Der langsame Zusammenbruch von Israels sicheren Zonen

Raketenangriffe bringen Israels Schutzgebiete zum Schrumpfen. Sie hinterlassen Tausende Binnenflüchtlinge ohne Zuflucht.
Von Israelnetz
Die Küstenmetropole Tel Aviv möchte ihre Kulturlandschaft wieder aufleben lassen

Natalie Grinberg hätte nie gedacht, dass sie einmal im eigenen Land zum Flüchtling würde. Zusammen mit ihrem Mann, ihren neun Jahre alten Zwillingssöhnen und zwei Hunden floh sie aus Tel Aviv, nachdem iranische Raketen ihr Viertel getroffen hatten.

Vor einem einfachen Hotel, das nun als provisorisches Flüchtlingslager dient, reflektiert Natalie über die surreale Wendung ihres Lebens. „Wir dachten immer, die Flüchtlinge aus dem Norden und dem Gaza-Gürtel seien arme, tragische Menschen, die ihre Häuser, ihr Hab und Gut, ihre Sicherheit verloren haben … aber jetzt stecke ich selbst in derselben Lage und frage mich: Bin ich ein Flüchtling? Ist das jetzt mein Leben?“

Monatelang dienten Städte wie Tel Aviv und Ramat Gan als Zufluchtsorte für Menschen, die aus dem kriegszerstörten Norden und dem bombardierten Süden flohen. Doch die jüngsten Raketenangriffe aus dem Iran haben diese fragile Illusion zerstört. Zentralisrael ist zum Schlachtfeld geworden, und selbst die urbansten und entwickeltesten Regionen des Landes stehen unter Beschuss.

Eine Nation der Vertriebenen

Laut dem Zentrum für Kommunalverwaltung wurden rund 15.000 Menschen offiziell evakuiert, nachdem iranische Angriffe zivile Infrastruktur getroffen hatten. Die überwiegende Mehrheit – neun von zehn – stammt aus der Metropolregion Gusch Dan, zu der Tel Aviv, Petach Tikva, Ramat Gan und Bnei Brak gehören. Über 1.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört.

In einer außergewöhnlichen Wendung laden Gemeinden im bombardierten Norden – etwa Metula und Kiriat Schmona – Familien aus dem Zentrum ein, einige Tage zur Erholung zu bleiben. Trotz ihres eigenen Leids blieben diese Orte von den jüngsten iranischen Angriffen verschont.

Laut „UN Watch“ sind seit Oktober 2023 mehr als 200.000 Israelis durch wahllosen Raketenbeschuss vertrieben worden. Die Bewohner offiziell als „Evakuierungszonen“ ausgewiesener Orte erhalten staatliche Unterstützung. Für viele andere, insbesondere in direkt getroffenen, aber nicht offiziell anerkannten Gemeinden, ist das Überleben mit erheblichen persönlichen Kosten verbunden.

Der Israelische Bauverband berichtet, dass über 50 Prozent der israelischen Wohnungen keinen privaten Schutzraum haben. Die Bewohner sind auf öffentliche Bunker angewiesen, die oft in schlechtem Zustand sind.

Mietpreise gestiegen

Aufgrund der unbewohnbaren Zustände in vielen Schutzräumen, der Gefahr, diese während Sirenen zu erreichen, und der weitreichenden Zerstörung haben sich die Mietpreise für Wohnungen mit eigenem Schutzraum in den vergangenen drei Jahren um 11 Prozent erhöht. Auch in als relativ sicher geltenden Städten ist die Nachfrage gestiegen.

Laut einem aktuellen Bericht des Finanzministeriums hat der Staat zwischen Oktober 2023 und Mai 2025 umgerechnet rund 3,1 Milliarden Euro für Wohnraum und Unterstützung vertriebener Zivilisten ausgegeben. Allein in den ersten fünf Monaten 2025 wurden circa 586,5 Millionen Euro verbraucht. Diese Zahlen enthalten nicht die Kosten der Wiederaufbauarbeiten nach den jüngsten iranischen Angriffen. Auch die Verteidigungsausgaben sind stark gestiegen – von 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2022 auf 8,4 Prozent im Jahr 2024. Während die Gesamtwirtschaft stabil bleibt, lasten diese Kosten schwer auf öffentlichen Diensten und Steuerzahlern.

Eine Folge des staatlichen Sparprogramms ist die Ankündigung, die finanzielle Unterstützung für Evakuierte bis August 2025 einzustellen – mit Ausnahme extremer Härtefälle. Dieser Schritt stieß auf heftigen Widerstand lokaler Führungskräfte.

Zudem ist weiterhin unklar, wann die versprochenen Mittel für den Wiederaufbau des Nordens bereitgestellt werden. Daher ist die Region derzeit stark auf philanthropische Hilfe angewiesen, ohne dass ein realistischer langfristiger Plan erkennbar wäre.

„Es ist nicht sicher. Es ist nicht richtig.“

Einer der schärfsten Kritiker ist Uri Epstein, Leiter des Regionalrats Scha’ar HaNegev. Er meldete sich nach dem Regierungsbeschluss vom 29. Juni, Teile der Gaza-Grenzregion als „sicher“ einzustufen, zu Wort. „Diejenigen, die diese Entscheidung getroffen haben, waren am 7. Oktober nicht hier – und sind es jetzt auch nicht“, sagt er. „Die Bewohner von Nachal Os sollen nur 600 Meter von der Gaza-Grenze entfernt in eine militärisch gesperrte Zone zurückkehren. Die ist unbewohnbar. Die Folgen der fehlenden Koordination und Verwirrung trägt eine Gemeinde, die eines der schlimmsten Verbrechen in Israels Geschichte erlitten hat – deren Mitglied Omri Miran noch immer von der Hamas als Geisel gehalten wird.“

In einem bedeutenden juristischen Schritt haben Bürgermeister und Gemeindeführer aus Städten an den Grenzen zu Gaza und dem Libanon beim Obersten Gerichtshof Israels eine Klage eingereicht, die eine Aussetzung der Rückkehrbeschlüsse verlangt. Ziel ist es, die Neubewertung der Gebiete als sichere Zonen zu verzögern und den Staat zu zwingen, seine finanziellen Zusagen einzuhalten – insbesondere für den Wiederaufbau von Straßen, Kindergärten und anderer wichtiger ziviler Infrastruktur. Das Gericht hat bisher von einer Intervention abgesehen.

Lokale Behörden kritisieren, die Regierung dränge die Menschen aus Kostengründen zu früh zurück, während wichtige Schutzmaßnahmen und öffentliche Dienstleistungen unvollständig oder ungefördert bleiben.

Wenn sichere Regionen nicht mehr sicher sind

In diesem Krieg wurde kein Teil Israels verschont. Selbst Eilat, die südlichste Stadt Israels, 304 Kilometer von Jerusalem entfernt, wurde zum Ziel. Nachdem Eilat 50.000 Flüchtlinge aufgenommen hatte, wurde die Stadt selbst von Raketen und Drohnen aus dem Iran, dem Irak, Syrien und dem Jemen angegriffen. Die meisten wurden abgefangen, einige verursachten jedoch erhebliche Schäden.

Tel Aviv, einst Zufluchtsort, ist heute Teil der Frontlinie. Zu Hochzeiten des Konflikts bot die Stadt über 15.000 Vertriebenen Schutz. Heute zählen ihre Bewohner selbst zu den Vertriebenen.

Die Frage, die niemand zu stellen wagt

Wenn Raketen im Norden, Süden und Zentrum fallen – wohin sollen Israelis jetzt gehen? Was wird bei einem nächsten, wahrscheinlich massiven Angriff der Achse passieren? Trotz eines Waffenstillstands im Norden und einer sich abzeichnenden Vereinbarung in Gaza wissen die Bürger aus jahrzehntelangen Erfahrungen, dass Terroristen diplomatische Abkommen nicht einhalten.

Die Zukunft ist ungewiss. Sicher ist nur, dass Israel nicht nur eine militärische, sondern eine zivile Krise von bisher nie dagewesenem Ausmaß bevorsteht.

Von Neli Shoifer

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2 Antworten

  1. Danke für diesen Bericht, er macht die Realität in erschreckender Art und Weise deutlich! Israel die sichere „Burg“ gibt es nicht mehr. Tel Aviv ist kein Zufluchtsort mehr. Israel und Christen müssen schnell erkennen, dass es nur einen sicheren Zufluchtsort gibt, und das ist der wahre Fels, der lebendige Gott – nur bei Ihm sind wir sicher – er ist der Zufluchtsort. Lieber Gruß Martin

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  2. Ehrlich gesagt, kapiere ich diesen Beitrag nicht ganz.
    Welch massiver Angriff von Seiten der Achse soll denn in nächster Zeit erfolgen.
    Die durchgeprügelten Beteiligten haben momentan nicht die Mittel, um groß etwas unkoscheres anzuleiern, abgesehen davon stehen sie unter scharfer Beobachtung durch Mossad, Aman und Lakam.
    Darüber hinaus fährt Israel, wie ich schon vermutete, seine Raketenabwehr wieder hoch verstärkt sie massiv durch die neuen Systeme wie Arrow 5 und Iron Beam und erhöht die Reproduktion von Interceptoren um das dreifache, um die halbleeren Arsenale wieder aufzufüllen und zusätzliche Reserven anzulegen. Der Feind mag nicht müßig sein, Israel ist es noch viel weniger.
    Die Regierung Netanjahu mag fallen, Israel mit seiner Armee aber nicht…………………..SHALOM

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