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Der Jude, der Hitlers V2 fand

Als Partisan leistete Leonid Berenshtein Großes, nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er in Vergessenheit. Ein israelischer Regisseur holt seine spannende Geschichte aus der Versenkung. Eine Rezension
Von Jörn Schumacher

Von der V2, der „Wunderwaffe“ Adolf Hitlers, hat jeder sicher schon einmal etwas gehört. Aber wer weiß schon, dass ein jüdischer Partisan aus der Ukraine die Herstellungsstätte der V2 in Polen aufspürte – und damit viele Menschenleben rettete? Ein israelischer Film erzählt diese spannende Geschichte nun nach.

„Berenshtein“ heißt der Film des israelischen Regisseurs Roman Shumunov. Er verwebt Spielfilm-Sequenzen mit dokumentarischen Szenen, in denen er den echten Leonid Berenshtein, den unbekannten Helden, interviewte. Der Titel der deutschen Ausgabe, die am 4. November auf DVD und Blu-ray erscheint, sagt etwas mehr aus: „Der letzte Partisan – Die wahre Geschichte des Leonid Berenshtein“. Der Film ist ein Denkmal für all jene Partisanen, die in der damaligen Sowjetunion im Untergrund gegen die Nazis kämpften.

Leonid Berenshtein wurde als Jude auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geboren. Als Anführer einer Partisanengruppe leistete er wirkungsvoll Widerstand gegen die deutschen Nazis. Doch der Höhepunkt seines Erfolges fand im Südwesten Polens statt: Ihm und seiner Gruppe gelang es im Sommer 1944, die Fabrik der Deutschen zum Bau der V2, der „Wunderwaffe“ Hitlers, zu finden. Die Informationen darüber konnten dann an die alliierten Truppen weitergegeben werden, und die Zerstörung der Produktionsstätte verhinderte, dass weitere tödliche Waffen dieser Art auf England abgeschossen wurden. Die Forschungsarbeit an der „Vergeltungswaffe“ gab später der Raumfahrt sowohl in der UdSSR als auch in den USA einen bedeutenden Anschub.

Diese spannende Geschichte hat bisher kaum jemand nacherzählt. Außer Leonid Berenshtein selbst – mehrere Bücher schrieb er über seine bewegende, und vor allem für den Kriegsausgang bedeutende Lebensgeschichte. Er habe sich in Israel immer missachtet gefühlt, sagte Berenshtein, der Held, der zuletzt in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Kiriat Ata im Norden Israels lebte. Als der israelische Regisseur Roman Shumunov den 95-jährigen Veteranen in seiner Wohnung traf, habe kein Mensch von ihm gewusst, berichtet er. Nicht einmal seine Nachbarn.

Schreckenswaffe für die Bewohner Londons

Erstaunt darüber, dass auch in Israel kaum jemand Berenshteins Geschichte kannte, beschloss der Regisseur Roman Shumunov, einen Film über ihn zu drehen. Der zeigt Berenshteins Beteiligung an einer Gruppe ukrainischer Untergrundkämpfer, deren hauptsächliches Ziel es war, Versorgungszüge der Nazis zu sabotieren. „Jedes Mal, wenn ich einen Deutschen tötete, hatte ich das Gefühl, dass ich damit Menschenleben rette“, sagt der alte Berenshtein im Film.

Dass er Jude ist und einen jüdischen Namen hat, hielt Berenshtein geheim. Unter seinen Mitstreitern hieß er nur Vasiliev. Berenshtein wird Kommandeur der Truppe. Viel Schlimmes muss diese Gruppe mit ansehen, etwa wie die deutschen Soldaten die Bewohner eines ganzen Dorfes in eine Scheune treiben und diese dann anzünden.

Im Jahr 1944 bat der britische Premierminister Winston Churchill den Obersten Befehlshaber der Roten Armee, Josef Stalin, darum, bei der Suche nach der V2-Fabrik zu helfen. Zu dieser Zeit bombardierten die Deutschen bereits London mit dieser völlig neuen Waffe. Die Überschall-Rakete löschte in wenigen Augenblicken ganze Stadtteile aus, und die Bevölkerung konnte sie nicht wie andere Raketen zuvor im Anflug hören. Die Raketen sorgten daher in England für Angst und Schrecken, Tag und Nacht.

Durch seine Führungsstärke bei den Partisanen bekannt geworden, wurde Berenshtein dazu auserkoren, mit einem kleinen Bataillon die Fabrikationsstätte der V2 in Polen zu suchen. Nach der Bombardierung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde in Norddeutschland verlegten die Nazis die Produktions- und Ausbildungsstätte des „Aggregat 4“ – wie die „Vergeltungswaffe V2“ auch genannt wurde – nämlich in den Südwesten Polens.

Bereshtein und seiner Gruppe gelang das fast Unmögliche: Nur anhand von vagen Hinweisen der Landbevölkerung und eines französischen KZ-Überlebenden grenzten sie die infrage kommende Region immer weiter ein. Von diesem zweiten wichtigen Teil im Leben Bereshteins zeigt der Film allerdings eher wenig – auch eine V2 bekommt der Zuschauer nicht zu Gesicht. Fast scheint es so, als sei das Budget zum Ende hin rasch ausgegangen.

Auffälliger aktueller Bezug

Dennoch zeigt der Film erfreulicherweise diesen Aspekt der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, der vielen bislang unbekannt war. Die Dreharbeiten fanden unter anderem in der Ukraine, bei Butscha und Irpin, statt. Ortsnamen, die plötzlich weltweit durch die Berichterstattung über den Angriffskrieg Russlands traurige Berühmtheit erlangten. Auch der im Film dargestellte Partisanenkampf der Ukrainer gegen den scheinbar übermächtigen Gegner bekommt hier einen auffälligen aktuellen Bezug.

Regisseur Shumunov, der in Georgien geboren wurde und mit 17 nach Israel emigrierte, sagte in einem Interview der „Times of Israel“, viele seiner Crew-Mitglieder seien Ukrainer, die begeistert waren, Bereshteins Geschichte erzählen zu können. „Es ist auch ein Teil ihrer Geschichte“, sagte Shumunov.

Nach dem Krieg heiratete Berenshtein eine seiner Mitstreiterinnen, das Paar bekam zwei Kinder. Im Jahr 1993 emigrierte die Familie nach Israel. Berenshtein starb 2019 im Alter von 98 Jahren während der Dreharbeiten zum Film. Er schrieb mehrere Bücher über das Erlebte. Doch bislang wollte keiner seine Geschichte hören. Bis jetzt.

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7 Antworten

  1. Danke für den Artikel. Ich habe über Herr Berenshtein auch nichts gewusst. Ein jüdischer Partisan.
    Die Ukraine war oft, heute wieder, ein Brennpunkt an Leid. Deutsche damals Bestien, wobei die
    Sowjet Armee nicht hinterher stand an Grausamkeiten.
    OT
    Man siehe, was sie in Schlesien an Frauen/Mädchen verursachten nach dem Krieg. Darüber wurde lange nicht gesprochen bzw. in Buchenwald.
    Wozu sind eigentlich Kriege da?

    9
    1. Und manches muss erst recherchiert werden. Ich habe gestern Abend einen Vortrag zum Thema „Die Hohenzollern und die Nazis“ gehört. Da gibt eine Reihe, in der sich die Volkshochschulen zusammentun und Vorträge bundesweit anbieten – online. War sehr interessant. Da gibt es bestimmt noch viel zu erforschen, was in der damaligen Zeit passiert ist.

      Ich wünsche dir einen gesegneten Shabbat.

      6
      1. Toda raba. Dir ein gesegnetes Wochenende.
        OT
        Heute hat UN erstmals russ. Grausamkeiten an ukrainischen Frauen und Kindern ab 4 Jahren verurteilt, Massenvergewaltigungen.
        Es macht fassungslos, dieser Schmerz.

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    2. @AIC – „Wozu sind eingentl. Kriege da?“ – Jesus sagt zu seinen Juengern, bzgl.deren Frage
      hinsichtl. Seiner Wiederkunft: – Sinngemaess: „Ihr werdet weiterhin hoeren v. Kriegen u. Kriegs-
      geschrei, . . . .bis z. Ende ds. Zeitalters …!“ – ER meinte damit Sein sichtbares Wiederkommen,
      weltweit, insbesondere f. Israel!! –
      Da wir ja bekanntl. in einer „gefallenen Schoepfung“ existieren, i. deren Bereich der „Herr ds.
      Welt“, Satan, noch das Sagen hat, ist es logisch, dass er mit seinen „Tricks“ immer wieder,
      mit „seinem Geist“ belastete Gleichgesinnte findet, die ihm willig untertan sind! –
      Im damaligen „Garten Eden“ hat ja schliesslich sein diabolischer Einfluss leider auch funktioniert!! –

      8
  2. Dann kann Israel Netzt diesen Film gerne hier veröffentlichen, sobald er da ist. Wie werden es feiern!

    7
  3. Es kann nichts Besseres passieren, als dass eine jüdische Biografie, jüdisches Leben zur Bereicherung und Erweiterung unserer Geschichtserkenntnisse beitragen. Danke für den Mut dieses Menschen, sich zu bekennen, seine Lebensgeschichte zu bewahren und zu überliefern. Danke an alle „Filmemacher“. Selten sah ich einen Film zu einem derartigen Ereignis ohne Belehrung, Hass, Häme und Selbstbeweihräucherung. Wir sollten wenigstens versuchen, daraus zu lernen!

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