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Israelische Heuschrecken-Expertise

Israel weckt in Zusammenhang mit Heuschrecken auch im Ausland Interesse. Das ist auf technologische Entwicklungen und auf die für den jüdischen Staat selbstverständliche Hilfe für andere notleidende Staaten zurückzuführen. Doch es ist auch der eigenen Erfahrung mit Heuschreckenplagen geschuldet.
Israel ist immer wieder von Heuschreckenschwärmen betroffen – und zieht daraus Fachwissen

Äthiopien wandte sich im Spätherbst 2020 mit einer Bitte an Israel. Das afrikanische Land wird von einer seit 75 Jahren in ihren Ausmaßen beispiellosen Heuschreckenplage heimgesucht. 2020 verwandelten Heuschrecken alleine in Äthiopien 200.000 Hektar landwirtschaftliche Anbaufläche in Ödland. Darüber hinaus ringt das Land in verschiedenen Regionen gegenwärtig einerseits mit Zyklon-Folgen und andererseits mit Kriegswirren. Deshalb ersuchte Abiy Ahmed Israel um Soforthilfe. Selbstverständlich kam Israel der dringenden Bitte Äthiopiens um Hilfe bei der Bewältigung der Heuschreckenplage nach.

Eile war geboten. Die in diesem afrikanischen Land ihr Unwesen treibende Wüstenheuschrecke ist nicht nur imposant groß, sondern kann in kürzester Zeit große Strecken zurücklegen; mit Rückenwind sogar bis zu 150 Kilometer täglich. Fatal für betroffene Regionen ist, dass sie in Schwärmen von rund 50 Millionen Individuen auftritt. Ein solcher Schwarm tilgt an einem einzigen Tag landwirtschaftliche Produkte, die 35.000 Menschen ernähren würden. Ausgerechnet die im hungergeplagten Äthiopien wütende Wüstenheuschrecke gilt als die gefräßigste Heuschreckenart überhaupt. Zudem hatten Experten der Vereinten Nationen gewarnt: Der Zyklon Gati würde das Vordringen der Plagegeister, die in einigen Kulturen und Religionen auch als „Armee Gottes“ bezeichnet werden, noch begünstigen.

Dieses israelische Team half den Äthiopiern im Kampf gegen die Insektenplage Foto: Israel in Ethiopia, Twitter
Dieses israelische Team half den Äthiopiern im Kampf gegen die Insektenplage

Israels Außenministerium hatte alle Hände voll zu tun, um das Expertenteam mitsamt zwei Tonnen Ausrüstung auf den Weg zu bringen. Kaum waren die Heuschrecken-Experten in den betroffenen Gebieten Äthiopiens angekommen, liefen die Drähte zwischen Jerusalem und Addis Abeba erneut heiß. Fünf israelische Fachleute für Agrar-Bewässerung und vier in humanitärer Mission vor Ort weilende Israelis waren in der nord-äthiopischen Kriegszone Tigray in Lebensgefahr geraten. Das israelische Außenministerium arbeitete im Zuge der als „extrem komplex“ bezeichneten Rettungsaktion erneut eng mit den lokalen Behörden wie auch mit internationalen Organisationen zusammen und konnte die Operation erfolgreich abschließen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Wenig später wurde ebenfalls die von Israel erbetene Hilfsaktion in Sachen Heuschreckenplage erfolgreich abgeschlossen, die Israel überdies mit einer seit Jahrzehnten postulierten Richtlinie der israelischen Entwicklungshilfe verband: Israelische Experten führen nicht nur Hilfsmaßnahmen durch, sondern sorgen auch für die Aus- und Fortbildung lokalen Personals. Das machte Israel schon im Vorfeld der Abreise seiner Experten gegenüber den Vereinten Nationen deutlich, die den jüdischen Staat um finanzielle Unterstützung für Äthiopiens Kampf gegen die Insekten gebeten hatten.

Der Leiter der vierköpfigen israelischen Delegation Joav Mortro, der für das israelische Landwirtschaftsministerium arbeitet und den Kampf gegen Heuschrecken als nichts anderes denn als „Krieg“ bezeichnet, sagte dazu gegenüber dem israelischen Wissenschaftsportal „Israel21c“: „Viel besser ist Hilfe zur Selbsthilfe. Wir bringen die erforderliche Ausrüstung und das Wissen mit und lernen äthiopische Kräfte an.“ Während ihres zweiwöchigen Aufenthaltes schafften es die vier israelischen Experten, rund 200 Äthiopier in verschiedenen Bereichen der Heuschreckenbekämpfung zu schulen. Wie in vielen anderen Fällen auch, ließ Israel zum Abschluss der zweiwöchigen Hilfsaktion obendrein einen guten Teil der mitgeführten Ausrüstung als Schenkung in Äthiopien.

Heuschrecken in Israel

Der Einsatz der israelischen Experten in Äthiopien interessiert viele immer wieder von Heuschreckenplagen heimgesuchte Länder. Ihr Interesse gilt vor allem der modernen Technologie, die Israel entwickelt hat, um erfolgreicher gegen die schon in der Bibel häufig mit Hungersnöten in Verbindung gebrachten Insekten vorzugehen. Erproben konnte der jüdische Staat diese Technologie im November 2004 sowie zum bislang letzten Mal 2013, als das Land selbst von Heuschrecken heimgesucht wurde.

Im November 2004 fielen aus Nordafrika kommende Heuschrecken im Ferienressort Eilat ein und dann über die landwirtschaftlichen Anbaugebiete der Arava-Ebene des Negev her. 2013 erwischte es Israel erneut, dieses Mal sehr viel schlimmer. Die Verfasserin erinnert sich an eine Autofahrt im Süden des Landes, während der sie unerwartet Zeugin dieses sowohl faszinierenden als auch beängstigenden Naturschauspiels wurde.

Relativ plötzlich verdunkelte sich die Umgebung. Dann prasselte es auf das Auto, als hätte ein enormer Hagelschlag eingesetzt. Unter den Rädern klickerte es permanent. Innerhalb kürzester Zeit bildete sich auf der Fahrbahn ein Schmierfilm. Trotz des Wissens, dass Heuschrecken Menschen nichts anhaben, kostete es Überwindung, aus dem Auto auszusteigen.

Historische Tagebuchaufzeichnungen

Was dann geschah, schilderte bereits der deutsche Pater Ernst Schmitz in Zusammenhang mit einer der schlimmsten Heuschreckenplagen, die das Heilige Land in der Moderne zu meistern hatte. 1915, inmitten der schwierigen und kargen Zeit des Ersten Weltkrieges, hielt dieser katholische Geistliche über die Situation in Jerusalem fest: „Man trägt sie mit sich in den Kleidern, findet sie in den Kammern, im Speisezimmer, im Bette. Man setzt sich mit ihnen zu Tische, sie lesen mit einem aus dem Buche, kriechen einem am Nacken heraus und im Barte herum; nirgends ist man sicher vor ihnen. Doch (…) am schlimmsten ist (…) die Verwüstung des Landes und der Fluren.“ („Das heilige Land 59“ (1915), S. 192-199)

Interessant ist, wie vor etwas mehr als 100 Jahren die Bevölkerung des Heiligen Landes gegen diese „Rosse, die zum Krieg bereit sind“ (Offenbarung 9,7) vorging: In der ersten Phase wurde alle glatten Metallplatten zusammengetragen, um eine Seite von eilig ausgehobenen Gräben mit einer Art Metallwall zu blockieren. Diese glatte Metallfront in Wanderrichtung der Insekten sollte für sie schwer unüberwindbar sein, so dass sie in den Gräben gefangen werden und in der Vertiefung schließlich unter dem Gewicht ihrer eigenen Artgenossen ersticken.

Zugleich verfügten die osmanischen Behörden, dass jeder männliche Einwohner zwischen 16 und 60 Jahren fünf bis zehn Kilogramm Heuschreckeneier bei den Behörden abzugeben oder mit einem hohen Strafgeld zu rechnen hat. Außerdem wurde der Versuch unternommen, die Insekten in möglichst großen Massen in Aushubschächten per Fuß zu Tode zu trampeln. Die mit abführenden Mitteln besprühten Pflanzen hatten genau wie die anderen Methoden jedoch nur zur Vernichtung eines kleinen Teils der Insekten beigetragen, so dass Pater Schmitz weiter berichtet, dass in Jerusalem nichts an Grün mehr übrig war.

Israels Anti-Heuschrecken-Technologie

Das israelische Expertenteam in Äthiopien setzte ebenfalls auf Schädlingsbekämpfung, jedoch nicht mit medizinischen Mitteln, sondern mit Chemikalien und Biopestiziden, die auf Hochtechnologie abgestimmt sind. Dies kann Effizienz gewährleisten und zugleich den Schaden für landwirtschaftliche Produkte wie auch für Anwohner möglichst gering halten. In Äthiopien ging es um den Schutz von mehreren zehntausend Menschen und für dieses Land, das zur Ernährung der Bevölkerung auf seine Erträge von Kleinbauern angewiesen ist, um jeden einzelnen Quadratkilometer Agrarfläche.

Pestizide machten nur einen kleinen Teil der Experten-Ausrüstung aus. Die Israelis führten ferner 27 Überwachungsdrohnen und andere technische Gerätschaften mit, darunter auch 100 motorisierte schulterbare Sprühgeräte. Schon alleine dieses einfache Hilfsmittel war für die Bauern, die die israelischen Experten im Umgang anlernten, totales Neuland. Der Logistik-Offizier der Delegation Tamir Aschual meinte dazu: „Diese Bauern haben nie zuvor ein motorisiertes Gerät gehandhabt. Für sie war es ein gigantischer Schritt in Richtung moderne Technologie.“

Und doch: Auch die beste technische Ausrüstung bringt wenig Nutzen, wenn man sie nicht methodisch zur Anwendung bringt. Israel hat Vorhersagen zu Schwarmbewegungen und das digitalisierte Erkennen von Entwicklungsstadien in Teilschwärmen gekoppelt. So können vor Ankunft eines Schwarmes Vorbereitungen getroffen und zudem vorrangig Schwärme mit geschlechtsreifen Tieren bekämpft werden, damit es gar nicht zur gefürchteten Eiablage kommt. Den Schwärmen im Nymphen-Stadium kann man sich nachfolgend widmen. Außerdem ermöglicht die Technologie eine Prognose der genauen Zeit der Ruhephase, in der diese Tiere kaum mehr fliehen und somit am besten zu bekämpfen sind.

Computertechnologie hilft bei der Auswertung der Drohnenaufnahmen. Sie trägt ebenfalls dazu bei, die erforderliche Menge Pestizid unter Berücksichtigung von Klima- und Wetterbedingungen, Nähe von vitalen landwirtschaftlichen Nutzflächen und Anwesenheit von Menschen zu kalkulieren. Wieder einmal: Israelische Technik, für die sich viele Länder interessieren.

Das einzige koschere Insekt

Unter diesen Ländern ist Saudi-Arabien, in dem Heuschrecken ebenso wie im Jemen als Delikatesse gelten. In dieser Hinsicht kommt eine andere israelische Expertise ins Spiel. Die Firma „Hargol FoodTech“, die ihren Hauptfirmensitz im galiläischen Misgav hat, züchtet dank moderner Innovationen dieses Insekt, das bereits seit der Antike dem Menschen große Probleme bereitete und bietet es als proteinreiche Nahrung an.

Wenngleich sich die Firma mit dem Werbespruch „Ernähren Sie sich wie Johannes der Täufer!“ an ein ausländisch-christliches Publikum richtet, gibt es durchaus auch in Israel einen Markt für diese Produkte. Schließlich sind die in der Bibel erwähnten vier Heuschreckenarten Arbe, Solam, Hargol und Hagab laut 3. Buch Mose (11,22) koscher; eine wichtige Bedingung um auf dem israelischen Lebensmittelmarkt überhaupt Fuß fassen zu können.

Ein Gastbeitrag von Antje C. Naujoks, Be’er Sheva

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