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„Keine Religionsfreiheit für Juden“ – Warum nur?

Der Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit zeigt beim Thema Israel beklagenswerte Informationslücken. Eine kommentierende Analyse
Von Carmen Shamsianpur
In Israel herrscht Religionsfreiheit

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland haben Anfang Juli ihren „3. Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit weltweit“ vorgelegt. Er trägt den Titel „Eine christliche Perspektive auf ein universelles Menschenrecht“. Die beiden vorangegangenen Berichte erschienen 2013 und 2017.

Religionsfreiheit und andere Rechte

Mit besonderem Fokus auf christliche Gemeinschaften wird der „derzeitige Stand der Verwirklichung und Verweigerung der Religionsfreiheit“ untersucht. Auf 182 Seiten soll ein „vertieftes Verständnis für die komplexen Zusammenhänge“ vermittelt werden.

Es geht dabei weniger um Statistik als um spezifische Herausforderungen und die Religionsfreiheit in teilweise neuen Spannungsverhältnissen wie Migration, Gendergerechtigkeit, Sicherheit, Rechtspopulismus und indigene Völker. Der Bericht betrachtet die Staaten Äthiopien, Belarus, China, Dänemark, Deutschland, Eritrea, Indien, Israel, Myanmar, Russland, Syrien, Irak und Türkei.

Israel und „Palästina“

Der Ökumenische Bericht listet „Israel und Palästina“ als quasi-staatliche Einheit unter dem Buchstaben I, behandelt die Religionsfreiheit in den verschiedenen Gebieten aber getrennt.

Als spezifische Gegebenheiten im einzigen mehrheitlich jüdisch bewohnten Staat der Welt nennt der Länderbericht die Rolle des Oberrabbinats mit seinen „ausschließlich orthodoxen Traditionen“. Dies führe beispielsweise zu fortwährendem Streit um gemischtes Gebet und Rezitationen durch Frauen an der Klagemauer. Ein anderer Problempunkt vor allem für Religionslose oder interreligiöse Paare sei die fehlende Zivilehe.

Keine Religionsfreiheit für Juden in „Palästina“

Die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verböten „Diskriminierung auf der Grundlage der Religionszugehörigkeit“ und riefen zum Respekt „aller göttlichen Religionen“ auf. Letztere Formulierung erläutert der Bericht nicht näher. Dabei ist der Begriff „Göttliche Religionen“ sehr exklusiv, besonders vor islamischem Hintergrund. Der Buddhismus beispielsweise würde nach keiner Interpretation darunter fallen.

Eine Gruppe nennt der Bericht jedoch explizit, für die es in den Gebieten der PA „de facto keine Religionsfreiheit“ gebe: die Juden. Das allerdings liege an der „fortwährenden israelischen Besetzung weiter Teile des palästinensischen Gebiets“.

An dieser Stelle tun sich mehrere Fragen auf.

  1. Der sonst so grundrechteübergreifende Bericht erwähnt lediglich die fehlende Religionsfreiheit für Juden in palästinensischen Verwaltungszonen. Er „vergisst“, dass sie dort auch „de facto“ kein Recht auf Leben, Wohnen, Arbeiten und so weiter haben. Dort „leben keine Juden“, wird euphemistisch festgestellt, als sei das zufällig so.
  2. Wäre diese Tatsache kein Anlass gewesen, die Besetzung der umstrittenen Gebiete etwas näher zu beleuchten? Es gibt einen Infokasten zu den Gebieten mit fragwürdigen Aussagen. „Die israelisch kontrollierten jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen wurden 2005 aufgegeben“, heißt es dort. Das stimmt nicht. Die Juden haben ihre Wohnungen nicht „aufgegeben“, sondern wurden gewaltsam und völkerrechtswidrig von dort entfernt. Der realistische Beweggrund dahinter war, dass Juden unter palästinensischer Verwaltung nicht überlebensfähig sind.
  3. Ist die „israelische Besetzung“ auch Grund für die „de facto“ fehlende oder eingeschränkte Religionsfreiheit für Juden in fast allen anderen arabischen Ländern? Bedeutende Gründe wie antisemitische und terrorverherrlichende Hetze in palästinensischen Medien und Schulbüchern finden keinen Eingang in den Bericht.

Diskriminierung mit und ohne Gesetz

Viele nicht-jüdische Israelis empfänden das 2018 verabschiedete „Nationalitätengesetz“ (gemeint ist das Nationalstaatsgesetz) als „offene Diskriminierung“. Seither gelte nur noch die „jüdische Sprache“ (gemeint ist Hebräisch) als Amtssprache. Tatsächlich hat sich der Rummel über ausgerechnet diesen Punkt des Gesetzes schnell gelegt. Er hat nämlich keinen Einfluss auf das selbstverständliche Nebeneinander von Hebräisch, Arabisch und Englisch im israelischen Alltag.

Zur Unterstreichung außergesetzlicher Diskriminierung von Christen durch Juden zitiert der Bericht einen Vermerk der katholischen Kommission Justitia et Pax des Heiligen Landes aus dem Jahr 2014: „Im Staat Israel haben alle Staatsbürger, Juden und Araber, im Prinzip gleiche Rechte, aber in der Realität werden arabische Bürger in verschiedenen Bereichen und auf unterschiedliche Weise diskriminiert.“ Beklagt wird der erschwerte Zugang der arabischen Minderheit zu Bildung und Arbeitsstellen. Der Zusammenhang zur Religionsfreiheit bleibt unklar.

Antichristliche Stimmung

Menschenrechtsorganisationen beklagten „das Schüren von Ressentiments gegen die nicht jüdischen Religionen“. Die Medien verbreiteten „eine gewisse anti-christliche Stimmung“. Unter anderem würden „geschichtliche Verletzungen aufgerissen“. Dafür nennt der Text auch ein Beispiel: „Christen haben Juden schlecht behandelt und ermordet“. Man fragt sich, ob dafür plädiert werden soll, entsprechende Dokumentationen in Zukunft nicht mehr zu zeigen.

Ein weiterer Vorwurf: „Es wird ein ideologischer Graben zwischen jüdischen Israelis und Christen beschworen“. Auch hierzu gibt es ein Beispiel: „Christen stehen auf der Seite der Palästinenser im israelisch-palästinensischen Konflikt“. Leider ist das ein verbreitetes Phänomen, das der jüdischen Gesellschaft schwerlich verborgen bleiben kann.

Solche „Meinungsmache“ rufe in ihrer Extremform Spuckattacken gegen „christliche Geistliche in traditioneller Kleidung“ hervor. „Schwere Angriffe“ wie etwa Friedhofsschändungen würden von den israelischen Behörden verfolgt. Wie auch immer der Staat ein Ende der Spuckattacken bewirken soll: Es wäre in der Tat wünschenswert. Aber warum fehlt in dem Bericht, wie die „Extremform“ der Meinungsmache gegen Juden aussieht? Von Terror gegen jüdische Zivilisten – auch ohne „traditionelle Kleidung“ – ist nirgendwo die Rede.

Immobiliengerechtigkeit

Des Weiteren beklagt der Bericht „rein rechtlich korrekte Transaktionen“, mit denen sich „nationalreligiöse jüdische Gruppen“ „strategische Immobilien“ in der Jerusalemer Altstadt aneigneten. Das hielten Christen und Muslime für „ethisch und politisch verwerflich“. Ganz offensichtlich würden „Änderungen der religiösen Demografie in einem besonders sensiblen Teil der Stadt Jerusalem“ angestrebt.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Kritiker das Ansinnen mancher jüdischer Käufer richtig interpretiert haben. Aber der Bericht lässt eine Entwicklung außer Acht: Das wohl größte weltweite Kennzeichen der traditionellen Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten ist ihr Mitgliederschwund.

Wenn in Europa Kirchengebäude zu Moscheen umgewidmet werden, ist das aus christlicher Sicht keine sonderlich erbauliche Entwicklung. Aber schuld daran sind nicht die Muslime. Was ist also „verwerflich“ daran, wenn Juden in Israel zum Verkauf stehende Immobilien anderer Religionsgemeinschaften kaufen? Außerdem: Unter israelischer Kontrolle wächst die Zahl der Christen. Massiven Schwund verzeichnen nur die Palästinensergebiete. Diese Aufteilung unterschlägt der Ökumenische Bericht.

Beschränkter Zugang zum Tempelareal

Die gleiche Doppelmoral zeigt sich beim großen Streitpunkt der Beschränkung des Zugangs zum Tempelareal. Zu gewissen Zeiten im Jahr dürfen Muslime bestimmter Altersgruppen „aus Sicherheitsgründen“ den Platz nicht betreten. Wiederum vergisst der Text eine Gruppe, für die der Zugang zu ihrem Heiligtum am selben Ort tagtäglich eingeschränkt ist, und zwar aus religiösen Gründen: die Juden.

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10 Antworten

  1. Mal ehrlich, langsam reicht es mit den christlichen Bischöfen! Was geht die eigentlich unsere Jüdische Religion an? Die sprechen überall mit, statt sich um die Pädophilen in der Kirche zu kümmern, sie zu
    verurteilen. Wie viel tausend Kinder müssen noch leiden unter der Kirche?
    600 000 sollen letztes Jahr in der BRD ausgetreten sein. Sollen sich mal fragen, warum?
    Traurig genug weltweit, dass man in der heutigen Zeit immer noch wegen seiner Religion missachtet wird
    oder verfolgt. Man hat schon manchmal das Gefühl, dass Menschen sich immer mehr von ihren Führern, Politikern, was vorschreiben lassen. Religion sollte Privatsache sein und nichts Staatliches. Religionen/Staat trennen. Das alles hört sich oft an wie religiöse Sklaverei.
    OT:
    Auch wenn das nichts mit dem Artikel zu tun hat, der Russ. Christliche Orthodoxe ist ein großer Sünder, dass er Putins gesperrtes Getreideabkommen billigt. Menschen hungern, was diesem auch so Religiösen völlig egal ist.

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    1. In der „christlichen“ russischen Orthodoxie ist Jesus Christus vollständig „unter die Räder“ gekommen. Es ist der offensichtliche Machtmissbrauch, der entsteht, wenn die weltlich Mächtigen, tatsächlich aber Ohnmächtigen, Gott für ihre eigenen Zwecke mißbrauchen.

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    2. Genau umgekehrt MUSS es sein: Christentum MUSS sich für das Judentum einsetzen aufgrund diverser Jesus-Zitate, die für alle im Christentum zu gelten haben: Jesu Stellung zum Gesetz schafft m.E. die Möglichkeit, dass ALLE Christen an das Alte Testament glauben, an den Abraham-Bund, Sinai-Bund und David-Bund. Es gibt auch viele außerhalb GER, die an Israel glauben, nur in den USA sind es mehr die Republikaner, RUS ist mörderisch, die RUS-Orth.Kirche ist Teil des Putin-Kriegs, und Deutschland wäre besser OHNE Christentum, viele bösen Deutschen haben es mit dem Christentum zu tun, auch Nazis sind „christlich“ erzogen worden, Berlin sollte sich von der EKD trennen und eine „Kirche Berlin“ = EKB gründen. Berliner Kirchen für Israel, GEGEN DIE DEUTSCHEN BISCHÖFFE und GEGEN LUTHER-KIRCHE !! Weg mit Reformationstag, hin zum Martin-Luther-King’s Day 15.Januar 1929, Weg mit Martin Luther. hin zum Tschechen Jan Hus !

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  2. Wie wäre es, wenn die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland derart überflüssige und desinformierende Pamphlete völlig unterließe und stattdessen ihren Missionsauftrag zielstrebig und mit ganzer Kraft erfüllen würde? Wie wäre es, wenn sie bei der Erfüllung dieses Auftrags von Jesus ganz besonders jene Menschen adressieren würde, die jetzt noch in der Einflusssphäre des Hasses auf Christen und Juden leben? Wie wäre es, wenn die kirchlichen Oberhirten sich der Herkunft ihres Herrn besännen und endlich eine radikale Abkehr von christlichen Antisemitismus vollzögen und predigten. Dieser mein Herzenswunsch wird aber wohl meine Geduld noch so lange strapazieren, bis der Messias endlich sichtbar für alle Welt die Herrschaft antritt.

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    1. Da kannst lange warten – der islamische Faschismus ist schneller – dein Messias ist zu schwach, weil der „Andere“ zu stark ist.

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  3. Religion, so die Dogmen nur dem Selbstzweck dienen , verstellen den Weg zu Gott. So sagte es einst Martin Buber. Und da hat er recht. Wenn z.B. Afghanistan über seine neueste Verfassung stehen hat „Die islamische Republik Afghanistan“ so ist das meiner Meinung nach gegen eine Religionsfreiheit gerichtet und nicht im Sinne unseres Schöpfers. Als Deutscher muss ich hier einen Eigenlob für Deutschlands Verfassung von 1949 plädieren. Die hat nämlich die vollkommene Religionsfreiheit für jeden ihrer Bewohner festgeschrieben.

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  4. Mit Verlaub Ihr Einwurf ist eine westliche Propagandalüge: ukrainisches Getreide landet vor allem in China und Europa und wird zu einem großen Teil auch als Schweinefutter genutzt sicherlich aber nicht gegen den Hunger innder dritten Welt..

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  5. Danke, liebe Carmen.

    Wieder mal ein unsäglicher Bericht der Kirchen. Sollen sie sich lieber an die eigene Nase fassen, und nicht auf den Zug der UN aufspringen. Einseitigkeit heißt halbe Wahrheit, und halbe Wahrheit heißt ganze Lüge!
    Selbst, wenn der Wahrheit nur 1 Prozent fehlt, das entscheidend ist, ist sie eine Lüge!

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  6. Annähernd 2.000 Jahre haben Christen den Juden Gewalt angetan.
    Und es gibt kein Ende, sondern – hier wiederum offen für jeden sichtbar – ein „immer weiter“, allen wohlfeilen Treueschwüren aus Kirchenkreisen zum Trotz.
    Es stimmt schon:
    „Die Täter werden den Opfern nie vergeben“ (sic!)
    Der Umgang der Christen mit den Juden ist eines der traurigsten Kapitel der Christlichen Kirchen.

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  7. Mit den Verwaltungszonen werden die Israelis schon fertig, keine Sorge : Die Reli- freiheit hier vor Ort wird für Juden ganz schnell zu Ende gehen, die „Kartoffel- gucker“ sind als nächtse dran : der Politische Islam – der islamische Faschismus wird sie alle holen. Wen der braune Faschismus nicht erwischt hat, für den ist der islamische Faschismus eine leichte Beute.

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