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Palästinenser streben Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an

Mit türkischer Hilfe einigen sich die rivalisierenden palästinensischen Parteien auf Neuwahlen. Ob es wirklich dazu kommt, ist aber unklar. In diesem Fall müsste sich auch Israel positionieren.
Hamas-Funktionär Al-Aruri (l.) und Fatah-Vertreter Radschub bemühen sich seit Monaten um eine Annäherung. Nun trafen sie bei Gesprächen in Istanbul aufeinander. (Archivbild)

ISTANBUL (inn) – Die rivalisierenden palästinensischen Parteien Fatah und Hamas setzen ihre Versöhnungsgespräche weiter fort. Am Donnerstag einigten sich Vertreter beider Seiten darauf, Wahlen in den palästinensischen Gebieten abzuhalten. Die Gespräche dazu fanden in Istanbul statt. Am Montag hatte der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan um seine Hilfe gebeten.

Laut Dschibril Radschub, dem Generalsekretär des Fatah-Zentralkomitees, sollen die Bürger sowohl über die Zusammensetzung des Parlaments der PA und des Nationalrats der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) entscheiden, als auch über die Besetzung des Präsidentschaftsamtes. Die nötigen rechtlichen Schritte wurden bislang nicht vollzogen. Auch ein konkretes Datum gibt es noch nicht. In mehreren Medien war jedoch von einer Abstimmung innerhalb der nächsten sechs Monate die Rede.

Radschub sprach laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA von einer „klaren Vision von Mechanismen“, auf die man sich geeinigt habe. Nächster Schritt soll demnach ein Treffen der Generalsekretäre unter Leitung von Fatah-Chef Abbas bis zum 1. Oktober sein. Der PA-Präsident soll die Wahlen dann per Dekret auch rechtlich auf den Weg bringen. Die terroristische Hamas machte die „offizielle und finale Verkündigung des nationalen Konsenses“ in einer Stellungnahme davon abhängig, dass direkt im Anschluss auch die praktische Umsetzung erfolge.

Umsetzung ungewiss

Ob es am Ende wirklich zu Wahlen kommt, ist ungewiss. Die bislang letzten Präsidentschaftswahlen fanden 2005 statt. Die letzten Parlamentswahlen endeten 2006 mit einem Erdrutschsieg der erstmals angetretenen Hamas. Diese vertrieb im Sommer 2007 die Fatah aus dem Gazastreifen. Seitdem haben die beiden Parteien mehrere Anläufe unternommen, die „nationale Einheit“ wiederherzustellen.

Auch über Wahlen wird schon seit Jahren gesprochen. 2014 und 2017 etwa hatten sich die Seiten im Zuge zweier Versöhnungsabkommen auf Neuwahlen innerhalb von sechs beziehungsweise zwölf Monaten verständigt. Im September 2019 nutzte Abbas die große Bühne der UN-Generalversammlung, um eine entsprechende Abstimmung zu verkünden. Mit Blick auf die jetzige Einigung sagte ein Hamas-Vertreter laut der Nachrichtenagentur AFP, dass man nun einen „wirklichen Konsens erreicht“ habe. Ein Fatah-Vertreter sprach von „positiven, fruchtbaren und produktiven“ Gesprächen. Seit Monaten betonen beide Seiten die Notwendigkeit einer Einigung im Angesicht der fortschreitenden Isolation in der arabischen Welt und der pro-israelischen US-Regierung.

Bei Wahlen müsste sich Israel positionieren

Sollten die Wahlen tatsächlich ausgerufen werden, wird auch Israel gezwungen sein, dazu Stellung zu beziehen. Denn die palästinensische Führung wird aller Voraussicht nach auch die Araber Ostjerusalems zur Wahlurne rufen wollen. Die meisten von ihnen haben keine israelische Staatsbürgerschaft, leben aber auf dem Gebiet, über das Israel seit 1980 Souveränität beansprucht. „Ohne Jerusalem wird es keine Wahlen geben“, zitierte die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“ am Donnerstag einen Vertreter des Fatah-Zentralkomitees. Im vergangenen Dezember hatte sich auch Abbas in diese Richtung geäußert. Einen entsprechenden Antrag der Palästinenser ließ Israel zu diesem Zeitpunkt unbeantwortet. Kritiker verdächtigen Abbas, die Frage zum Vorwand zu nehmen, um die Wahlen gegebenenfalls komplett abzusagen, sollte Israel einer Abstimmung in Ostjerusalem nicht zustimmen.

Blick auf Silwan in Ostjerusalem: Wahlen der Palästinenser fanden in der Vergangenheit auch in der israelischen Hauptstadt statt Foto: Sandro Serafin
Blick auf Silwan in Ostjerusalem: Wahlen der Palästinenser fanden in der Vergangenheit auch in der israelischen Hauptstadt statt

Das zweite Zusatzprotokoll zum Osloer Vertrag von 1995 ermöglicht Wahlen in Ostjerusalem grundsätzlich. 1996, 2005 und 2006 konnte jeweils eine stark begrenzte Anzahl von Arabern ihre Stimmen in israelischen Poststellen abgeben. Viele andere mussten außerhalb der Stadtgrenzen wählen. Bei den Wahlen 2006 hatte sich Israel insbesondere auch wegen der Teilnahme der terroristischen Hamas mit einer Abstimmung in Ostjerusalem schwergetan.

Im Januar schlugen Experten des Tel Aviver „Instituts für Nationale Sicherheitsstudien“ der israelischen Regierung vor, die Frage der Wahl in Ostjerusalem davon abhängig zu machen, dass sich die Hamas und alle anderen Parteien im Vorfeld zu den Osloer Vereinbarungen bekennen. Dies käme einer Absage an Terrorismus und Gewalt gleich. In einer Meldung der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA hieß es am Donnerstag ganz allgemein, die Wahlen sollten überall dort abgehalten werden, wo dies „möglich“ ist. Für die anderen Gebiete müsse man einen „Mechanismus der Repräsentation“ finden.

Von: ser

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