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Start-ups wollen den Planeten retten

Nach drei Jahren trifft Israels größtes Online-Investitions-Unternehmen seine Investoren wieder persönlich. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Abraham-Abkommen – sowie auf der Entwicklung von Technologien, die sich mit Herausforderungen der Zukunft beschäftigen.
Von Israelnetz

JERUSALEM (inn) – Unter dem Titel „Den Planeten retten“ hält das israelische Investitions-Unternehmen „OurCrowd“ seine Konferenz in Jerusalem ab. Bevor Gründer und Geschäftsführer Jonathan Medved selbst auf die Bühne kommt, wendet sich am Mittwoch sein Avatar über die großen Bildschirmen in der Jerusalemer Stadthalle an das Publikum. Durch künstliche Intelligenz sprach ein Bild von Medved in der jeweiligen traditionellen Kleidung und Landessprache zum begeisterten Publikum.

Danach kommt Medved selbst wild tanzend auf die Bühne: „Toll, was diese Roboter alles können, nicht wahr?“, ruft er den jubelnden Investoren entgegen. „Doch nichts geht über eine echte Begegnung. Und so tanzen wie ich kann bisher keine Maschine!“

Vor zehn Jahren hat Medved die Firma „OurCrowd“ gegründet. Ziel ist es, außerbörsliches Beteiligungskapital zu sammeln. Die Plattform beteiligt sich an Unternehmensideen, die sich noch in ihren Anfängen befinden, aber ein hohes Wachstumspotenzial aufweisen. Neben den großen Firmen soll vor allem kleinen Anlegern eine Investition ermöglicht werden. Der Einstiegsbetrag liegt bei 10.000 US-Dollar und fällt damit – für die Branche – relativ gering aus.

Teilnehmer aus Marokko und den Emiraten

Die vorige Konferenz war im Februar 2020, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. „Seitdem hat sich die Welt verändert. Wir haben den Abschluss der Abraham-Abkommen erlebt. Diese haben alles verändert. Und so wie der Eiserne Vorhang in Europa fiel und nicht wieder aufgebaut wurde, ist auch dieser ‚Sand-Vorhang’ Geschichte.“ Besonders begrüßt Medved deshalb die Delegation aus Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). „Diese Abkommen haben in Israel und dem gesamten Nahen Osten eine neue Realität geschaffen.“

Seit einigen Monaten unterhält „OurCrowd“ neben Jerusalem und zehn weiteren Städten auch ein Büro in Abu Dhabi. Sichtlich gerührt berichtet Büroleiter Sabah al-Binali: „Vor genau zwei Jahren und fünf Monaten sind die Abraham-Abkommen vereinbart worden. Viele fragen mich, wie viele Deals wir in dieser Zeit mit den Israelis abgeschlossen haben. Doch die wichtigere Frage ist, was wir alles voneinander gelernt haben!“ Für Al-Binali ist klar: „Diese Partnerschaft sollten wir als Beziehung auf Augenhöhe betrachten, nicht als Geldautomaten. Nun, da wir die Rückendeckung von der Politik haben, liegt es an uns, diese Beziehung gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich zu entfalten.“

Die Investoren aus den Golfstaaten und Marokko betonen „die großartigen Möglichkeiten, miteinander zu arbeiten. So wie wir an die Kraft der Wirtschaft glauben, glauben wir auch an die Kraft von Geschichten.“ Die Araber wollen nach eigener Aussage Möglichkeiten für israelische Firmen schaffen, auch außerhalb Israels zu investieren. Gerade im Bereich der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft liege viel Potenzial.

Der Marokkaner Jussuf Seffar, „OurCrowd“-Büroleiter für den Nahen Osten, kommentiert: „Als Tor zu Afrika und Europa hat Marokko ein großes Potenzial. Wenn wir jetzt unsere strategische Beziehung zu Israel ausbauen, ist der Himmel die Grenze.“

Aktuelle politische Lage

Medved betont, dass es für Gründer keine leichten Zeiten sind: „Zwischen 2020 und 2022 ist die Anzahl der Start-ups um etwa 40 Prozent zurückgegangen.“ Auf die Frage, wie er mit Investoren umgehe, die ihr Geld aufgrund der politischen Lage nicht mehr in Israel investieren wollen, antwortet der gebürtige Amerikaner diplomatisch: „Mit ‚Ourcrowd‘ mischen wir uns nicht in Politik ein. Aber ich glaube an eine starke Demokratie.“ Dem Wahlisraeli seien bisher keine Investoren bekannt, die ihr Geld aus Israel zurückgezogen hätten.

Auch Staatspräsident Jitzchak Herzog wendet sich an „die Crowd“, wie sich die Investitoren immer wieder selbst bezeichnen. Er ruft dazu auf, in der Frage der geplanten Justizreformdebatte zusammenzukommen und einen Kompromiss zu finden: „So wie Sie den innovativen Geist des Staates Israel sehen, sehen Sie ihn auch in dieser Debatte, und ich bin sehr stolz auf meine Brüder und Schwestern – die Israelis, die sich von allen Seiten aktiv an der Debatte beteiligen. Ich werde mein Bestes tun, um diese Debatte in einen konstruktiven Dialog zu lenken, der zu einem vereinbarten Ergebnis führt, das die israelische Demokratie stärkt, fördert und schützt.“

Foto: Israelnetz/mh
Bürgermeister Mosche Lion schwärmt von Jerusalem als Ideenschmiede

Auch Jerusalems Bürgermeister Mosche Lion lobt die Gründer und Investitoren. Jerusalem sei der richtige Ort, um zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Er nutzt die Bühne, um das bereits im Bau befindliche neue Regierungs- und Hightech-Viertel im Jerusalemer Stadtzentrum vorzustellen.

Zukunftsweisende Lebensmittel-Innovationen

„OurCrowd“ investiert vor allem in Firmen mit den Schwerpunkten Gesundheit (Healthtech), Landwirtschaft (Agritech) und Lebensmittel (Foodtech). Dabei wollen die Firmen mithilfe moderner Technologie nachhaltige Lösungen für diese Bereiche entwickeln. Der Slogan, der von Veranstaltern, Gründern und Referenten fast mantraartig wiederholt wird, lautet: „Wir wollen die Welt zu einem besseren Ort machen.“

Dazu gehören vegane Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten. Vor mehreren Hundert Zuschauern kocht Starkoch Nir Zook „Lachs“, der ausschließlich aus Pflanzen gezüchtet wurde. Struktur, Aussehen und Geschmack seien ganz so wie beim herkömmlichen Lachs, sagen die Juroren auf der Bühne, jedoch enthalte „der Fisch“ keine Schwermetalle und habe eine geringere CO2-Bilanz.

In den Ausstellungshallen zwischen den Vorträgen erklärt der Geschäftsführer einer fleischlosen Burgerfirma überzeugt: „In einem Gourmet-Restaurant, das auf Burger spezialisiert ist, würde unser Burger vielleicht noch nicht den Hauptgewinn erzielen. Aber mit den vielen einfachen Burgerrestaurants kann er durchaus mithalten.“ Eine andere Gründerin erzählt begeistert von ihrem „‚Milchprodukt‘, das wie Milch aussieht und schmeckt, an dem aber keine Kuh beteiligt“ sei. Außerdem biete es die Proteine und Nährstoffe, die der moderne Mensch brauche.

Foto: Israelnetz/mh
Gründer und Investoren tauschen sich über Herausforderungen und Chancen der modernen Lebensmittelindustrie aus

In einer Podiumsdiskussion diskutieren Gründer und Investoren die Grenzen und Chancen der Lebensmittelindustrie:„Es ist eine großartige Zeit, um in der Lebensmittelindustrie zu arbeiten. Essen soll gesünder, nachhaltiger und proteinreicher werden.“ Im Foodtechbereich sei „OurCrowd“ der größte Investor in Israel.

„Zuckeralternativen gibt es viele“, sagt Ari Melamud, Geschäftsführer des Unternehmens „DouxMatok“, das Zucker nicht ersetzen, sondern reduzieren möchte. „Das Problem ist, dass die alle nicht nach Zucker schmecken.“

Im Gegensatz zu anderen Tech-Branchen, sei die Herausforderung in der Lebensmittelindustrie nicht, „so schnell so groß wie möglich zu werden. Sondern wir müssen es schaffen, ein leckeres Produkt zu entwickeln und trotzdem profitabel zu werden.“

Dabei sei das höchste Gebot immer das Geschmackserlebnis, sagt Michael Gordon, dessen Firma „BlueTree“ Fruchtsäfte entwickelt, in denen der Zuckergehalt stark reduziert ist: „Letztlich entscheidet der Konsument. Wenn das Produkt nicht gut schmeckt, können wir einpacken. Natürlich wollen wir, dass es profitabel für unsere Investoren wird. Aber zusammen mit ihnen wollen wir ein Produkt schaffen, das Kunden gerne kaufen.“

Eine Gründerin sagt: „Wollten wir zu schnellem Geld kommen, wären wir in den Hightechbereich gegangen. Wir wollen gesundes Essen für unsere Kinder. Und deshalb suchen wir Investoren, die zu einem Marathon bereit sind.“ Ein anderer stimmt zu: „Der Kontakt zwischen uns Gründern und den Investoren ist eine Langzeitbeziehung.“

Umweltfreundliche Verpackung für Gemüse

Das Unternehmen Sufresca bietet eine Lösung für den Lebensmitteltransport an. Auf einem Tisch liegen Früchte, die zwei Wochen lang im Kühlschrank lagen. Die auf der linken Seite sind herkömmlich transportiert worden, in Plastiktüten und chemikalisch behandelt. Die Früchte auf der rechten Seite seien mit einer unsichtbaren Flüssigkeit umhüllt, die so unbedenklich sei, dass die Früchte nach dem Transport beziehungsweise vor dem Verzehr nicht einmal mehr gewaschen werden müssten. Die Früchte auf der linken Seite sind stark verschrumpelt, auf der rechten Seite sehen sie wie frisch geerntet aus.

Foto: Israelnetz/mh
Die Firma „Sufresca“ will mit unsichtbarer Verpackung Frische von Obst und Gemüse gewährleisten und Müll reduzieren

Aktuell sei für die Firma „Sufresca“ vor allem der Markt zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika interessant. Dort hätten sie auch bereits alle nötigen Zulassungen für den Transport für Obst und Gemüse. In der Europäischen Union gelte diese Erlaubnis bisher lediglich für Zitrusfrüchte.

Über die Zusammensetzung des „Wunderstoffes“ wollen die Gründer noch keine Aussagen machen, doch sie hoffen auf größere Kunden: „Aktuell produzieren wir 4 Liter täglich, schön wäre, wenn wir in den kommenden Monaten auf 50 Liter kommen. Die von uns entwickelte Flüssigkeit legt sich direkt um die Früchte, es ist kein Plastik nötig und es wird weniger Wasser verbraucht.“

Laut den Veranstaltern von „OurCrowd“ gehören der Plattform inzwischen mehr als 220.000 Investoren an. An der Konferenz nahmen mehr als 9.000 Menschen aus 81 Ländern teil, davon mehr als 1.000 Gründer. In den vergangenen zehn Jahren hat die Firma nach eigenen Angaben 61 Firmen zu einem Exit geführt, von denen der Großteil eine positive Bilanz hatte. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist die Firma „Beyond Meat“, die vegane Fleischersatzprodukte herstellt. (mh)

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3 Antworten

  1. Die Menschen wollen den Planeten retten! Diesen Anspruch hat das israelische Investitions-Unternehmen „OurCrowd“ oder eben auch Friday for Future. Gottes Wort sagt uns: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Wort werden niemals vergehen.“ (Matth. 24,35)
    L.G. Martin

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  2. Haaretz | Israelische Nachrichten
    Umfrage zeigt, dass 17 Prozent der Israelis erwägen, Gelder aufgrund von Justizrevisionen ins Ausland zu verlegen

    Laut einem der Meinungsforscher, die hinter der Umfrage stehen, „bedeutet es einen totalen Zusammenbruch, wenn auch nur ein Fünftel davon passiert.“

    Das Schiff Israel neigt sich bedrohlich. Wenn die Ladung erst verrutscht ist, ist es bis zum Sinken nicht mehr weit… Eigenverantwortlicher Schiffbruch ist das, was man zur Zeit beobachten kann. Eigenverantwortlich!

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