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Emanuel Rund – Der Mann hinter dem Gedenktag

Am 27. Januar begeht die Welt den „Internationalen Tag zum Gedenken an den Holocaust“. Bis dahin war es ein weiter Weg. Den Anstoß gab ein israelischer Sohn deutscher Juden.
Von Carmen Shamsianpur

Am 3. Januar 1996 rief der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum offiziellen „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ aus. Seither ist der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau in Deutschland ein regelmäßiger, bundesweit gesetzlich verankerter Gedenktag. Im Schatten Herzogs steht ein Mann, dessen unermüdliches Drängen die treibende Kraft hinter der Initiative war: Emanuel Rund.

Der Vater Publizist

Der heute 78-jährige Filmemacher hat ein bewegtes Leben hinter sich. 1946 wurde er als Kind deutscher Juden in Jerusalem geboren, erzählt Rund im Gespräch mit Israelnetz. Sein Vater stammte aus Berlin, wo die Familie noch 1910 eine Suppenküche für verarmte Berliner organisierte. Die Mutter kam aus dem Städtchen Leer in Ostfriesland. In Jerusalem gründeten die beiden eine Familie. Über die Zeit dazwischen erfuhr der Sohn lange nichts.

Runds Vater verteidigte Jerusalem im Unabhängigkeitskrieg 1948. Er schleppte Säcke voll Mehl zur Versorgung der Bevölkerung in die belagerte Stadt. Seine Erinnerungen hielt er schriftlich fest. Dabei schweifte sein Blick immer über den autobiografischen Tellerrand. Sein übergeordnetes Interesse galt deutschen Juden im Kampf um den jüdischen Staat und seine Hauptstadt. Später schrieb er für deutschsprachige Zeitschriften in Israel.

Schweres Erbe

Sein Sendungsbewusstsein gab der Vater schon früh an den kleinen Emanuel weiter. Er erzählte ihm viel über die Rolle deutscher Juden in Israel. Die Geschichte seiner Familie erwähnte er jedoch nie. Der Vater verschwieg, dass er alle seine Angehörigen und seine erste Frau im Holocaust verloren hatte. Sie war damals schwanger mit seinem ersten Kind.

Stattdessen besuchte er mit seinem siebenjährigen Sohn das Holocaustmuseum in Israel, einen Vorläufer der Gedenkstätte Yad Vashem. Rund erinnert sich, damals „die Seife“ und „den Lampenschirm“ gesehen zu haben. „Wahrscheinlich wusste mein Vater, dass er nicht mehr lange leben würde“, begründet Rund den frühen Zeitpunkt. „Er starb, als ich zehn war.“ Der Vater wollte sichergehen, dass sein Sohn „die Erinnerung bewahren und weitergeben“ würde. Das geschah.

Ein Teenager beim Eichmann-Prozess

Rund begleitete bereits als Teenager die verwobenen Geschichten Israels und Deutschlands mit großem Interesse. Als 15-Jähriger schwänzte er die Schule, um den Prozess gegen Adolf Eichmann zu verfolgen. Mit einem kleinen Transistorradio, das er sich aus Deutschland bestellt hatte, versteckte er sich auf dem Schulhof und lauschte den Zeugnissen der Überlebenden.

„Irgendwann dachte ich: Warum mit dem Transistor?“, erzählt Rund. Schließlich befand er sich in unmittelbarer Nähe zum „Haus des Volkes“, wo das Bezirksgericht tagte. Er kannte die Staatsanwältin und andere Beteiligte aus der Nachbarschaft. Tatsächlich gewährte man ihm Einlass. „Oft saß ich da und habe die Überlebenden gehört und Eichmann in seiner Glasbox gesehen“, erinnert er sich. „Ich war der einzige Junge dort.“

Der Teenager im Gerichtssaal fiel auf. Bald hatte er Kontakt zu wichtigen Leuten. Leo Hurwitz kam auf ihn zu, dessen Dokumentarfilm über den Eichmann-Prozess später um die Welt ging. Er machte Rund mit Hannah Arendt bekannt. Die deutschstämmige Theoretikerin traf sich mehrmals mit Rund in einem Café in Jerusalem. Von ihm erhielt sie Auskunft über viele ihrer alten Freunde, da Rund zahlreiche Familien deutscher Immigranten kannte. Arendt war in die USA emigriert.

Fehlende Aufarbeitung in deutschen Familien

In den darauffolgenden Jahren schlug Rund eine Laufbahn als Regisseur ein. 1968 war er Mitbegründer des israelischen Fernsehens. Neben Jerusalem lebte er auch in New York und München.

Mit Deutschland blieb er eng verbunden. Er beherrscht die deutsche Sprache. 1984 besuchte er zusammen mit seiner Mutter deren Heimatort in Ostfriesland. Die Aufarbeitung seiner eigenen Familiengeschichte begann. Er begleitete sie filmisch. Bei den Dreharbeiten für seinen ersten Dokumentarfilm in Leer fielen ihm junge Deutsche auf, die offensichtlich mit ihrer eigenen Geschichte haderten.

„Ich habe viel junge Deutsche getroffen, die mit psychischen Problemen kämpften, weil sie nicht wussten, was ihr Großvater gemacht hat“, erzählt er. „Ich wusste: Die müssen Juden treffen. Am besten in Jerusalem. Denn dort sind die Juden sehr offen und haben kein Problem, junge Deutsche zu treffen.“

Rund organisierte in Jerusalem ein Treffen mit ungefähr 20 Holocaustüberlebenden aus Leer, dazu etwa 60 Personen der zweiten Generation. „Inklusive mir selbst, denn meine Mutter stammte ja aus Leer.“ Mittlerweile hat Rund bei Hunderten Dokumentar- und Spielfilmen mitgewirkt oder selbst Regie geführt.

Fehlendes Gedenken in Deutschland

Je mehr sich Rund mit der Geschichte in Deutschland beschäftigte, desto mehr fiel ihm das fehlende Gedenken in der deutschen Politik und Gesellschaft auf. Israel führte 1951 mit dem Jom HaScho’ah einen gesetzlichen Gedenktag für die Opfer des Holocaust ein. Damals war Deutschland zu einem solchen Schritt noch lange nicht bereit. Rund nutzte seine Kontakte, um die Idee eines deutschen Gedenktages immer wieder vorzubringen. In den Neunzigerjahren intensivierte er seine Bemühungen. Unermüdlich kontaktierte er Politiker mit seinem Anliegen.

Schließlich erhielt er die Antwort, dass Bundespräsident Herzog sich des Themas angenommen habe. Als dieser den neuen Gedenktag offiziell ausrief, war Emanuel Rund Ehrengast im Bundestag. Dan Gillerman, Israels ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen von 2003 bis 2008, setzte sich anschließend für die internationale Verbreitung des Gedenktages ein. 2005 entschieden die UN, den 27. Januar zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ zu machen.

In Deutschland gibt es an diesem Tag Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden. Staatliche und private Initiativen machen auf die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus aufmerksam. Der Bundestag hält eine Gedenkstunde ab. Ein Erfolg? Bei der Einsetzung des Gedenktages 1996 war Rund zu Tränen gerührt. Aber er bemerkt: „Auf den deutschen Straßen scheint am 27. Januar niemand zu wissen, dass es sich um einen Gedenktag handelt. In Israel ist das anders.“

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10 Antworten

  1. „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“

    Ich werde morgen vor allem an Russland denken. Dieses Land hatte die meisten Opfer des Nationalsozialimus zu beklagen und es war die Rote Armee, die das KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 befreit hat.

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    1. Gedanken an die Sowjetunion haben für mich einen starken Beigeschmack. Es stimmt, dass sie die meisten Opfer im 2. Weltkrieg hatten. Die Sowjetunion hat aber auch gegen Polen kräftig ausgeteilt und viele polnische Offiziere ermordet.
      Eine Aufarbeitung der russischen Kriegsverbrechen hat meines Wissens bis heute nicht stattgefunden.
      Die Sowjetunion hat auch nicht den polnischen Aufstand unterstützt, sondern am anderen Weichselufer abgewartet, bis dieser von den Deutschen niedergemacht wurde.

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      1. @Martin
        Kann man die Kommunisten einsperren für das wie sie gemacht haben? Nein. Warum denn nicht? Alles was sie gemacht haben, war gut gemeint…

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  2. „Auf den deutschen Straßen scheint am 27. Januar niemand zu wissen, dass es sich um einen Gedenktag handelt. In Israel ist das anders.“

    Wer will an die eigenen Verbrechen erinnert werden?
    Wie geht man gesund damit um?
    Gott sei Dank ist der Weg zum Kreuz immer offen!

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    1. „Wer will an die eigenen Verbrechen erinnert werden?“

      In Israel ist das Gedenken an die Nakba sogar verboten.

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      1. Die Nakba ist die Katastrophe, die sich die arabischen Führer und auch ein größerer Teil der arabischen Bevölkerung zum allergrößten Teil selbst eingebrockt haben.

        10
      2. An dem die Araber natürlich vollkommen unschuldig waren. Arme Opfer. Zynismus Ende.

        5
  3. IGH ordnet keinen Stopp des Gaza-Einsatzes an
    26.01.2024 | 14:05

    Auch wenn daß jetzt nicht zum Thema oben gehört, aber Gott JHWH ist nicht Tod Er lebt und erhört Gebete. Todah raba ewiger Aba Gott JHWH im Himmel ich preise Deinen Heiligen Namen und deine Größe und deine Herrlichkeit. Amen B’shem Jeshua

    Shabbat Shalom nach Jerusalem und den Soldaten im Gaza Gott behüte euch!
    ❤️ Grüße Isabella

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  4. Am 27. Januar begeht die (kleine) Welt den „Internationalen Tag zum Gedenken an den Holocaust. Die große Welt der Judenhasser, Kommunisten und Islamisten, ist der 27. Januar ein Tag der Freude.

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  5. Das Gedenken an die Toten ohne handfeste Liebe zu den lebenden Juden ist zu wenig. Die Unverbesserlichen werden wir nicht ändern. Aber an der Seite Israels stehen und helfen, wo es geht, das können und sollen wir. Dann ist auch das Gedenken authentisch.

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