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In Israels Krankenhäusern ist die Krise noch nicht überwunden

Der Krieg gegen die Hamas hat Schwachstellen im israelischen Gesundheitssystem offengelegt. Vor allem auf Rehabilitation und die Behandlung von Traumata war das Land kaum vorbereitet.
Von Valentin Schmid

Jakobs Beine sind von einer großen, gelb-grünen Flagge bedeckt. Das Wappen der Golani-Brigade prangt darauf. Der verwundete Soldat liegt in einem Krankenbett der Soroka-Klinik in der Wüstenstadt Be’er Scheva. Gerade hat er Besuch von drei Kameraden seiner Kampfeinheit bekommen. Sie haben Jakobs Bett nach draußen geschoben – und der Anblick der Palmen tut ihm sichtbar gut.

Foto: Valentin Schmid
Der grüne Innenhof der Soroka-Klinik bietet etwas Erholung vom stressigen Krankenhaus-Alltag

„Hier hat mich eine Kugel getroffen“, meint Jakob und zeigt auf seinen Unterschenkel. Er habe gerade Hamas-Waffen in einem Haus in Gaza sichergestellt, als unabsichtlich ein Schuss ausgelöst wurde. „Aber das war nicht so wild. Mir ging es schnell besser.“ Doch Jakob ist nur einer von unzähligen Soldaten, die in den vergangenen Monaten in Be’er Scheva eingeliefert wurden. Besser gesagt: Eingeflogen.

Hubschrauber im Dauereinsatz

Gut 100 Meter vom Freiluft-Krankenbett entfernt, begrenzt ein brusthoher Zaun den Hubschrauber-Landeplatz des Krankenhauses. Das abgenutzte Gras darin verheißt nichts Gutes. Und tatsächlich erinnert sich ein Sicherheitsmann daran, wie Mitte Dezember ganze 45 verwundete Soldaten an nur einem Tag hier ankamen.

Und selbst das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was sich am 7. Oktober hier abspielte: 700 Verletzte behandelte das Krankenhaus an diesem Tag, davon 120 in kritischem Zustand. Zum Vergleich: Die Notfallpläne, mit denen sich die Klinik auf Worstcase-Szenarien vorbereitet hatte, gingen gerade einmal von 100 bis 200 Verletzten aus.

Infektionskrankheiten zu befürchten

„In seinen 75 Jahren hat Israel eine ganze Reihe von Kriegen und Militäreinsätzen erlebt. Allerdings ist der jetzige Krieg in seinem Ausmaß mit keinem früheren vergleichbar, zumindest seit dem Jahr 2000.“ Zu diesem Schluss kommt der Jahresbericht des Taub-Centers, eines überparteilichen Forschungsinstituts in Jerusalem.

Die Autoren warnen insbesondere davor, dass Länge und Folgen des Krieges weiterhin völlig ungewiss sind. So sei etwa zu befürchten, dass Infektionskrankheiten aus dem Gazastreifen auf Israel übergreifen. Dort herrschten derzeit sowohl ein großer Mangel an Trinkwasser als auch ein ernstes Problem mit der Hygiene und dem Abwassermangement.

Der Jahresbericht fordert zudem eine „Modernisierung der Krankenhäuser in Aschkelon, Naharia, Tiberias und Safed im Hinblick auf die Aufnahme und Behandlung von Traumaopfern“. Ziel solle sowohl eine höhere Kapazität für Traumata im allgemeinen, als auch eine Entlastung der Krankenhäuser im Süden Israels im speziellen sein.

Die Seelen zerbrochen

„Manchmal halte ich inne und wünsche mir, dass mich jemand von diesem Alptraum aufweckt.“ Sapir Biton ist Psychiaterin in der Soroka-Klinik. Sie selbst lebte im Kibbutz Eres, nur einen Kilometer vom Gazastreifen – doch hat sie ihr Zuhause seit Kriegsbeginn kaum noch betreten. „Ich sage zu meinen Patienten hier immer, dass wir zusammen da durch gehen“, meint Biton.

Doch auch sie als Profi ist in diesen Tagen auf seelische Hilfe angewiesen. „Unsere Seelen wurden in eine Million Stücke zerschlagen. Nach dem Krieg werden wir viel Hilfe brauchen, um zu heilen.“ Unterstützung hat sie bei „Kochavim“ (Hebräisch für Sterne) gefunden, einer Initiative, die Psychiater und Anästhesisten in der geografischen Peripherie Israels betreut. „Kochavim hat uns eine Gemeinschaft gegeben. Das sind die Leute, auf die ich mich verlassen kann. Es hilft mir zu verstehen, dass wir das überleben können.“

10.000 Trauma-Patienten erwartet

Mitte Dezember befasste sich auch der Arbeits- und Sozialausschuss der Knesset mit den gesundheitlichen Folgen des Krieges. „Wenn wir keine zusätzlichen Ressourcen und Standards bekommen, werden wir nicht in der Lage sein, alle zu versorgen“, erklärte Limor Luria, Vertreterin der Rehabilitationsabteilung des Verteidigungsministeriums. Seit Kriegsbeginn habe ihr Team bereits 2.816 neue Patienten behandelt. 18 Prozent davon litten an psychischen Problemen.

Der Leiter der Organisation für behinderte Veteranen der israelischen Armee, Idan Kleiman, pflichtete ihr bei. Der aktuelle Konflikt sei „anders als alles, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir rechnen mit etwa 10.000 Fällen von Posttraumatischen Belastungsstörungen.“

Eine neue Klinik für die Hauptstadt

Auch in Sachen Rehabilitationsbetten war Israel dem Krieg nicht gewachsen. Nach Angaben der „Times of Israel“ verfügte das Land zu Kriegsausbruch am 7. Oktober über gerade einmal über 780 davon. Das sind etwa 0,5 pro 1.000 Personen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 2,0 Rehabilitationsbetten pro 1.000 Personen. Am engsten sei die Situation dabei in Jerusalem, wo derzeit nur ein einziges Krankenhaus überhaupt ein Rehabilitationszentrum anbieten kann.

Doch zugleich kommt auch eine gute Botschaft aus der Hauptstadt: Auf dem Gelände der Hadassah-Klinik auf dem Jerusalemer Skopusberg entsteht zur Zeit eine neue Einrichtung, die schon in wenigen Monaten einsatzbereit sein soll. Sie soll über die neuesten und fortschrittlichsten Rehabilitationsbehandlungen und Geräte für Atemwegs- und Sprachtherapien sowie neurologische und orthopädische Rehabilitation verfügen.

Foto: Valentin Schmid
In Jerusalem steht ein neues Rehabilitationszentrum kurz vor der Fertigstellung

„Wir haben natürlich nicht erst am 7. Oktober begonnen, das Gebäude zu bauen“, sagt Tamar Elram, Direktorin der Hadassah-Klinik auf dem Skopusberg. „Wir bauen es seit fünf Jahren und haben es seit über zwei Jahrzehnten geplant. Jetzt ist es zu einer nationalen Notwendigkeit geworden.“

Valentin Schmid studiert derzeit an der Hebräischen Universität Jerusalem.

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9 Antworten

  1. Wie wunderbar könnte der Herr Jesus, all den Leidenden helfen. Es gibt keinen besseren „Therapeuten“ als den Sohn Gottes! Wenn doch diese Wahrheit bei Christen und Juden durchdringen könnte.
    Lieber Gruß Martin

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    1. @Untertan
      Dessen sind wir sicher: der Sohn Gottes hat seine Therapeuten-Ausbildung in Würzburg mit den besten Noten abgeschlossen.

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      1. Und ging bei Artur Katz in die Schule.
        Sorry, Jeshua, DU wirst für alles missbraucht.
        Sogar Hl. Abend in Bethlehem mit Hamas Tuch in der Krippe. Sehr heilend, Martin.
        Manche sogenannten Christen kennen keine Schriften.

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    2. Weil ja immer wieder Arthur Katz erwähnt wird, seine Predigten, seine Aussagen erfüllen sich gerade HEUTE!
      Lieber Gruß Martin

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  2. Viel Lob ans Hadassa-Klinikum. Wie immer, sehr weitsichtig geplant, ein Fall zum Nachahmen!

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  3. Trotz aller guten Prophezeiungen für die Zukunft, zeigt die Situation deutlich: Wir leben in einem Trauma. Es ist die Zeit der Finsternis, die Ereignisse sind in Israel schwer zu verarbeiten, und auch sonst in der Welt gibt es wenig Hoffnung, siehe Putin-Krieg und die Chinesischen Machenschaften. Die Zeit kann eigentlich nur besser werden…

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  4. Therapeuten gibt es viele mit systematischen Ausbildungen für den Körper, Geist und Seele und Jeshua ist garantiert nicht gegen fundierte Kenntnisse … Dazu hat Gott uns ja berufen und das macht den Menschen im besten Fall aus. Möge es gelingen, den Traumata zu begegnen und möge viel Unterstützung auch aus dem Ausland kommen! JESHUA nimm dich der Leidenden an im Heiligen Land!

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