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Hier schlägt Jerusalems Herz

Der Mahane-Jehuda-Markt ist eines der Wahrzeichen Jerusalems, er blickt auf eine wechselvolle Geschichte. Seit seiner Gründung während der osmanischen Herrschaft über Palästina hat er beträchtliche Veränderungen erfahren.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Mahane Jehuda, Hebräisch für „Lager von Juda“, ist ein Stadtviertel in Jerusalem. Gegründet wurde es 1887 auf der Nordseite der Jaffastraße von drei Geschäftspartnern: Johannes Frutiger (1836–1899), gläubiger Protestant und Besitzer der größten Bank im osmanischen Palästina und den beiden Juden Schalom Konstrum und Joseph Navon (1858–1934).

Das Viertel wurde im Gedenken an Navons Bruder Jehuda benannt, denn dieser war jung verstorben. Der Geschäftsmann Navon war zudem auch der Mann, der hauptsächlich für den Bau der Eisenbahnlinie Jaffa-Jerusalem verantwortlich war.

Zum Zeitpunkt der Gründung des Viertels lagen auf der Südseite der Jaffastraße lediglich zwei Gebäude. Im Osten befand sich ein historisches zweistöckiges Gebäude mit der Hausnummer 107, einst Residenz von Noel Temple Moore, dem damaligen britischen Generalkonsul. 1920, als die britische Mandatsregierung über Palästina in Kraft trat, wurde das Wohnhaus in eine Polizeistation umgewandelt. Nach der Gründung des Staates Israel 1948 wurde der Polizeistation die Fundbüroabteilung des Bezirks Jerusalem hinzugefügt.

Das Gebäude ist leicht durch die beiden Steinlöwen zu identifizieren, die ursprünglich den Eingang in der das Grundstück umgebenden Mauer flankierten. Während der Infrastrukturarbeiten für den Bau der Jerusalemer Stadtbahn mussten die Mauer und der Vorgarten entfernt werden, um Platz für die Verbreiterung der Straße und des Gehwegs zu schaffen. Heute stehen die Löwensäulen neben dem Eingang des Gebäudes.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Einer der beiden Löwen an der Polizeistation

Im Westen liegt das 1885 gegründete Viertel Beit Ja‘akov. Das Mahane-Jehuda-Viertel entstand auf einem Grundstück der Bank Frutiger, die weitere Grundstücke in der Stadt besaß. Um Käufer anzulocken, versprach eine von Joseph Navon aufgegebene Anzeige den ersten 50 Familien, kostenlos ein Grundstück erwerben zu können unter der Bedingung, dass sie ihre Häuser innerhalb von sechs Monaten bauen.

Erfüllten sie diese Bedingung nicht, müssten sie Navon einen erheblichen Betrag für das Grundstück bezahlen. Reaktionen auf die Anzeige blieben aus, niemand antwortete.

Zweiter Plan attraktiver

Fünf Jahre später legte das Konsortium des Schweizer Bankiers Johannes Frutiger und seiner jüdischen Partner Navon und Konstrum einen weiteren Plan vor: Nun sollte das Viertel verkauft werden. Der neue Plan sah vor, dass jeder Hauskäufer 25 Napoléons im Voraus für das Grundstück und die restlichen 150 Napoléons der Kosten in Raten über einen Zeitraum von 15 Jahren zu einem Satz von 10 Napoléons pro Jahr zahlte.

Diese Vereinbarung erwies sich als weitaus attraktiver. Im September 1887 unterzeichneten 39 Käufer einen Haus-Kaufvertrag, weitere sollten folgen. Das Israel-Museum in Jerusalem hat eine Napoléon-Münze in seiner Kollektion.

Europäische Goldmünzen im Osmanischen Reich üblich

Der Münzname Napoléon bezeichnet eine französische Goldmünze zu 20 Francs (Napoléon d’or), die ab 1803 unter dem Konsulat und dem Ersten Kaiserreich Napoleons I. und vorwiegend unter Napoleon III. ab 1853 geprägt wurde. Sie gehörte zu den wichtigen Münznominalen der Lateinischen Münzunion, deren Mitglied die Schweiz war. Im schweizerischen Glarnerland wurde Ende der 1940er Jahre noch mit Napoléon gerechnet.

Während des Osmanischen Reichs, das seit dem Ende des späten 19. Jahrhundert große Finanzprobleme hatte, ist der Gebrauch europäischer Goldmünzen üblich gewesen. Dies trifft besonders in den entfernten Provinzen wie Palästina zu.

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Bis Ende 1888 waren um die 50 Häuser entstanden, ab den späten 1920er Jahren zog das Viertel besonders jüdische Einwanderer der Arbeiterklasse aus Kurdistan, Bagdad und Aleppo an, die in ihre neue Heimat ihre traditionelle jüdisch-arabische Küche mitbrachten. Eine Volkszählung verzeichnete mittlerweile 152 Familien mit insgesamt 512 Personen in Mahane Jehuda.

Eine weitere Volkszählung von 1938 ergab, dass nun 600 Personen in dem Viertel lebten. Ursprünglich von Bewohnern der oberen Mittelschicht bewohnt, entwickelte es sich ab Ende der 1920er Jahre zu einem Arbeiterviertel. Heute ist das Viertel Teil von Nachlaot. Der Mahane-Jehuda-Markt, von Einheimischen meist nur Schuk, hebräisch für Markt, genannt, hat sich im Laufe der Jahre von einem kleinen Nachbarschaftsmarkt zu einem geschäftigen Marktplatz mit über 250 Händlern entwickelt.

Kein Interesse bei osmanischen Herrschern

Die osmanischen Herrscher hatten weder Interesse am Markt noch daran, eine Infrastruktur im Viertel zu entwickelten, wie etwa Entwässerungsgräben. Diese Haltung sollte sich unter den Briten deutlich ändern. Ronald Stores, erster britischer Gouverneur von Jerusalem, erkannte das wirtschaftliche Potential des Schuk und auch seine spezielle Atmosphäre.

Stores beauftragte den Stadtplaner Charles Robert Ashby und einen Architekten, Entwicklungsvorschläge für den Markt zu entwerfen. Ashbys Plan umfasste dringend benötigte Infrastruktur, wie eine ordnungsgemäße Abwasser- und Müllentsorgung, Beleuchtung und fließendes Wasser. Zudem sah er einen großen Markt vor, der auf beiden Seiten von Mauern umgeben war.

Er schlug Stores Tore im orientalischen Stil mit Kuppeln vor, die gut zu anderen Entwürfen aus der Mandatszeit passten. Doch Budgetbeschränkungen verhinderten die Realisierung der ambitionierten Pläne und der Markt fristete weiterhin ein unterentwickeltes und baufälliges Dasein. Doch immer mehr Einheimische begannen, für ihre Einkäufe zum Mahane-Jehuda-Markt zu strömen. Das registrierte auch die Etz-Chaim-Jeschiva und wurde aktiv: Inmitten des Marktes errichtete sie eine Reihe von Läden, kassierte die Laden- und Standmiete von den Händlern und konnte so das Einkommen der Talmudschule steigern.

Pilgerherberge mit Sonnenuhr

Das Gebäude der Jeschiva wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Schneider Levy als Pilgerherberge erbaut. Markant ist ihre Sonnenuhr, sie wurde 1908 von Mosche Schapiro gebaut, der die Grundlagen der Astronomie aus dem Astronomie- und Ingenieursbuch des Wilnaer Ga’on aus dem 18. Jahrhundert erlernte. Mechanische Uhren auf beiden Seiten zeigen die Zeit in Europa und die Ortszeit an.

Obwohl die Briten Ashbys Vorschläge nicht umsetzten, forderten sie die Händler auf, die heruntergekommenen Stände zu renovieren und die Hygiene im Schuk zu verbessern. Händler, die dort Gebäude besaßen, mussten keine Miete, dafür aber hohe Steuern zahlen und Gesundheitsinspektionen bestehen. Es gab auch Mieter, die diesen strikten Regeln nicht unterlagen, sie konnten die Verkaufspreise der Konkurrenz unterbieten und so viele weitere Kunden gewinnen.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Gläubige an einem Nachmittag beim jüdischen Mincha-Gebet vor dem Jeschiva-Gebäude mit der Sonnenuhr

1930 kamen schließlich alle Händler des Marktes zusammen und erwarben mit finanzieller Unterstützung des Stadtkomitees ein Stück Land südlich der HaAgas-Straße, wo sie einen neuen Markt errichten. Aber auch hier machten ihnen die Briten das Leben schwer, indem sie umfangreiche Anforderungen hinsichtlich des Erscheinungsbildes der Geschäfte stellten.

Etwa ein Jahr nach dem Bau des neuen Marktes beschlossen 20 Händler und Standbesitzer, sich an das Stadtkomitee zu wenden und finanzielle Hilfe für den Bau eigener permanenter Geschäfte zu beantragen. Trotz anfänglichen Widerständen seitens anderer Händler wurde westlich des ersten Marktes ein weiteres Stück Land erworben, wo 1931 ein zusätzlicher Markt eröffnete. Viele seiner Händler waren jüdische Einwanderer aus dem Irak – diese Gegend ist noch heute als der Irakische Markt bekannt.

Während des israelischen Unabhängigkeitskrieges von 1948 spielte der Mahane-Jehuda-Markt eine zentrale Rolle, denn er war eine wichtige Versorgungsroute für die jüdischen Streitkräfte, die zur Verteidigung Jerusalems kämpften. Die strategische Lage des Marktes zwischen den jüdischen und arabischen Vierteln machte ihn zum Ziel arabischer Scharfschützen. Die Händler trotzten der Lebensgefahr, blieben und verkauften während des gesamten Krieges ihre Ware. Der Mahane-Jehuda-Markt wurde zum Inbegriff der jüdischen Widerstandsfähigkeit und der Entschlossenheit Israels.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Getrocknete Früchte …
Foto: Gundula M. Tegtmeyer
… oder orientalische Süßwaren …
Foto: Gundula M. Tegtmeyer
… oder frisches Gemüse …
Foto: Gundula M. Tegtmeyer
… der Markt hat ein vielfältiges Angebot vorzuweisen

Heute erstreckt sich der Mahane-Jehuda-Markt über ein weitläufiges Gebiet. Im Laufe der Zeit gab es viele Projekte und Initiativen, die dem Markt zugutekamen. Trotz turbulenter Zeiten und vieler Veränderungen konnte der Schuk seine spezielle Atmosphäre bewahren, eine Symbiose aus Historischem mit Moderne schaffen.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Der Mahane-Jehuda-Markt ist bei Einheimischen und Touristen beliebt

Der Markt wird vom Machane-Jehuda-Management beaufsichtigt, das sich aus Vertretern der Händler zusammensetzt. Das Managementteam ist für sie verantwortlich und steht in ständigem Dialog mit dem Jerusalemer Rathaus, dem Gesundheitsministerium und weiteren relevanten Regierungsstellen. Und man geht mit der Zeit, nutzt die technischen Errungenschaften, viele Händler bieten ihre Ware auch online an. Zudem hat der Markt eine eigene App, sie informiert über Veranstaltungen.

Authentischer Eindruck der Kultur

Der Schuk ist berühmt und bei Einheimischen wie Touristen gleichermaßen beliebt für sein breites Angebot an frischen Produkten, Gewürzen, Back- und Süßwaren und vielen weiteren lokalen Spezialitäten. Er bietet einen authentischen Eindruck der Kultur und Küche der Stadt. Neben Lebensmitteln säumen die Marktgassen auch eine Vielzahl von Geschäften, die Kleidung, Schmuck und Souvenirs verkaufen.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Auch Cafés und Bars gehören dazu

Die lebhafte Atmosphäre des Marktes wird durch Straßenkünstler, Musiker und Unterhaltungskünstler ergänzt. Seine Bars, Restaurants und Musikclubs sind beliebte Treffpunkte und eine Bereicherung für das Jerusalemer Nachtleben. Der Mahane-Jehuda-Markt ist weit mehr als ein Ort des Einkaufens und Verkaufens von Waren: Der Schuk ist ein Schmelztiegel und Zentrum sozialer Interaktion, ein Symbol der Vielfalt Jerusalems.

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15 Antworten

  1. Oh, wie ich diesen Markt liebe. 3x in Israel und nie Mahane Jehuda-Markt ausgelassen. Alles, was das Herz und Magen begehrt. An den Süß-und Backwaren kommt keiner vorbei ohne zu probieren und zu kaufen. Habe dort vor Jahren meinen ersten Granatapfel gegessen und die Datteln waren die besten. Tolle Atmosphäre! Ich komm da aus dem Schwärmen nicht mehr raus.😋 Und alle Verkäufer wahnsinnig nett.

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  2. Ich liebe diesen Markt, da geht es mir wie Ella.

    Aber irgendwas kann nicht passen:
    „Die osmanischen Herrscher hatten weder Interesse am Markt noch daran, eine Infrastruktur im Viertel zu entwickelten, wie etwa Entwässerungsgräben.“ Also Brigitte sagt, es war alles wunderbar. Es war alles ausgebaut. Es gab blühende Landschaften.Und nun das hier?

    „Obwohl die Briten Ashbys Vorschläge nicht umsetzten, forderten sie die Händler auf, die heruntergekommenen Stände zu renovieren und die Hygiene im Schuk zu verbessern.“Ja, das hat man ihnen nicht sagen müssen, wo sie doch blühende Landschaften hatten und es war doch alles bestens bestellt.

    „1930 kamen schließlich alle Händler des Marktes zusammen und erwarben mit finanzieller Unterstützung des Stadtkomitees ein Stück Land südlich der HaAgas-Straße, wo sie einen neuen Markt errichten.“

    Von wem gekauft? Also unsere Spezialisten hier, behaupten, dass das ganze Land den Palästinensern gehörte. Sie waren also so reich, dass ihnen ihr Land gehörte und hier muss man zusammenlegen und braucht auch noch die Obrigkeit zur Finanzierung?

    Alles etwas seltsam. Bin auf die Erklärungen unsere beiden Superspezialisten gespannt.

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  3. Genau so ergiengs mir. Ich war allein ohne meine Reisegruppe dort,Freitagnachmittag. Kann weder englisch noch hebräisch, hab mich blendent mit denen verstanden,soger was gekauft. Wenn ich gefragt wurde sagte ich“ Tourist from Germany“ da flippten sie alle fast aus, 3 Jungs musste ich Fotografieren. Sie sagten dann immer Germany god Land, and Israel? Ich antwortete immer Israel wonderful Land. Vormittags waren wir in der Holokaustgedenkstätte und am Nachmittag das, ich war überwältigt. Als wir dann Zuhause auf einem Markt waren, hatt´s mich direkt gefroren.

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    1. @JSR
      Ja, unsere Märkte kann man nicht damit vergleichen. Dieses Angebot, diese Farben und Gerüche, immer alles so schön aufgetürmt, diese Freundlichkeit.
      Israel eben! 🇮🇱
      @ Ja Christin und Gaza könnte das alles auch haben, wenn sie nicht den Tunnelbau finanziert hätten. Ein blühendes Land haben die Israelis nicht zerbombt. Seit vielen Jahren wurde es immer karger im Gazastreifen. Die Millionenhilfe fand in den Katakomben Einsatz. Wie es den Menschen ging (in den Flüchtlingslagern) war Hamas egal.

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    2. Die freundliche Aufnahme deutscher Besucher in Israel kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, Sie hat mich schon bei meinem ersten Aufenthalt – lang ist’s her – tief berührt. Ich werde nie vergessen, wie mich eine Überlebende der Shoah umarmte und „mei Schatzele“ nannte. Seitdem liebe ich dieses Land und dieses wunderbare Volk. Und ja, I stand with Israel, für immer.

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  4. Shalom,-Ella@-ich kann Deine Meinung nur unterstützen.Jedes Mal wenn ich in Israel bin oder war war ich dort.Die Atmosphäre ist zauberhaft und fast unbeschreiblich.Einfach super.Einfach JERUSALEM! Shabbat Shalom allen hier und der Redaktion (ausser L). Jerusalem

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    1. @Jerusalem
      Irgendwann fahren mein Mann und ich auch nach Israel. Das ist ein Traum von uns. Und dann gehen wir auch auf den Markt. Das ist dann absolut etwas für meinen Mann!😃 Halte dich gerade! Du bist ok!
      Shabbat Shalom!🇮🇱🇮🇱🙋‍♀️

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  5. Danke für den Bericht. Der Mahane-Jehuda-Markt ist für Einheimische wie Touristen eine wichtige Attraktion.
    Es zeigt erneut, wie vielfältig die Heilige Stadt Jerusalem ist.

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  6. Schließe mich an. Ich mag den Jehuda Markt.
    20. Dezember sind wir wieder im Herzensland.
    Shabbat Shalom✡🍋🍇🍉🍊🥖🧄🌮🥒🌽🍅

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  7. Kenne ich gut, ist nicht anders als auf einem Bazaar,die gleichen Aromen und Gerüche, die gleiche Vielfalt an Waren, Menschen und Farben, das gleiche Kauderwelsch und Geschnatter,ein herrliches Durcheinander und doch ist irgendwie Ordnung drin ,ich mag es. Wenn es doch nur im Grossen genauso ginge.
    SHALOM

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