Die Bevölkerung war erregt, als Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog. Viele jubelten ihm mit Palmwedeln und der messianischen Formel zu: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ – Andere fragten: „Wer ist dieser?“ Seither ist es diese Frage geblieben, die am meisten trennend oder unterscheidend zwischen Juden und Christen aus den Nationen steht. Interessant ist jedoch, dass gerade seit Beginn des Krieges diese Frage bei vielen in der Bevölkerung Israels neu aufzubrechen scheint und ein Interesse an der Person des Messias und ihrem möglichen oder unmöglichen Zusammenhang mit Jesus Christus wach wird.
Ich denke an einen Besuch in Galiläa, bei dem ich mit einer kleinen Gruppe am Rande des Abhangs stand, wo Jesus Christus von einer wütenden Menge hinabgestürzt werden sollte, und wir schauten hinunter auf die Ebene Jesreel. Nazareth liegt am Südhang der Bergketten des Unteren Galiläa. Hier hat Jesus in seiner Jugend gelebt. Bald nach seinem ersten öffentlichen Auftreten am Jordan kam Jesus wieder „nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Schabbat in die Synagoge, stand auf und wollte lesen“ (Lukas 4,14-30). Hier kannte ihn jeder. Und auch hier wollte er sich als der Messias offenbaren.
Predigt als Anmaßung empfunden
Die Lesung dieses Schabbats war aus Jesaja 61,1-2: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat zu verkündigen …“ und „Er hat mich gesandt zu predigen den Gefangenen Freiheit, den Blinden, dass sie sehen, und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“. Alle sehen auf ihn. Und Jesus sagt: Ich bin dieser von Jesaja verheißene Messias. „Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren.“ Auf eine solche Anmaßung, sich selbst zum Heiligen Gottes und zum Messias zu erklären, stand Todesstrafe durch Steinigung.
Der Text nennt uns das vielsagende Urteil der Leute von Nazareth: „Ist das nicht Josefs Sohn?!“ (Lukas 4,22). Als wollten sie sagen: Der will Messias sein? Wir kennen ihn doch! Voller Wut führen sie ihn an den Abhang, an dem wir mit der Reisegruppe standen, und wollen seinen Körper auf die Felsen hinabstürzen und so das Urteil der Steinigung ausführen. Da offenbart Jesus seine messianische Autorität und geht mitten durch sie hindurch, ohne dass Menschen ihm etwas antun können.
„Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Den sollt ihr hören!“
Matthäus 17,5
Ergriffen standen meine Mitreisenden am Abhang und schauten hinab auf die Felsen in der Tiefe. Doch die eigentliche Botschaft dieses Ortes ist noch nicht zu Ende. Ich bat sie, sich nochmals umzusehen und zurück auf den Ort Nazareth zu schauen. Dort wurde als Urteil über Jesus ausgesprochen: Wir kennen ihn doch, er ist Josefs Sohn! Dann bat ich die Gruppe, sich um 180 Grad umzudrehen. Gegenüber von Nazareth liegt der Berg Tabor. Matthäus 17 berichtet von der Verklärung Jesu auf dem Berg. Geblendet von der Herrlichkeit des Angesichts und der Gestalt Jesu wussten die anwesenden drei Jünger nicht, was sie sagen sollten. Aber diesen Herrlichkeitsanblick wollten sie festhalten. Da ertönt „eine Stimme aus der Wolke: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Den sollt ihr hören!“ (Matthäus 17,5).
Welch ein Gegensatz! Hier sagen Menschen: Wir kennen ihn. Er ist Josefs Sohn! Er kann nicht der Messias sein! – Dort sagt Gott: „Mein geliebter Sohn. Hört auf ihn!“ Damit ist die gesamte Botschaft des Evangeliums zum Ausdruck gekommen: Der Sohn Gottes wird Mensch, um meinetwillen. Er selbst ist das Evangelium. Beide Aussagen liegen geographisch gesehen nahe beieinander. Welche Bedeutung die Botschaft der Bibel auch für unser geistliches Leben haben muss, wird oft erst durch Veranschaulichungen vor Ort klar.
Die Bedeutung der Geographie des Landes Israels bekommt tiefen Sinn, wo sie in den direkten Zusammenhang mit dem Messias Israels gestellt wird. In der Erkenntnis des Messias und im Bekenntnis zu ihm haben auch unsere Liebe zu Israel und unser Dienst an Israel ihren tiefsten Grund und Inhalt. Und hier ist auch unsere lebendige Hoffnung auf den wiederkommenden Herrn verankert.
Von: Martin Meyer
Martin Meyer (Jahrgang 1960) ist Theologe und seit 2016 erster Vorsitzender von Zedakah e.V. Der Verein betreibt in Israel zwei Einrichtungen für Holocaustüberlebende.
» „Wie mir biblische Vergleiche durch meine Arbeit lebendig wurden“
7 Antworten
Vielen Dank für diese Kolumne von Martin Meyer. Auch für mich ist die Botschaft der Bibel anschaulicher geworden, nachdem ich Israel ein paarmal bereist habe. Es hat mein Denken verändert, meine Liebe zum Volk Gottes entfacht und mein Verständnis für die Prophetien verändert.
Und ich glaube, der 7.10. hat auch viele Juden zum Nachdenken über Gott und den eigenen Glauben gebracht. In einem kürzlich gehörten Vortrag von Doron Schneider sagte er, dass „seither viele Soldaten vor ihrem Einsatz in die Synagoge gingen, um Gott um Hilfe zu bitten, am Strand von Tel Aviv sich junge Leute zum beten und singen treffen.“
Letztendlich wird nur Gott Frieden bringen, nicht Trump und nicht Nethanjahu, aber Gott wird viele Menschen dazu gebrauchen.
Ich bete dafür, dass alle erkennen, Juden wie Christen, dass Jeshua Gottes Sohn, der Messias ist.
Ja, liebe Ella, Not lehrt beten. Und das wunderbare Zedakah–Haus im Schwarzwald sehr zu empfehlen. Der Friedefürst Jesus Christus ist Tag und Nacht anrufbar. Dort werden wir erwartet !
Danke Marita für den Tip. 😍
Liebe Ella, das gläubige Ehepaar Gideon und Nelli Beier betreibt in Israel Zedakah Pflegeheime, darunter Beth-Elieser an der libanesischen Grenze. Ihr Sohn Urija wurde kurz vor Weihnachten 2023 in Gaza schwer verletzt , ist dann nach Israel in Krankenhaus gekommen. Der Herr hat ihn dann kurze Zeit später in die Ewigkeit abgerufen . ✝️
Liebe Marita, 2016 habe ich das Zedaka Gästehaus Beth El in Shavei Zion besucht. Es hat mich zutiefst beeindruckt, wie liebevoll diese Menschen sich dort um Holocaustgeschädigte kümmern. Umso betrübter war ich, als ich vom Tod Urija Beiers erfuhr. 🙏🇮🇱
Wer ist dieser? Diese Frage kann nur unser Bischof, bester Bibelkenner von allen , beantworten.
Welch eine wunderbare Begegnung auf dem Berg der Verklärung. Welch ein Privileg für die Jünger. Aus der Schechina heraus spricht der himmlische Vater und weist auf seinen geliebten Sohn hin, den er mit einer einzigartigen Herrlichkeit und Vollmacht ausgestattet hat. Der Besuch von Mose und Elia, dieser treuen Zeugen , unterstreichen diese einmalige Begebenheit.