Suche
Close this search box.

Schlussakt gegen ältestes Gewerbe

Ein neues Prostitutionsgesetz soll zukünftig in Israel Freier ächten – nach skandinavischem Vorbild. Die Rate von Prostituierten, die aus dem Geschäft aussteigen wollen, ist hoch. Der Staat will dabei helfen.
Ein neues israelisches Prostitutionsgesetz soll demnächst Freier zur Verantwortung ziehen (Symbolbild)

Unmittelbar vor der Selbstauflösung des israelischen Parlaments haben die 34 anwesenden Abgeordneten einstimmig einen „dramatischen Schlussakt“ gegen das älteste Gewerbe der Welt beschlossen. Das Gesetz tritt erst in 18 Monaten in Kraft, weil noch viele Elemente vorbereitet werden müssen. Es handelt sich um ein neues einzigartiges Gesetz zur Prostitution. Künftig wird es in Israel weiterhin erlaubt sein, „Sex zu verkaufen“, nicht aber „Sex zu kaufen“.

Gemäß dem schwedischen Modell sollen künftig die Kunden bestraft werden, nicht aber jene, die sich als Prostituierte anbieten. Wer zum ersten Mal erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe in Höhe von etwa 500 Euro rechnen. Die Geldstrafe verdoppelt sich, wenn man innerhalb von drei Jahren ein weiteres Mal erwischt wird. Unbelehrbare können dazu verdonnert werden, bis zu 20.000 Euro zu entrichten.

Heute schon steht es in Israel unter Strafe, mit Frauen zu handeln, Sexarbeiter anzuheuern oder ein Bordell zu betreiben. Wo dieses Gewerbe organisiert betrieben wird, etwa in den Hinterkammern von Stripshows, werden legale Aktivitäten rund um das Thema vorgetäuscht. Hinter den Kulissen werden verzweifelte Frauen in Finanznot festgehalten und genötigt, ihren Leib an Freier zu verkaufen. Doch ihr Erlös ist gering und wird in manchen Fällen von den Besitzern dieser Einrichtungen zurückgehalten.

Freier sollen bestraft werden

Den Gesetzgebern der Knesset ging es in erster Linie darum, die betroffenen Frauen, jungen Männer und von der Gesellschaft ausgestoßenen Transgender-Menschen zu schützen und ihnen zu helfen. Genau aus diesem Grund sollen nicht die Prostituierten bestraft werden, sondern jene Freier, die glauben, mit ihrem Geld alles kaufen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Knesset noch eine Vielzahl kostspieliger Maßnahmen beschließen, deren Finanzierung noch nicht errechnet ist. Es ist die Rede von Dutzenden Millionen Euros. Dazu gehören eine psychologische Behandlung der „Gewerbetreibenden“ und Rehabilitierungsmaßnahmen, damit die Sexarbeiter eine alternative Einnahmequelle finden können.

Die Sexindustrie in Israel machte 2016 nach Schätzungen des Wohlfahrtsministeriums einen Umsatz von etwa 300 Millionen Euro. Gemäß einem Report gibt es zwischen 11.420 und 12.730 Sex-Arbeiter. 71 Prozent von ihnen hätten diesen „Beruf“ wegen finanzieller Not ergriffen. 76 Prozent sollen sogar erklärt haben, diese „Industrie” verlassen zu wollen, wenn sie dazu eine Gelegenheit erhielten.

Genau das soll das neue Gesetz bereitstellen. Betroffen sind die Gesundheitsbehörden, die Wohlfahrt, wirtschaftliche Einrichtungen zwecks Bereitstellung von Arbeitsplätzen und die Errichtung von „sicheren Häusern“, Rehabilitierungszentren und Kliniken für „sexuelle Gesundheit“. Später sollen dann noch Aufklärungskampagnen unter Studenten und Soldaten durchgeführt werden, um ihnen die Gefahren zu erklären, die von der Prostitutionsindustrie ausgehen. Noch ist unbekannt, wie das alles finanziert werden soll.

Vor allem Süden Tel Avivs betroffen

In Europa gibt es berühmte Viertel, wo die Sex-Industrie ganz offen auch als Touristenattraktion verkauft wird: auf der Reeperbahn in Hamburg, im Frankfurter Bahnhofsviertel oder im Rotlichtviertel von Amsterdam. In Israel sind vor allem der Süden von Tel Aviv rund um den alten Busbahnhof und der Tel-Baruch-Strand im Norden der Stadt bekannt für einschlägige Angebote. Im Süden der Stadt konzentrieren sich überwiegend Asylanten, illegale Einwanderer und andere Menschen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Skala. Hier blühen Mord und Totschlag, Drogenhandel, Raubüberfälle und andere Verbrechen.

Am Tel-Baruch-Strand stehen die Damen am Straßenrand und warten auf eine „Mitfahrgelegenheit“ in einem Jaguar, Mercedes oder einer anderen teuren Limousine, um dann zwischen den Dünen am Strand umgehend das Geschäft zu erledigen. In Jerusalem standen früher die Damen entlang der Hebronstraße von Bethlehem zu den palästinensischen Städten südlich Jerusalems. Doch seitdem am Kontrollpunkt 300 vor Bethlehem allen Fahrzeugen mit palästinensischen Nummernschildern die Fahrt quer durch Jerusalem verboten worden war – wegen der zahlreichen Terroranschläge während der Intifada –, stehen dort keine Frauen mehr am Straßenrand. Deren Kundschaft ist verschwunden.

Auch Prostitution in der „Heiligen Stadt“

Die palästinensischen Autofahrer müssen jetzt auf engen Umgehungsstraßen südlich von Jerusalem durch die Wüste von Bethlehem nach Ramallah fahren. Ansonsten ist von einer Sexindustrie in Jerusalem nichts zu sehen. Die Behauptung der Stadtverwaltung, dass es „sowas“ in der Heiligen Stadt nicht gebe, klingt allerdings wenig glaubwürdig, zumal in den frommen Gegenden, jüdisch wie muslimisch, junge Frauen in Mäntel gehüllt werden, um jegliche Freizügigkeit und Kontakt zwischen Männlein und Weiblein zu unterbinden. Es ist anzunehmen, dass sie dort heimliche Auswege finden. Doch die sind für die Öffentlichkeit nicht sichtbar.

Die Idee, nicht die Prostituierten zu bestrafen, sondern die Freier, wurde 1998 erstmals in Schweden eingeführt. Diesem Vorbild folgten dann Norwegen, Island, Kanada, Frankreich und Nordirland. Dort werden nicht nur Geldstrafen verhängt. Wiederholungstätern drohen auch Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten.

Von: Ulrich W. Sahm

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen