NIR OS (inn) – Erstmals seit dem Hamas-Massaker 7. Oktober 2023 hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) den Kibbuz Nir Os besucht. Am Eingangstor empfingen ihn aufgebrachte Demonstranten. Sie beschimpften ihn mit Transparenten als „korrupt“ und „Mörder“. Auch warfen sie ihm vor, sie im Stich gelassen zu haben.
Bei seinem Besuch am Donnerstag, 636 Tage nach dem Terrorangriff, betrat Netanjahu mit seiner Ehefrau Sara verwüstete, verbrannte Wohnhäuser. Dabei begleiteten sie Bewohner und Angehörige der Todesopfer.
Keine israelische Gemeinde wurde bei dem Massaker so hart geschlagen wie Nir Os: Auf dem Höhepunkt der Aggression befanden sich mehr Terroristen als Bewohner im Kibbuz – zwischen 400 und 500 Angreifer sowie 385 Kibbuzniks. Nir Os liegt 3 Kilometer vom Gazastreifen entfernt und verfügt über keinen eigenen Militärposten. Von den Bewohnern wurden 117 ermordet oder entführt, neun befinden sich noch in Gaza.
Ein General im Ruhestand, Eran Niv, leitete die militärische Untersuchung zum 7. Oktober. Er verglich das Massaker mithilfe eines Gedichts des hebräischen Nationaldichters Chaim Nachman Bialik: „In der Stadt des Schlachtens“. Darin beschreibt er das Pogrom von 1903 in Kischinew.
Freilassung der Geiseln gefordert
Bei dem Rundgang forderten freigelassene Geiseln und Angehörige von Opfern, Netanjahu müsse den Krieg beenden und alle Gefangenen heimholen. Jael Adar trauert um ihren Sohn Tamir. Er beteiligte sich an der Verteidigung des Kibbuz, wurde ermordet und nach Gaza verschleppt. Netanjahu solle den gleichen Mut wie in den Kriegen gegen den Iran und die Hisbollah zeigen, um einen Deal zur Freilassung der Geiseln zu erreichen, sagte Adar. Bei Bedarf könne das Militär später in den Gazastreifen zurückkehren, um Terroristen zu bekämpfen.
Die Krankenschwester Nili Margalit wurde im November 2023 freigelassen. Davor wurde sie mit fünf weiteren Geiseln aus Nir Os festgehalten. Ihnen habe sie versprochen, alles ihr Mögliche zu tun, um sie herauszuholen, sagte sie und appellierte an den Premierminister: „Sie haben eine Gelegenheit, nach Washington zu reisen und eine Vereinbarung zu unterzeichnen, um jeden zurückzubringen.“ Damit bezog sie sich auf Netanjahus für die kommende Woche geplante Reise in die USA.
Zwei Worte vermisst
Ofri Bibas, die Schwester der ehemaligen Geisel Jarden Bibas, sagte der „Times of Israel“, der Besuch komme zu spät. „Es gibt zwei Worte, auf die ich von ihm noch warte: ‚Verantwortung‘ und ‚Verzeihung‘. Aber das war nicht das Ziel des Besuches.“ Die Ehefrau von Jarden Bibas, Schiri, und die beiden kleinen Söhne Ariel und Kfir wurden im Gazastreifen von der Hamas ermordet.
Netanjahu erklärte in einem von seinem Büro veröffentlichten Video: „Man empfindet bis in die Tiefe der Seele die Größe des Schmerzes, die Tiefe der Trauer, das Trauma, das eine ganze Gemeinde befallen hat und noch befällt. Ich empfinde eine tiefe Verpflichtung – vor allem anderen die Rückkehr aller unserer Geiseln zu versprechen, von allen. Es gibt noch 20 Lebende und es gibt noch Gefallene, und wir werden alle zurückbringen. Aber auch eine tiefe Verpflichtung, hier tätig zu werden, um diesen Kibbuz wieder aufzubauen und den Leuten Leben zurückzubringen.“
Gantz: Untersuchungsausschuss muss folgen
Der Oppositionspolitiker Benny Gantz, der sein Parteienbündnis „Staatslager“ nach dem Austritt zweier Abgeordneter wieder „Blau-Weiß“ nennt, wertete den Besuch positiv: Dieser sei „besser spät als nie“ erfolgt und wichtig. Nun sei es an der Zeit, einen staatlichen Untersuchungsausschuss zu bilden. Das forderten auch Bewohner von Nir Os.
Der Kibbuz ließ in einer offiziellen Stellungnahme verlauten: „Wir erwarten, dass dieser Besuch die Rückkehr der 50 Geiseln voranbringt, unter denen neun aus dem Kibbuz Nir Os sind, und dass die Regierung dem Wiederaufbau des Kibbuz und der Rehabilitation seiner Mitglieder verpflichtet sein wird – wo auch immer sie leben wollen.“
Netanjahu indes besuchte außerdem die nahe gelegene Stadt Ofakim. Dort traf er unter anderen Rachel Edry. Sie hatte die Terroristen mit einer Mahlzeit und auch mit selbstgebackenen Keksen hingehalten – und dadurch den Terrorangriff überlebt. (eh)
8 Antworten
Auch ich bin der Meinung, dass der Besuch Nethanjahus in Nir Os sehr spät kommt und ich verstehe, dass die Überlebenden und Angehörigen sich im Stich gelassen fühlen. Die Forderung einen Deal zu unterschreiben ist verständlich, auch wenn dafür der Krieg beendet werden muss. Aber einfach wieder zum Kriegsgeschehen zurückzukehren wird dann nicht mehr möglich sein. Ich höre den Aufschrei Guterres, Albaneses, eigentlich der ganzen Welt jetzt schon, wenn es nach Beendigung des Krieges nochmals losgeht. Ich bin mir aber auch sicher, dass Hamas IMMER einen Grund findet, nicht alle Geiseln herauszugeben. Sie haben dann kein Druckmittel mehr und das wissen sie. Sie müssen Zeit gewinnen und deshalb werden sie weiter höchstens eine Hinhaltetaktik unterschreiben. Man kann den Krieg nur beenden, wenn Hamas entmachtet wird. Alles andere führt zum nächsten 7.10. Aber eine Untersuchung muss erfolgen, das ist man den Kibuzzniks schuldig!
Endlich hat er sich auf den Weg gemacht. Hoffentlich hält er sein Versprechen, alle Geiseln zurückzubringen.
Möge Gott ihm und seinem Kabinett Weisheit schenken bei allen Entscheidungen. Sie tragen große Verantwortung!
Ich hoffe das sich das israelische Volk wieder zusammen rauft und Verzeihung sagt wo es Not tut und Solidarität lebt, wo es wichtig ist! *AM ISRAEL CHAI *Shalom
Wer seine Missetat leugnet, dem wird’s nicht gelingen;
wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.
Sprüche 28:13
Der Beuch von Benjamin Netanjahu ist wichtig und richtig.
Die Fehler vor und während des 7.Oktobers 2023 nicht einzugestehen ist falsch.
Das Land bleibt gespalten, aber Gott wird Israel wieder vereinen im Herzen !
Ich war perplex, dass der sich da jetzt erst hat blicken lassen. Ich bin keine Jüdin, ich bin eine Christin, aber mich haben diese Bilder verfolgt. Ich habe mir alles angeschaut.
Shalom Israel, Zitterpartie jetzt, hoffentlich kommen Deine so große Not leidenden Geiseln raus.
„… Rachel Edry. Sie hatte die Terroristen mit einer Mahlzeit und auch mit selbstgebackenen Keksen hingehalten – und dadurch den Terrorangriff überlebt.“ Wow!
Dieser Besuch kommt viel zu spät. Er hat es sich mit den Bewohnern der angegriffenen Kibuzzot gründlich versaut.
SHALOM SHABBAT
Immer wieder keimt Hoffnung auf bei mir, dass die Geiseln doch noch frei kommen. Und dann bin ich doch wieder am Boden zerstört, wenn ich lese Hamas fordert wieder dies und das. Meine Güte, die Geiseln, die Mamas und Papas und sonstigen Angehörigen von ihnen ich habe sie immer vor meinen inneren Augen.
Regierung muss jetzt wieder schwere Entscheidungen treffen.
Shalom Israel, in meinen Gebeten und Gedanken bei euch allen, die ihr dort lebt. Was auch kommt. Für euer Land werde ich immer beten.