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Bonhoeffer-Lied in Yad Vashem

Siegfried Fietz hat sein Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ mit dem Text von Dietrich Bonhoeffer in seiner Karriere wohl einige tausendmal in Kirchenschiffen und Veranstaltungshallen gesungen. Besonders eindrücklich in Erinnerung ist dem Liedermacher und Künstler aber eine minimalistische Darbietung vor kleinem Publikum.
Von Israelnetz

Am 27. April hat Siegfried Fietz sein wohl bekanntestes Lied gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Oliver Fietz in der „Halle der Erinnerung“ der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem vorgetragen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Die Zeilen stammen aus der Feder des Theologen Dietrich Bonhoeffer.

„Das war ein heiliger Moment“, erinnert sich Fietz an die Darbietung in kleinem Kreis. Kein Mikrofon, keine Verstärkeranlage, keine Lautsprecher. Nur eine handvoll Zuhörer einer Delegation der Weltweiten und Europäischen Evangelischen Allianz unter der Leitung von Thomas Schirrmacher, Yad-Vashem-­Offizieller und Vertreter des Internationalen Jüdischen Komitees für interreligiöse Konsultationen (IJCIC).

Siegfried und Oliver Fietz singen leise, aber fest, eine Strophe des Lieds auf Englisch, dann den Chorus auf Hebräisch. Eine weitere Strophe. Noch einmal den Chorus in der Landessprache. Bonhoeffers Verse prallen harsch und hart, mit den Klängen der Gitarre und aufgeladen durch die tonnenschweren Erinnerungen des millionenfachen Mordes an den Juden, von den Betonflächen der Gedenkstätte zurück. So schildern es Teilnehmer gegenüber Israelnetz.

Emotional herausfordernder Auftritt

Der lutherische Theologe Bonhoeffer hatte sich als Pfarrer der Bekennenden Kirche am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Adolf Hitler beteiligt. Dafür wurde er am 9. April 1945, nur vier Wochen vor Kriegsende, im Konzentrationslager Flossenbürg gehenkt. Das Gedicht „Von guten Mächten“ hatte er in seinem letzten Brief vom 19. Dezember 1944 seiner Verlobten als Weihnachtsgruß geschrieben. Als er die Zeilen aufschrieb, war er Gefangener der Geheimen Staatspolizei in den berüchtigten Kellerverliesen im Gestapo-Hauptsitz der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin.

Evangelische Allianz gegen Antisemitismus

Die Europäische Evangelische Allianz (EEA) hat der Antisemitismus-­Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (International Holocaust Remembrance Alliance/IHRA) zugestimmt. EEA-Präsident Frank Hinkelmann bekundete dies am 26. April im Rahmen einer Gedenkfeier in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Die Definition lautet: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

„Wir haben uns auf Yad Vashem vorbereitet“, erklärt Oliver Fietz im Gespräch mit Israelnetz. „Uns wurde klar, dass wir starr in eine Ecke blicken müssen, nicht auf die Anwesenden, schon gar nicht auf die Namen der Konzentrationslager auf dem Boden. Sonst bekommst du einen Kloß in den Hals und kannst keinen Ton singen.“ Daran taten sie gut, denn selbst der jüdischen Delegation wurden bei dem Chorus auf Hebräisch die Augen feucht.

Pflicht zur Verantwortung

Fietz hat den Refrain von einem Israeli in die Sprache übertragen lassen. Weil er selbst kein Hebräisch spricht, klebte er sich in Jerusalem die Zeilen in lateinischer Schrift auf seine Gitarre. Auch das Tablet, das Oliver bei der Darbietung hält, dient dazu, beim Vortrag der hebräischen Zeilen Sicherheit zu geben. Der Text in der Sprache Bonhoeffers, die aus Respekt vor den Opfern in Yad Vashem verpönt ist, und die Melodie, sind dem Künstler längst in Fleisch und Blut übergegangen.

Siegfried Fietz ist an Versöhnung mit Israel viel gelegen. Oft hat er das Land bereist. In seinen Werken geht es immer wieder um das hebräische „Schalom“ – den von Gott verheißenen Frieden. „Wir haben eine heilige Pflicht, Verantwortung zu übernehmen für diesen Teil der Geschichte“, sagt der Liedermacher, und weiter: „Wir können zwar nichts dazu, aber wir müssen heute mithelfen, die Brücken zu bauen, dass Verletzungen heilen können.“ Dazu braucht es „gute Mächte“ auf christlicher wie auf jüdischer Seite.

Von: Norbert Schäfer

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Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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7 Antworten

  1. Danke, Siegfried und Oliver Fietz.

    Zwei großartige Musiker, dass dies schwerfiel, kann ich gut nachvollziehen. Wer je in Yad Vashem war, weiß, wie emotional die Besuche dort sind.

    20
  2. „Viele Deutsche fühlen sich wegen des Holocausts schuldig. Ich bin dankbar, dass sie das tun – wie Neiman geschrieben hat, hat keine Nation mehr Verantwortung für ihre historischen Verbrechen übernommen. Aber die israelische Regierung und ihre deutschen Verbündeten haben den Deutschen gesagt, dass sie den jüdischen Staat verteidigen müssen, weil ihre Vorfahren Juden ermordet haben. Das ist analytisch und moralisch falsch. Es ist analytisch falsch, weil die im Holocaust ermordeten Juden unterschiedliche Meinungen zur jüdischen Staatlichkeit hatten. Viele waren Antizionisten, genau die Ideologie, die der Bundestag für antisemitisch erklärt hat. Es ist moralisch falsch, weil der Holocaust nicht böse war, weil die Nazis Juden (und andere) ermordet haben. Der Holocaust war böse, weil die Nazis Menschen ermordet haben, viele davon waren Juden. Wenn also die heutigen Deutschen eine besondere moralische Verantwortung tragen, weil ihre Nation das größte Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts begangen hat, dann gilt diese moralische Verantwortung nicht den Juden im Besonderen. Sie gilt der Sache der Vertreter des liberalen Zionismus und JudeMenschenwürde. Wenn also deutsche Behörden Deutsche daran hindern, sich für die Würde der Palästinenser einzusetzen – auch durch Boykotte -, dann halten sie nicht die moralische Verantwortung aufrecht, die die Geschichte auferlegt hat. Sie verraten sie.“ Peter Beinart, , hatVertreter des liberalen Zionismus, hat das heute geschrieben.

    18
    1. Viele, noch überlebende Deutsche, sind schuldig. Wurden NIE bestraft. Die paar Männeken in Nürnberg….

      4
    2. In Deutschland darf man sogar auf Demos „Juden ins Gas“ schreien und das Anzünden von Synagogen ist durch das „Recht auf Meinungsfreiheit“ gedeckt. Aber wenn eine jüd. Fahne in einem dt. Fenster zu sehen ist, da kommt die Polizei. Man könnte ja die Palästinenserfreunde beleidigen. Nicht nur im Zusammenhang einer anti-israelischen Demo passiert.

      Luley, Sie verstehen nichts, gar nichts.

      8
  3. @ ®edaktion
    Meinen lieben Dank an die Redaktion und an den Verfasser des guten Berichtes, Sie haben diesen Bericht wie aus meinem Herzen geschrieben.

    „Von guten Mächten treu und still umgeben
    Behütet und getröstet wunderbar
    So will ich diese Tage mit euch leben
    Und mit euch gehen in ein neues Jahr

    Noch will das alte unsre Herzen quälen
    Noch drückt uns böser Tage schwere Last
    Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
    Das Heil, für das du uns geschaffen hast

    Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
    Des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand
    So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
    Aus deiner guten und geliebten Hand

    Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
    An dieser Welt und ihrer Sonne Glanz
    Dann wollen wir des Vergangenen gedenken
    Und dann gehört dir unser Leben ganz

    Lass warm und hell die Kerzen heute flammen
    Die du in unsre Dunkelheit gebracht
    Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen
    Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht

    Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet
    So lass uns hören jenen vollen Klang
    Der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet
    All deiner Kinder hohen Lobgesang

    Von guten Mächten wunderbar geborgen
    Erwarten wir getrost, was kommen mag
    Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
    Und ganz gewiss an jedem neuen Tag
    Quelle: LyricFind“

    6
    1. ich war während der 2. Intifada mit einer Gruppe in Israel. Wir hatten auch israelische Gesprächspartner, einer davon wünschte sich dieses Lied von uns. Er kannte es aus Deutschland und sagte, dieses Lied trägt uns auch heute durch.

      6
  4. Ich möchte der Redaktion hier danken, dass sie schon 2 oder 3? meiner Kommentare seit Beginn meiner Kommentierung nicht veröffentlicht hat. Sie waren nicht angebracht, oder ich habe Kommentare sogar nicht richtig durchgelesen (Wie bei diesem Artikel geschehen). Es ist wohl auch leichter den Anderen zu verstehen, wie er es meint, wenn man sich gegenübersitzt. Danke!

    2

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