um die Spaltung in Israel. Diese ist auch den Feinden Israels bekannt, und das ist meine eigentliche Sorge. Denn wenn auch das Militär demonstriert, freut sich am Ende nur einer: Der Iran !

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    1. Herr Sechting: Schreiben Sie das denen ins Stammbuch, die den Rechtsstaat bzw. die liberale Demokratie abbauen.
      Beim Militär und bei Steuerausfällen durch Streiks etc. gibt es doch eine einfache Lösung: Sollen alle diese Religiösen doch auch mal zum Militär eingezogen werden, und im Zivilleben produktiver Arbeit nachgehen, statt von Sozialtransfers, „Strukturhilfe“/Siedlungsbau aus öffentlicher Hand etc. zu leben.
      Parasiten, die den Wehrdienst leistenden und produktiv Arbeiten ihren religiösen Lebenswandel vorschreiben wollen – das geht einfach ZU WEIT!
      Das ist ja vom Iran nicht mehr weit entfernt!!!

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