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Palästinenser und Iraner beklagen „Doppelmoral“

Sowohl Russland als auch ukrainische Flüchtlinge würden anders behandelt als andere Länder und deren Staatbürger. Darüber empören sich palästinensische und iranische Medien seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine regelmäßig.
Von Carmen Shamsianpur

RAMALLAH / TEHERAN (inn) – Der „Doppelte Standard“ ist neben „Dämonisierung“ und „Delegitimierung“ einer der drei Aspekte im „3-D-Test für Antisemitismus“ von Natan Scharanski. Beinhaltet eine Kritik an Israel eine dieser drei Merkmale, sagt der frühere Vorsitzende der Jewish Agency, könne man von israelbezogenem Antisemitismus sprechen. Seit Beginn der Ukraine-Krise werfen palästinensische und iranische Medien dem Westen vermehrt vor, doppelte Standards an Russland und flüchtende Zivilisten aus der Ukraine anzulegen.

Doppelter Standard an Palästinenser

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sieht sich seit Jahrzehnten selbst einer Doppelmoral ausgesetzt. Sie beschwert sich lautstark darüber, zum Beispiel im UN-Menschenrechtsrat.

Dabei beklagt sie nicht, dass Palästinenser ein Vielfaches an internationaler Unterstützung erhalten im Vergleich zu sämtlichen anderen Hilfsempfängern. Auch nicht, dass ihnen mit der UNRWA ein eigenes Flüchtlingswerk bei den Vereinten Nationen zur Verfügung steht. Oder dass dieses in absoluten Zahlen mit mehr Geld und Mitarbeitern ausgestattet ist als der UNHCR, das UN-Flüchtlingshilfswerk, das für den Rest der Welt zuständig ist. Sondern die Palästinenser betrachten sich als benachteiligt und schutzlos israelischen „Menschenrechtsverletzungen“ ausgesetzt.

Doppelter Standard an Russland

Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA kritisierte Anfang März, dass die internationale Gemeinschaft Sanktionen gegen Russland erlassen habe, die den Sport betreffen. Dabei habe „Sport nichts mit Politik zu tun“. Dies wiege besonders schwer, da keine vergleichbaren Maßnahmen gegen Israel ergriffen würden.

Außerdem habe die FIFA die russische Fußballnationalmannschaft von den Qualifikationsspielen für die Weltmeisterschaft ausgeschlossen, während arabische Sportler für Solidarität mit den Palästinensern bestraft würden. Zum Beispiel sei der algerische Judoka Fethi Nourine auf zehn Jahre suspendiert worden, „nur“ weil er sich bei den Olympischen Spielen 2021 geweigert hatte, gegen einen Israeli anzutreten.

Israel zerstöre „systematisch den palästinensischen Sportsektor“, indem es Athleten verhafte und töte, Stadien angreife und die Reisefreiheit einschränke. Es sei Doppelmoral, Russland für etwas zu bestrafen, das man Israel dauerhaft durchgehen lasse.

Doppelter Standard an die Flüchtlinge

Die Medien weltweit beobachten Unterschiede im Umgang mit Flüchtlingen aus der Ukraine im Gegensatz zu solchen aus Syrien oder Afghanistan. Journalisten aus dem Nahen und Mittleren Osten, die sich in der „Arab and Middle Eastern Journalists Association“ zusammengeschlossen haben, beklagen eine „rassistische und orientalisierende“ Berichterstattung. Dabei seien „zivile Opfer und Vertreibungen in anderen Ländern ebenso entsetzlich wie in der Ukraine“.

Die iranische Zeitung „Tehran Times“ zitiert den US-amerikanischen Anthropologie-Professor William O. Beeman mit den Worten: „Leider sind Europäer und Amerikaner im Fall der Ukraine eher bereit zu helfen als im Jemen oder in Afghanistan. Einige behaupten, dass dies auf die inhärenten rassistischen oder islamfeindlichen Tendenzen in Europa und den Vereinigten Staaten zurückzuführen sei. Es steht außer Frage, dass die Ukraine als weiß und christlich gilt.“ Das sei der entscheidende Faktor. Deswegen bekämen ukrainische Flüchtlinge mehr Hilfe.

Unterschiede ohne Doppelstandards

Die Aufnahmebereitschaft der EU-Staaten gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine ist deutlich größer als bei den Fluchtbewegungen aus islamischen Ländern seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011. Dasselbe gilt für die Offenheit und private Hilfe aus der Bevölkerung. Die Ungleichbehandlung hat sicherlich auch rassistische Gründe, aber längst nicht nur. Bei den Vorwürfen, die auch westliche Medien erheben, sind einige weitere Parameter mit einzubeziehen:

  • Ukrainische Staatsbürger können viel leichter in die EU einreisen, da sie dafür keine „illegalen“ Wege finden müssen. Kostspielige Schlepper und gefälschte Papiere brauchen sie nicht. Sie können ohne Visum in jedes europäische Land einreisen.
  • Die Geflüchteten sind fast ausschließlich Frauen und Kinder. Es ist nicht rassistisch, wenn eine Privatfamilie ihr Haus für eine Mama mit vielleicht gleichaltrigen Kindern öffnet und dasselbe für einen alleinstehenden jungen Mann nicht tun würde.
  • Objektiv betrachtet ist es wahrscheinlicher, dass eine ukrainische Familie nach dem Ende des Krieges in ihre Heimat zurückkehrt, als dies beispielsweise bei afghanischen Geflüchteten zu erwarten ist.
  • Es ist unfair, Menschen Rassismus vorzuwerfen, in deren Köpfen die islamische Religion mit Gewalt und Terror verbunden ist. Wer Muslime gemeinhin verurteilt, ist ein Rassist. Aber die Zahl der Muslime, die sich mit einem „Allahu Akbar“ in die Luft gesprengt haben, ist bereits nicht mehr messbar. In Deutschland wurde seit 2012 rund die Hälfte aller islamistischen Terrorakte von Asylbewerbern verübt. Niemand wird behaupten, dass von Ukrainern auch nur im Ansatz Vergleichbares zu erwarten ist. Ein Rassismusvorwurf, der diesen Umstand ausblendet, ist scheinheilig.

Arabische Länder waren überdies kaum bereit, syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Ausnahmen bilden der Libanon und Jordanien. Dabei wäre es für diese Syrer viel sicherer gewesen, in einen Golfstaat zu fliehen, als sich auf eine der gefahrvollen Routen nach Europa zu begeben.

Tatsächliche Doppelstandards

Die geografische und kulturelle Nähe zur Ukraine führt aber auch zu tatsächlichen Doppelstandards in Europa beziehungsweise der westlichen Welt. Den Menschen fällt es leichter, sich zu identifizieren. Das kann zu rassistischen Denkweisen und Strukturen führen.

Leid soll nicht gegen Leid aufgerechnet werden. Aber das der Ukrainer ist sicherlich nicht größer als das der Jemeniten. Nur sind die hungernden jemenitischen Kinder weit weg. Sie finden wenig mediale Beachtung und haben keine Chance auf Flucht nach Europa. Ähnlich verhält es sich mit Nordkoreanern und vielen anderen Menschengruppen, deren unbeschreibliches Leid seit Jahrzehnten andauert, ohne auf großes Interesse zu stoßen.

Der Krieg und damit das Leid sind nach Europa gekommen. Spendenbereitschaft, Hilfsaktionen und Gebetsveranstaltungen sind gut und notwendig. Aber diesen einen Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen und bestenfalls zu Herzen nehmen: Wir wachen erst jetzt auf, wo es uns selbst betreffen könnte – und ziehen uns wahrscheinlich in unsere Komfortzone zurück, sobald die akute Gefahr gebannt ist. Die große europäische Aufmerksamkeit für die Ukraine ist nicht zuletzt durch Angst motiviert, und die Gebete enthalten den Schrei: Herr, lass es bloß uns nicht treffen!

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13 Antworten

  1. …so wir wachen also jetzt erst auf, nachdem der Krieg so nahe vor der Haustür ist….und wenn er vorbei ist, schlafen wir wahrscheinlich wieder ein.
    Und was ist mit Ihnen Frau Shamsianpur? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Was machen Sie mit Ihrer Zeit bzw. was machen Sie jetzt anders als vor dem Krieg?
    Denken Sie daran; Wenn Sie mit Ihrem Zeigefinger auf die andern zeigen, sind drei auf Sie selbst gerichtet.

    Martin
    Martin

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  2. Dazu fällt mir aus dem Schulbetrieb etwas ein: diejenigen Kinder, die sich am meisten über andere Kinder beschweren, machen häufig selber die meiste Unruhe…und in Bezug auf die eventuelle Doppelmoral möchte ich sagen: persönlich betroffen sein funktioniert am intensivsten über direkte Kontakte…ansonsten sind wir
    durch die Medien schon sehr abgestumpft….und wie sich die Situation auf lange Sicht entwickeln wird, wenn der Krieg länger als erwartet dauern sollte, das wird sich erst herausstellen..

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  3. Leider ist es tatsächlich so das an der polnischen Grenze weiterhin Flüchtlinge festgehalten werden. Wenn sie nicht aus der Ukraine flüchten. Ja, es gibt Doppelstandards in Europa, die eine klare rassistische Botschaft senden.

    Die außerhalb Israels lebenden arabischen Palästinenser profitieren bekanntlich aber auch von diesen Doppelstandards.

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    1. Als arabischen Länder kommen meist junge Männer die zum Teil sich nicht zu benehmen wissen. Zum Beispiel in Köln am Silvester. Die Hilfsbereitschaft war da aber mansche haben die nisbrauht. Wenn unsere Regierung. Hatte die solche Subjekte gnadenloses abgeschoben wahre Bereitschaft normale Leute aufzunehmen großer. Außer dem kommen die um zu bleiben. Aus Ukraine kommen Frauen mit Kinder die nach dem Krieg meistens zurück.
      Das wegen sind die nicht zu vergleichen.
      Israel können Sie nicht mit Russland vergleichen. Russen kämmen ohne das Ukraine sie angegriffen. Die bombardieren alles ohne Unterschied. Israel wenn er aus Gasa beschossen wird als Antwort Gasa bombardiert. Before aber er schießt ruft er an in warent das er bald schießen wird. Wo gibt es sowas noch Mal. Was die palis angeht nutzen sie alles um Israel deskretedietiren und deligitimieren. Werde denen nichts nützen.

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  4. Beobachtern fällt auf, dass die Kriegsrhetorik Putins während seines Ukrainefeldzugs verblüffend der Sprache der israelischen Regierungen ähnelt, mit der diese die Unterdrückung und Kriege gegen die Palästinenser rechtfertigen und die Menschenrechts­verletzungen zu verschleiern suchen. Ärgerlich ist, was bei Putin völlig zurecht angeprangert wird, lassen Politiker und Analysten in Europa und in den USA bei der israelischen politischen Führung meist völlig unkritisiert durchgehen oder übernehmen sogar die machtpolitisch motivierte Umdeutung. Insofern ist die Kritik an der doppeltren Moral bzw. den doppelten Standards völlig gerechtfertigt!

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    1. Sie melden sich mal wieder zu Wort!
      Während der Anschläge auf Israelis mit 11 Toten in der letzten Woche mal eben abgetaucht. Haben Sie mit den Palästinensern gefeiert?

      Sie versuchen es doch immer wieder Israel zu bashen.
      …..Unterdrückung und Kriege gegen die Palästinenser…..

      Die Opfer heißen Ukraine und Israel.
      Aggressoren sind immer noch Rußland und die Terroristen von Hamas und Fatah.

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      1. Tja, ich habe von bestimmten Personen noch nie ein Wort des Beileids gehört, wenn es tote Israelis gab. Weder bei Kindern, noch bei Frauen, Alten. Keine Aussage zu den Häftlingegehältern, keine zu den Opfern von Tel Aviv, Hadera usw.

        Aber wenn die Israelis die Täter suchen und verhaften, da ist das Geschrei groß.

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      2. „Israel ist heute mehr Täter als Opfer. Das ist auch gut und richtig so, denn es macht mehr Spaß, Täter statt Opfer zu sein.“ Zitat des rechtskonservativen bedingungs- und vorbehaltslosen Israel-Unterstützers Henryk M. Broder. Da können Se noch was lernen, „Sky“.

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    2. „die Menschenrechts­verletzungen zu verschleiern suchen.“ Aber Herr Luley. Dafür haben die edlen Araber doch Sie. Sie werden das Lügengebäude der Israelis und des gesamten Westens mit der glänzenden Wahrheit der edlen Palästinernser und anderer Araber zum Einsturz bringen. Weiter so, das schaffen Sie schon.

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  5. Putin hat weithin gelogen. Und Putin lässt nicht nur gezielt und klar begründet bombardieren. Er ist ganz klar der Angreifer.
    Israel handelt da ganz anders. Es macht nur Angriffe bei ganz klaren Angriffsabsichten oder Vernichtungsabsichten seitens der Terrornester im Ausland. Zudem habe ich während etlicher Jahrzehnten beobachtet, dass Israel immer wieder sagte „Kein Kommentar“, wenn mal etwas unrecht war – sie liessen sich nicht auf Lügen ein. Das ist zumindest in den wesentlichen Zügen so.

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  6. Auffällig ist, dass Putin offenbar ein Problem damit hat, dass es Länder gibt, die ein eigener Staat sind. Das trifft auch auf den Iran zu, der auch von der Auslöschung des „zionistischen Gebildes“ träumt.
    Aber was haben wir denn in Israel und den Autonomiegebieten?

    Ja, wir haben einen Staat Israel, weil Israel einen Staat akzeptiert hat. Und nein, wir haben keine Staat Palästina, weil die Araber ihn ablehnten und alles versuchten Israel ab der Staatengründung zu vernichten.

    Doppelte Standards? Bei denen, die diese Ablehnung und den Vernichtungswunsch Israels bis heute nicht verurteilen, sind diese durchaus vorhanden. Da wird nämlich behauptet, dass Israel seit 1948 das WJL besatzt hält, obwohl es nicht zu leugnen ist, dass zwischen 1949 und 1967 Jordanien dies war. Und das Gebiet sogar annektierte. Wer diese Tatsache verleugnet betreibt Volksverhetzung. Wer dies betreibt, versucht mit aller Gewalt einen Keil reinzutreiben, Antisemitismus zu schüren. Diese Menschen betreiben Doppelstandards vom Feinsten. Eine doppelte Moral vom Feinsten.

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  7. Die doppelten Standarts sind eindeutig, wenn an der polnischen Grenze schwarze Menschen, die in der Ukraine studierten zurückgewiesen werden, wenn in Griechenland noch immer Menschen unzureichend versorgt ohne Asylverfahren in Lagern vegetieren müssen. Wenn Menschen nach wie vor per illegalem „push back“ dem Ertrinken preisgegeben werden.
    Genauso gravierend – und auch teilweise ganz dreist ausgesprochen: von Ukrainischen Menschen erwartet man sich ein Potential in Deutschland mit dem man hiesige „Lücken ausstopfen“ könnte. Jugendliche z.B. die all die unbesetzten Lehr – und LEERstellen im Handwerk und im Dienstleistungsgewerbe ausfüllen könnten – wenn sie sich entschließen in Deutschland zu bleiben. Die Fähigkeit wird Flüchtlingen aus anderen Kulturen abgesprochen.

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    1. Wenn doch alles so einfach wäre – ist es aber nicht. Neunzig Prozent der Einreisenden aus der Ukraine sind Frauen und Kinder, und im anderen Falle ist es meist genau umgekehrt. Zudem haben Flüchtlinge aus arabischen Ländern, nicht immer aber oft, selbst doppelte Standards – sie denken nicht daran sich irgendwie anzupassen.
      Und der Gedanke, dass Leute bei uns als Arbeitskräfte gut gebraucht werden könnten, muss nicht verwerflich sein. Er erhöht nämlich die Chance sehr, dass diese Personen sich gut integrieren.
      Hier kommt mir ein Satz von John F. Kennedy in den Sinn, der glaube ich so lautete: „Frage Dich nicht, was der Staat für Dich tun kann; frage Dich vielmehr, was Du für den Staat tun kannst.“
      Ich selbst habe versucht, einem Iraner zu helfen. Ich habe ihn finanziell unterstützt und seine Schwarzfahrkosten bezahlt. Mein Versuch, ihn mit einer Iranischen Gemeinde in Verbindung zu bringen, scheiterte daran, dass der Pastor nur Kontakt mit ihm wollte, falls er sich nicht politisch betätigt. Später begriff ich warum. Einmal wollte der Iraner, dass ich ihm einen arabischen Satz nachspreche – ich weigerte mich, da ich nicht wusste was das bedeutet. Heute bin ich überzeugt, dass es die Shahada war (Islamisches Glaubensbekenntnis). Danach versuchte er, mich zu erpressen – Er sagte, dass er dem 3-jährigen Buben der Gastfamilie, die wir ihm für einen Monat vermittelt hatten, Drogen geben wolle. Seine Entschuldigung: „Ich gebe ja auch meinem Sohn Drogen“. Was sollte ich tun? Zur Polizei gehen oder nicht, wenn ich nicht wusste wie er reagiert? Ich ging durch eine Art Hölle!

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