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Müder Wahlkampf in Israel

Die israelischen Parteien halten sich im aktuellen Wahlkampf zurück. Und die aus Wählersicht großen Themen kommen nicht vor.
Von Ulrich W. Sahm

In einer knappen Woche, am 1. November, wird in Israel erneut das Parlament frisch gewählt. Man könnte meinen, dass so kurz vor den Wahlen der Wahlkampf tobt. Doch offenbar sind die Israelis der zahlreichen Wahlen in kurzer Zeit müde geworden und auch die Parteien scheinen keinen Sinn mehr darin zu sehen, viel Geld für Wahlwerbung auszugeben.

In Tel Aviv sind an einigen Wolkenkratzern überdimensionale beleuchtete Portraits von Kandidaten angebracht worden. Aber entlang der Straßen sind kaum Plakate zu sehen, wie früher üblich. In den elektronischen Medien wird zwar stundenlang über das mögliche Wahlergebnis spekuliert. Aber wirklich weiterhelfende Fakten gibt es da nicht.

Umfragen berufen sich auf die Meinungen von einigen Hundert willkürlich ausgewählten Israelis, die telefonisch oder per Internet zu ihrer politischen Ansicht befragt werden. Bei einer Fehlerquote von 4 Prozent zeigt sich kaum Bewegung bei den großen Blöcken: fromme, linke, rechte und arabische Parteien. Betont wird die Aufforderung, überhaupt zu wählen. Große Sorgen macht da vor allem der arabische Sektor, also etwa 20 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. 

Kein Konsens bei arabischen Parteien

Die aufgestellten arabischen Parteien sind untereinander so stark zerstritten, dass sie keine Abmachungen getroffen haben, Stimmen untereinander zu verteilen. Ihnen werden jeweils so wenige Stimmen vorhergesagt, dass die nicht einmal die Sperrklausel von 3,25 Prozent überwinden könnten.

Die Araber Israels sehen nicht viel Sinn darin, zu den Urnen zu schreiten, weil sie keine Regierungsbeteiligung erwarten. Deshalb rechnen sie nicht mit mehr Mitteln für ihre speziellen Bedürfnisse, etwa den Kampf gegen die viele Gewalt in ihrem Sektor: Bandenkämpfe oder auch Morde an Frauen.

Im jüdischen Sektor ändert sich nicht viel. Die Frommen bleiben bei ihren alteingesessenen Parteien. Die linken Parteien schleifen an der Sperrklausel und so bleibt es bei der zentralen Auseinandersetzung zwischen dem Likud unter Benjamin Netanjahu und den zentristischen Parteien unter Verteidigungsminister Benny Gantz (Blau-Weiß) und Premier Jair Lapid (Jesch Atid). 

Anrufe bei Bewohnern ohne Wahlberechtigung

Eine kuriose neue Methode des Wahlkampfes sind Anrufe bei willkürlich ausgewählten Telefonnummern. Eine hysterische Frauenstimme rattert dann mit großer Geschwindigkeit einen vorbereiteten Text zu diesem oder jenem Politiker herunter. Am Ende soll man die Nummer „1“ drücken, als „Zustimmung“. Da werden auch Nummern von Bewohnern angerufen, die gar nicht wahlberechtigt sind. 

Um eine stabile Regierung bilden zu können, muss einer der Kandidaten mindestens 61 Abgeordnete auf seiner Seite haben. Doch die höchst unzuverlässigen Umfragen prophezeien den wichtigsten Kandidaten bestenfalls zwischen 56 und 60 Stimmen, also weniger als notwendig. Das parlamentarische Chaos droht also weiterhin bestehen zu bleiben und vielleicht einen weiteren Wahlgang notwendig machen. 

Große Aufgaben nicht angepackt

Dabei gibt es „große“ Themen, die dringend angepackt und gelöst werden müssten. Eines ist die atomare Bedrohung durch den Iran. Diskutiert wird auch der Ukraine-Krieg, wobei Israel sich bislang eher neutral verhält, um die Russen nicht zu provozieren, die in Syrien kräftig präsent sind und die feindselige Hamas unterstützen.

Ein weiteres großes Thema sind die Gehälter der Lehrer. Ein Abkommen zwischen der Lehrergewerkschaft und Finanzminister Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) könnte aufgekündigt werden, was zu einem generellen Lehrerstreik führen könnte. Und natürlich spielen die Teuerungen eine große Rolle, aber niemand hat die Fähigkeit, den Importeuren oder den Supermärkten Vorschriften zu machen und die Preise zu senken. 

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Eine Antwort

  1. Die fünfte Wahl innert weniger Jahre. Während man drumherum er geneigt ist, auf Wahlen ganz zu verzichten.

    Eine anstehende Wahl mit einem nicht unwahrscheinlichen Ergebnis zwischen orthodox / konservativem und liberalem / sozialdemokratischem Block von (wieder einmal) ca. 60 / 60.

    Ich kann die Wahlmüdigkeit vieler Israelis gut verstehen.

    Vielleicht sollte man, wenn wieder nur den Status quo zementiert werden sollte, das Modell (war es Griechenland, aus dem Stegreif bin ich überfordert), der stärksten Partei ein paar Extra-Sitze zuzuschlagen, um die Regierungsbildung zu erleichtern, ins Auge fassen.

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