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Lebensmittel der Zukunft aus Wüsten- und Aquakultur

Erstmalig hält das Ministerium für Landwirtschaft eine Konferenz zu Nahrungsmittelknappheit und Klimawandel ab. Forscher, Unternehmer und Minister aus der Region nehmen teil, die Israelis präsentieren innovative Projekte.
Von Merle Hofer

EILAT (inn) – In der Wüstenstadt Eilat sind mehrere Hundert Forscher, Unternehmer und Politiker zur Konferenz „Food from the Sea and the Desert“ (Nahrung aus Meer und Wüste) zusammengekommen. Die Konferenz „soll die Weichen für eine Zusammenarbeit mit Ländern in unserer gesamten Region stellen, die vor ähnlichen Klimaherausforderungen stehen“, sagte der israelische Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Oded Forer (Israel Beiteinu), zur Auftaktveranstaltung am Dienstag. „Im Lichte der globalen Erderwärmung, des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung müssen die Länder der Welt über neue Technologien in der Landwirtschaft nachdenken.“

Neben den Israelis sind Teilnehmer aus Bahrain und Marokko, aber auch aus Rumänien, Moldawien, Togo, Malta und den USA angereist. Erfreut zeigte sich das Landwirtschaftsministerin besonders über die Teilnahme von Alexandra Troyano-Groux. Sie ist als Landwirtschaftskonsulin für den Libanon, Irak, Iran und Ägypten an der französischen Botschaft in Beirut tätig. Die dreitägige Konferenz soll die regionale Zusammenarbeit fördern. Ein weiteres Ziel ist die Förderung der Zusammenarbeit mit arabischen Ländern im Hinblick auf die Klimakrise und die Bewältigung der Herausforderungen der Lebensmittelversorgung in der Welt.

Verstärkte Nutzung der Meere

Darüber, dass es für die Zukunft eine nachhaltige Nutzung des Planeten braucht, herrscht bei Forschern und Politikern Einheit. Im Vorfeld zur Konferenz erklärt Lior David: „Ländereien sind überstrapaziert und die Meere werden fast gar nicht genutzt.“ Der Professor an der Fakultät für Landwirtschaft, Lebensmittel und Umwelt der Hebräischen Universität in Jerusalem beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Fischzucht: „Viel mehr als jede andere Fleischsorte konsumieren wir Fisch.“

Lior David erklärt die Fischzucht der Hebräischen Universität. Der Professor weiß: „Es gibt mehr als 300 Arten von Fischen. Wir machen uns die Meere bisher nicht genügend zunutze.“

Die größte Herausforderung in der Aquakultur, also der im Wasser gezüchteten Populationen, seien Massenausbrüche diverser Krankheiten in der Fischzucht. „Darum forschen wir zu den Viren und Bakterien, die die Fische befallen.“ Gezielt würden die Fischpopulationen nach Bedarf mit Hormonen behandelt. „Beispielsweise wächst der männliche Lachs deutlich schneller als der weibliche. Diese Erkenntnisse machen wir uns in der Zucht zunutze.“ In der Fakultät in Rechovot gibt es große Fischbecken, die optimale Forschungsbedingungen ermöglichen. Unter Laborbedingungen können die Fische gewogen, auf Krankheiten untersucht und für Experimente genutzt werden.

Aus mehreren Gründen sei der Fischkonsum nachhaltig. „Die Fischproduktion hat die schnellste Wachstumsrate. Außerdem gibt es mehr als 300 Fischarten weltweit, aber nur eine Art von Hühnern. Folglich ist es effizienter, Fische zu züchten und bestens dafür geeignet, viele Menschen zu versorgen.“

Spirulina als Superfood

Möglichkeiten, die Verbindung von Wasser und Wüste stärker zu nutzen, sieht auch der Firmengründer Lior Schalev. Sein Start-up stellt große Mengen an Biomasse des Bakteriums Spirulina – das fälschlich häufig als Alge bezeichnet wird – her. Nach eigenen Angaben ist es die erste Firma weltweit, die sich der Entwicklung und dem Betrieb einer Technologie widmet, die eine kostengünstige und qualitativ hochwertige sowie hochwertige Produktion von frischer Spirulina-Biomasse ermöglicht.

Foto: Israelnetz/mh
Lior Schalev isst einen Spirulina-Cracker. Das neue Superfood nimmt er täglich zu sich.

Bisher sind es ausschließlich grünlich schimmernde Cracker sowie ein grünes Eis am Stiel mit Kokosgeschmack, die aus Spirulina bestehen und in Israel bereits in den Supermärkten zu finden sind. Doch Schalev ist optimistisch, dass er schon im kommenden Jahr ein Gericht auf den Markt bringen wird, das aussieht, schmeckt und riecht wie ein Stück Lachsfilet, allerdings rein aus dem ursprünglich grünen Meeresbakterium besteht und trotzdem den strengen Anforderungen des Lebensmittelmarktes gerecht wird. „Der große Vorteil dieses Cyanobakteriums ist, dass es sich unter den richtigen Bedingungen alle 24 Stunden verdoppelt. Für die Herstellung braucht es wenig Personal und benötigt vor allem CO2 und Sonne – im Gegenzug erhalten wir ein proteinhaltiges Produkt.“

Auch würden Spirulina-Produkte auf lange Sicht günstiger als Fischproduktion. „Schon heute produzieren wir Spirulina im Labor zu ähnlichen Preisen wie Fisch“, erklärt Schalev. Bis die Spirulinaproduktion allerdings so weit sei, Fleisch- und Huhnersatz zu bieten, würde noch viel Zeit vergehen. Durch den hohen Proteingehalt sei das Verfahren aber definitiv für Länder mit Sonne und Nahrungsmittelknappheit geeignet.

Das Feld in einem Schiffscontainer

Ein anderes Agrartechnikunternehmen nennt sich „Vertical Field“, Vertikales Feld. Es verspricht „eine neue Welt von Frische“. Der vertikale Anbau von Kräutern sei weltweit im Wachstum. Doch „Vertical Field“ hat eigens Schiffscontainer entwickelt, in denen Licht- und Temperaturverhältnisse optimal an die Bedürfnisse der Pflanzen angepasst würden. Auch Luftfeuchtigkeit sowie Wasser- und Nährstoffversorgung werden zentral geregelt.

Ronen Redel aus der Firmenentwicklung ist überzeugt: „Eine wachsende Weltbevölkerung stellt uns alle vor große Herausforderungen. Aufgrund von Bodenversiegelung, Monokulturen und den Folgen des Klimawandels kommt es zu immer geringeren Ernteerträgen. Daher bietet ‚Vertical Farming‘ einen großen Vorteil – auch weil es wegen der kontrollierten Umgebung ganz auf Chemikalien verzichten kann.“

Foto: Israelnetz/mh
Ronen Redel zählt die Vorteile des „Vertical Farming“ auf

Bisher hat die Firma ein Angebot von mehr als 200 Kräuter- und Salatarten. „Aufgrund der platzsparenden Anordnung eignen sich die Container besonders für den Anbau in Städten und können vor jedem Supermarkt aufgestellt werden“, wirbt Redel. „Der Weg, den der Salat vom Container in das Supermarktregal zurücklegt, beträgt nur wenige Meter.“ Besonders Basilikum, Petersilie und Endiviensalat eigneten sich wunderbar für diese Form des Anbaus. Die Setzlinge würden nur mit soviel Erde versorgt, wie benötigt und könnten in mehreren Reihen übereinander gezogen werden.

Pro Monat sei eine Ernte von bis zu 3.000 Einheiten möglich. „Auf diese Weise kann der Supermarkt täglich frische Lebensmittel zur Verfügung stellen.“ Die Container würden 16 Stunden mit LED-Lampen beleuchtet.

„Ich glaube, wir alle müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir in Zukunft die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicherstellen bei gleichzeitig immer geringeren Ernteerträgen aufgrund von Bodenversiegelung, Monokulturen, dem Einsatz von Chemikalien und den Folgen des Klimawandels. Die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen auf Kosten unseres Ökosystems und des Klimas kann hier nicht die Lösung sein, sehr wohl aber Vertical Farming – vor allem in urbanen Gebieten.“ Ein Pilotprojekt laufe zur Zeit unter anderem in Österreich.

Knapp 50 Millionen Euro hat die Regierung im August für einen Mehrjahresplan zur Entwicklung der Stadt und Region Eilat als nationales und internationales Zentrum für die Produktion von Lebensmitteln aus dem Meer und der Wüste zur Verfügung gestellt. Die Konferenz ist das Ergebnis dieser Regierungsentscheidung. Ideen werden den Konferenz-Besuchern präsentiert. Ob sich diese in ihren eigenen Ländern umsetzen lassen, bleibt abzuwarten. Ein erster Austausch ist erfolgt und eine Reise von Israelis nach Marokko, auf der ähnliche Projekte vorgestellt werden, seit Wochen geplant. (mh)

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Eine Antwort

  1. Erinnert mich erschreckend an den science fiktion Film „Solent grün“ von 1973.
    Beispiel NY, 40 Millionen Einwohner, die meisten sind ohne Arbeit. Ihre Nahrung besteht aus diversen synthetischen Substanzen, von denen keiner weiß, was es ist.
    Lediglich einige Politiker und reiche Bürger können sich sauberes Wasser und natürliche Lebensmittel zu horrenden Preisen leisten.
    Wir sind auf dem besten Weg dort hin.

    2

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