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Israels maritimer Grenzdisput mit dem Libanon und aktuelle Ukraine-Auswirkungen

Israel und der Libanon erheben Anspruch auf überlappende maritime Zonen. Im Oktober 2020 angelaufene Verhandlungen sollen den Disput unter anderem wegen seines Kriegspotenzials beilegen. Ein kürzlich vermeldeter Durchbruch könnte in Anbetracht der Ukraine-Krise ungeahnte Verwicklungen nach sich ziehen.
Von Antje C. Naujoks

Israel weiß aus Erfahrung, dass Krieg unermessliches Leid bringt. Der israelische Botschafter in der Republik Moldau Joel Lion begibt sich gegenwärtig oft an die Grenzübergänge. Er nimmt israelische Staatsbürger in Empfang, doch er kümmert sich auch um flüchtende jüdische Ukrainer. Der Diplomat war zugegen, als am 27. Februar einhundert in der Ukraine studierenden Israelis die Einreise in diesen Nachbarstaat gelang. Diese jüdischen und arabischen Bürger Israels äußerten eine Bitte, der Botschafter Lion gerne nachkam: Nicht nur den ägyptischen Kommilitonen der israelischen Studierenden, mit deren Land Israel einen Friedensvertrag hat, sondern ebenfalls syrischen und libanesischen Studenten half er bei der Weiterreise. Für ihn wie auch das Jerusalemer Außenministerium spielt keine Rolle, dass es sich um Menschen aus Staaten handelt, die ihr Verhältnis zu Israel als Kriegszustand definieren.

Der Libanon seinerseits schlägt von Israel angebotene humanitäre Hilfe grundsätzlich aus. So auch Anfang August 2020 nach der verheerenden Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut. Nach seiner Wahl bestätigte der libanesische Premier Nadschib Mikati diese Ablehnung erneut im September 2021 im Zusammenhang mit der schlimmsten Wirtschafts- und Energiekrise, die sein Land seit den Bürgerkriegsjahren zwischen 1975 und 1990 erfährt. Zur Abwendung des Schlimmsten arbeite er „mit jedem Land zusammen, abgesehen von Israel“.

Trotzdem findet Israel Wege, den Menschen des Libanon wenigstens etwas zu helfen. Zur Zeit der Olivenernte im letzten Herbst wurde ihnen in einer „Geste des guten Willens“ im Grenzgebiet eine Ernte auf israelischem Hoheitsgebiet ermöglicht.

Worum dreht sich der Disput?

Den gegenwärtigen israelisch-libanesischen Grenzverlauf legten die Vereinten Nationen im Mai 2000 nach Abzug von Israels Truppen aus dem Südlibanon fest. Die „Blaue Linie“ erstreckt sich auch auf das Mittelmeer, dessen Naturgasvorkommen erst nachfolgend entdeckt wurden. Bis 2009 stieß Israel bei Probebohrungen auf vier große Gasfelder, die dem Land Energieunabhängigkeit bescheren. 2016 sicherte Israel seine vier Jahre zuvor angelaufene Förderung durch ein strategisches Abkommen mit Griechenland und Zypern ab. Weitere Vorkommen wurden entdeckt.

Bald zeichnete sich ab, dass ihre geografische Lage es dem Libanon ermöglicht, Ansprüche zu erheben. Damit war klar: Es muss verhandelt werden, damit nicht früher oder später militärisch darum gerungen wird.

Verhandlungstango mit Trittbretttänzern

Die Schirmherrschaft der Verhandlungen übernahmen die Vereinten Nationen. Die USA fungieren als Vermittler zwischen den Parteien. Es gab erste Zusammenkünfte der Delegationen im südlibanesischen Hauptquartier der Interimstruppe der Vereinigten Nationen im Libanon (UNIFIL) in Naqura. Daraufhin meinte Israels damaliger Premier Benjamin Netanjahu (Likud), dass die Verhandlungen mit dem Libanon vom Potenzial „der Erlangung eines Friedens künden“.

Doch nichts dergleichen geschah, da Israel und der Libanon schon nach vier Zusammenkünften, bei denen sie überdies noch nicht einmal direkt miteinander kommuniziert hatten, in der Sackgasse steckten. Dennoch ist seither viel passiert. Die USA bekamen eine neue Regierung, die Amos Hochstein zum Unterhändler ernannte. Dieser hatte sich bereits unter Präsident Barack Obama als Experte für Energiewirtschaft und -sicherheit einen Namen gemacht. Auch Israel und der Libanon bekamen eine neue Führungsspitze. Doch die wohl dramatischste Entwicklung ist die sich seit 2019 zuspitzende Wirtschafts- und Energiekrise des Libanon.

Für Israel waren es keine guten Nachrichten, als der Libanon vor dem Staatsbankrott zu stehen schien und ein altbekannter Widersacher auf der Bildfläche erschien: Der Iran wartete im September 2021 mit Erdöllieferungen für den Libanon auf. Es war klar: Die Energiekrise würde das nicht lösen, dafür aber der Hisbollah mächtig Rückenwind verleihen. Also begannen Jordanien und Syrien, über die Elektrizitätsversorgung des Libanon nachzudenken, in dem stundenlange Stromausfälle an der Tagesordnung sind.

Nur wenige Wochen später schlug Ägypten das Projekt „Arabische Gas-Pipeline“ vor, um den Libanon via Jordanien und Syrien zu versorgen. Weil Israel sein im Mittelmeer gefördertes Erdgas auch an Ägypten verkauft, tauchten umgehend Meldungen auf, dass israelisches Gas auf Umwegen in den Libanon gelangen könnte. Während in Israel mit US-Rückendeckung erneut das Wort Normalisierung aufkam, ging der Libanon noch mehr auf Distanz.

Durchbruch bei den Verhandlungen?

Anfang 2022 gingen die Verhandlungen über die Seegrenzen dennoch in eine weitere Runde. Israels Energieministerin Karine Elharrar (Jesch Atid) hatte bereits Ende 2021 signalisiert: „Wir haben ein gemeinsames Gasfeld und müssen eine Lösung finden, wie wir es nutzen können, damit jede Seite ihren Anteil auf faire Weise erhält.“ In dieser Runde musste US-Unterhändler Amos Hochstein hin- und herreisend Shuttle-Diplomatie zwischen den Staaten praktizieren. Dabei durfte er natürlich nicht den Staat im Staat des Libanon, die Hisbollah, außer Acht lassen. Auf die Terrorgruppe soll übrigens die libanesische Forderung zurückgehen, dass lediglich Repräsentanten, keineswegs aber amtierende Politiker an den Verhandlungen beteiligt sind, um den offiziellen Charakter der Kontakte jederzeit leugnen zu können.

Im Februar 2022 meldete sich überraschenderweise Libanons Präsident Michel Aun in der Sache zu Wort: „Niemand außer dem Präsidenten dieses Landes führt diese Verhandlungen. Nur er geht dann damit zur Regierung und zum Parlament. Es muss ein Abkommen erzielt werden, das beide Seiten befriedigt, und ich denke, es besteht Hoffnung.“

Komplimentiert wurde diese Aussage durch ein Interview, das Hisbollah-Chef Hasan Nasrallah dem iranischen Fernsehen gab. Für die Ziehung maritimer Grenzen erklärte er ausschließlich die involvierten Regierungen zuständig. Da die Hisbollah nicht an der libanesischen Regierung beteiligt sei, habe sie nichts damit zu tun. Experten führen diesen Haltungswandel darauf zurück, dass die innerlibanesische Machtposition der Hisbollah schwindet. Das hängt damit zusammen, dass Nasrallah und seiner schiitischen Organisation die eigentliche Schuld an der Wirtschaftskrise gegeben wird.

Die Auswirkungen des Krieges in Europa

Der Libanon sieht kein Ende seiner Wirtschaftskrise. Ein instabiles Land vor der Haustür ist für Israel nicht gut. Das hat Syrien vorgemacht. Die UN-Abstimmung zur Verurteilung des russischen Ukraine-Angriffes führte der Welt vor Augen, mit wem Israel es in diesem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land an seiner nördlichen Flanke zu tun hat. Einerseits ist da das gegenwärtig die Welt in Atem haltende Russland, das in seiner globalen Isolierung wenigstens den mit grausamen Methoden herrschenden syrischen Diktator Baschar al-Assad an seiner Seite hat. Andererseits tummelt sich in Syrien der Iran, der an seinen atomaren Bestrebungen festhält und dem jüdischen Staat mit Vernichtung droht. Dass sich dieses Land bei der UN-Abstimmung enthielt, ist nur bedingt aussagekräftig, da der oberste Ajatollah Ali Chamenei die USA für den eigentlichen Kriegstreiber im Ukraine-Konflikt hält.

Diese Haltung teilt der libanesische Hisbollah-Chef Nasrallah, dessen Waffenarsenale eine weitaus größere Bedrohung für Israel darstellen als die der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Vielleicht ist es ein winziger Hoffnungsschimmer, dass sich der Libanon, immerhin Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der Mehrheit der Staatengemeinschaft anschloss und Russlands Aggression verurteilte. Er begründete dies mit dem eigenen Leid infolge von Invasionen und Degradierung zum Vasallenstaat.

Zu hoffen bleibt, dass der Libanon trotz prekärer Lage nicht zu einer Spielwiese mit ähnlichen Konstellationen wie Syrien wird. Hilfreich könnte für den Zedernstaat sein, so wie Israel Zugang zu den Rohstoffreserven des Mittelmeeres zu erhalten und diese überdies nutzen zu können, ohne dass sich fremde Mächte davon etwas in die eigene Tasche stecken. Das wird umso attraktiver, da Erdgas infolge der sich gegen Russland verhärtenden Sanktionen immer begehrter werden wird.

Das könnte letztlich ebenfalls für Israel vorteilhaft sein, denn wer weiß, vielleicht sind die Spinnereien, die der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan schon Wochen vor Beginn der russischen Ukraine-Invasion zum Besten gab, doch nicht so ganz abwegig: Israel solle sich auf seinen alten Freund, die Türkei, besinnen, denn via Bosporus könne es sein Erdgas sogar nach Europa exportieren.

Antje C. Naujoks studierte Politologie an der FU Berlin und an der Hebräischen Universität Jerusalem. Die freischaffende Übersetzerin lebt seit fast 35 Jahren in Israel, davon ein Jahrzehnt in Be‘er Scheva.

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4 Antworten

  1. Meine Vision wäre, eine Erdgaspipeline von Israel nach Italien durchs Mittelmeer. Ich kann gar nicht verstehen, warum Israel noch nicht auf Europa zugegangen ist bzw. Deutschland sich noch nicht an Istael wegen Gas gewandt hat?
    Gerlinde Kaiser-Schäfet

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    1. Ich denke dies wird über kurz oder lang passieren. Danach hat Russland auch ein Grund mal in den Süden runterzukommen um Chaos zu stiften.
      Was dann aber vom Höchsten Unterbunden wird……
      Shalom

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  2. Israel hat sich schon an Europa gewahnt, aber Deutschland will das einfach nicht…warum weiß kein normaler Mensch.

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    1. Deutschland wird vielleicht nichts anders übrig bleiben. Zum einen gäbe es genügend Gas und der Preis dürfte auch stimmen. Wenn ich mir die Gaspreise ansehe, die zwischen 250 und 800 € monatlicher Abschlag angeboten werden, frage ich mich, wie eine vierköpfige Familie mit vielleicht 2500 € netto, dies bezahlen soll, wenn die Miete vielleicht schon bei 1000 € kalt liegt.

      Oder Hartz IV Empfänger oder Rentner, die vielleicht gerade mal über der Grundsicherung liegen.

      Aber wie sagte Gauck gestern Abend: Man muss auch für die Freiheit frieren können.

      Habeck hat da schon recht, der innere Frieden könnte da irgendwann ins Wanken geraten.

      Das Problem dürfte momentan die Leitung sein. Denn über die Türkei ist auch keine Lösung. Da sitzt leider kein besserer an der Macht als in Russland.

      6

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