HERZLIA (inn) – Die israelische Dichterin Rivka Basman Ben-Haim ist tot. Sie starb am vergangenen Mittwoch mit 98 Jahren in Herzlia. Die gebürtige Litauerin galt als letzte jiddische Dichterin ihrer Generation. Sie veröffentlichte 15 Bücher.
Rivka Basman kam am 20. Februar 1925 in der litauischen Stadt Wilkomir (Ukmerge) auf die Welt. Ihre Eltern waren Yekhezkel und Tsipora (geborene Heyman). Die Mutter starb 1930. Der Vater heiratete wieder und bekam einen Sohn namens Aharon.
Volksschule: Begeistert von einer Dichterin
Als Kind besuchte Rivka die jiddische Volksschule. Dort las sie begeistert Gedichte und Geschichten der jiddischen Autorin Kadya Molodowsky (1894–1975). Sie begann selbst, kleine Gedichte zu schreiben. An einem litauischen Gymnasium setzte sie ihre Schulbildung fort, bis die Familie 1941 ins spätere Wilnaer Ghetto deportiert wurde. Dort lebte sie zwei Jahre lang.
Im Ghetto lernte Rivka den 1913 geborenen Dichter Avraham Sutzkever kennen. Ihm trug sie ihre Gedichte auf Litauisch und Jiddisch vor. Sutzkever ermutigte sie dazu, nur noch auf Jiddisch zu schreiben. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2010 ihr Freund und Mentor.
Nach der Auflösung des Wilnaer Ghettos kam Rivka Basman ins Zwangsarbeitslager Kaiserwald für Frauen in Riga. Mit zwei anderen Inhaftierten entschied sie, an jedem Tag etwas tun, um den Frauen eine Freude zu bereiten. Eine der drei sang ein Lied vor, eine tanzte – und Rivka trug ein Gedicht vor, das sie an dem jeweiligen Tag geschrieben hatte. Später sagte sie, diese Gedichte seien künstlerisch nicht wertvoll, aber ein Schrei aus dem Herzen.
Auch Kaiserwald wurde aufgelöst. Es gelang Basman, einen Teil der Gedichte unter der Zunge zu verstecken und so aus dem Lager zu schmuggeln. Ihr Vater wurde kurz vor dem Sieg der Alliierten in Klooge ermordet, einem Konzentrationslager in Nordestland. Der Halbbruder Aharon starb im Alter von etwa acht Jahren durch die Hand der Nationalsozialisten.
Hilfe bei illegaler Einwanderung
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Rivka Basman bis 1947 in Belgrad. Sie heiratete „Mula“ Schmuel Ben-Haim. Gemeinsam betrieben sie eine Station, von der aus osteuropäische Juden illegal ins britische Mandatsgebiet Palästina einwandern konnten. Um eine Entdeckung durch Interpol zu verhindern, nahm der Ehemann den Nachnamen Basman an.
Im Jahr 1947 beteiligten sich die beiden dann selbst an der illegalen Einwanderung und ließen sich im Kibbutz HaMa’apil östlich der Küstenstadt Netanja nieder. Mula schloss sich der paramilitärischen Organisation Hagana an. Nach der Staatsgründung 1948 kämpfte er als Soldat im Unabhängigkeitskrieg. Rivka half, den Kibbutz gegen einen arabischen Angriff zu verteidigen.
Erstes Buch im Kibbutz
Nach dem Krieg machte sie eine Ausbildung am Lehrerseminar in Tel Aviv. Sie unterrichtete Kinder im Kibbutz und schloss sich einer Gruppe jiddischer Dichter, „Yung Isroel“ (Junges Israel), an. Ihr erster Gedichtband erschien 1959 unter dem Titel „Toybn baym brunem“ (Tauben am Brunnen).
Insgesamt lebte das Ehepaar 16 Jahre in HaMa’apil. Die beiden blieben kinderlos. 1961 zogen sie nach New York. Dort studierte Rivka Englisch und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Columbia.
Zwei Jahre später wurde Mula Kulturattaché in der Sowjetunion. Rivka unterrichtete die Kinder des diplomatischen Corps in Moskau. Heimlich förderte sie Kontakte zwischen jiddischen Autoren der Sowjetunion und der Außenwelt.
Für die Illustrationen der Bücher sorgte Zeit seines Lebens ihr Mann. Nach seinem Tod im Jahr 1993 verwendete sie vorhandene Zeichnungen von ihm. Und sie nahm zusätzlich seinen Nachnamen Ben-Haim an.
Holocaust erst im letzten Buch
Der Holocaust kam im Werk von Rivka Basman Ben-Haim viele Jahre lang nur in Andeutungen vor. Erst im Gedicht „Sechzig Jahre später“ stellte sie fest, sie und andere wie sie seien „die letzten Zeugen auf Erden/ die das alles sahen und hörten“. Nun erzählte sie auch von ihren eigenen Lesungen im Lager.
Das letzte ihrer Bücher erschien 2020: „A Bliung in Ash“ (Eine Blüte in der Asche). Es befasst sich ausschließlich mit der Scho’ah. Die Autorin hat es ihrem ermordeten Bruder Aharon gewidmet. Das Buch enthält Gedichte aus der Zeit der Judenvernichtung und Prosatexte über ihre Erfahrungen. So schreibt sie über ihren zerschmetterten Traum, wieder mit ihrem Vater vereinigt zu werden.
Als „Überlebende“ wollte sich Rivka Basman Ben-Haim nicht sehen: Die Person, die die Lager der Nationalsozialisten betrat, habe nicht überlebt, sondern sei gestorben. Eine andere Person sei hervorgekommen und habe sich ein neues Leben gestaltet, stellte sie ihre Identität laut der „Jerusalem Post“ dar. Trotz der furchtbaren Erlebnisse ihrer Jugend blieb die Dichterin optimistisch. (eh)
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