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Meinung

Israel auf der Anklagebank

Nicht einmal drei Monate nach den Hamas-Massakern in Israel zerrt Südafrika den jüdischen Staat vor den Kadi. Der Vorwurf des Völkermords an den Palästinensern steht im Raum. Eigentlich geht es aber um die Delegitimierung Israels.
Von Sandro Serafin

Als Israels UN-Botschafter Abba Eban am 17. August 1949 für sein Land die Völkermordkonvention unterzeichnete, war der Kontext für ihn klar: Das Papier erinnere „an die brutale Abschlachtung von Millionen Juden durch das Nazi-Regime in Europa“. Israel, Zufluchtsland für Holocaust-Überlebende, war der 28. Staat, der seine Unterschrift unter die Konvention setzte. Sie war maßgeblich von dem polnischen Juden Raphael Lemkin vorbereitet worden, der nach dem deutschen Überfall aus Polen geflohen war.

Jetzt, 75 Jahre später, fällt Ebans Unterschrift ausgerechnet auf den jüdischen Staat selbst zurück. Denn am 29. Dezember hat Südafrika auf Basis der Konvention vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen Israel eingereicht. Auf 84 Seiten führt Pretoria aus, warum es meint, dass Israels Handlungen im Gazakrieg einem Völkermord gleichkommen. 

Entscheidender Punkt: die Völkermordabsicht

Laut Völkermordkonvention können verschiedene Handlungen genozidalen Charakter annehmen: Nicht nur die Tötung von Mitgliedern einer ethnischen Gruppe, sondern etwa auch die Verursachung schweren seelischen Schadens. Südafrika verweist unter anderem auf die tausenden zivilen Todesopfer durch Israels Militäroperation und auf den hohen Grad der Zerstörung im Gazastreifen. Beides lässt sich nicht leugnen, wenn auch die konkreten Opferzahlen schwer fassbar sind. Ein Vertreter des israelischen Außenministeriums bezeichnete das Leid palästinensischer Zivilisten vor dem Gericht selbst als „herzzerreißend“.

Foto: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek. Courtesy
Schon lange gegen Israel: Die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor mit ihrem Botschafter in den Niederlanden, Vusi Madonsela, vor dem Internationalen Gerichtshof

Entscheidend für einen Genozid aber ist, dass mindestens eine der Handlungen „in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Juristen sprechen vom „dolus specialis“. Ohne diesen „spezifischen Vorsatz“, die Völkermordabsicht, kann man von Leid sprechen, vielleicht gar von Kriegsverbrechen – gibt es überhaupt Kriege ohne Kriegsverbrechen? –, aber auf keinen Fall von Völkermord, dem „Verbrechen der Verbrechen“.

Verfälschende Belege

Zwar hat Südafrika ausführlich versucht, völkermörderische Äußerungen in Israel ausfindig zu machen, die eine solche Absicht belegen könnten. Alles, was das Land anführte, lässt sich aber entweder dem Staat nicht zuschreiben oder ist aus dem Kontext gerissen.

So führte Pretoria etwa an, dass Premierminister Benjamin Netanjahu in einer seiner Reden aus 5. Mose 25,17 zitiert hatte, wo es heißt: „Gedenke, was dir die Amalekiter taten auf dem Wege, da ihr aus Ägypten zoget.“ Südafrika verwies nun darauf, dass Gott in 1. Samuel 15,3 König Saul dazu auffordert, „Mann und Weib, Kinder und Säuglinge“ der Amalekiter zu töten. Der Schluss: Auch Netanjahu beabsichtige dies, nur eben im Hinblick auf die Palästinenser. Jedoch hatte der Premier weder auf diese Stelle Bezug genommen, noch hatte er jemals erklärt, dass er die Palästinenser insgesamt – nicht nur die Hamas – mit Amalek identifiziert.

Das Gericht selbst wiederum deutete in einer ersten Stellungnahme Ende Januar an, dass es eine Äußerung von Staatspräsident Jitzchak Herzog als problematisch erachten könnte. Herzog hatte kurz nach Kriegsbeginn angerissen, dass für die Taten der Hamas „eine ganze Nation verantwortlich“ sei. Noch während desselben Auftritts stellte er jedoch klar, dass es „sehr viele unschuldige Palästinenser“ gebe. Dies ließ das Gericht unter den Tisch fallen.

Israel als koloniales Projekt

Dies sind nur zwei Beispiele für die Faktenverzerrung in diesem Prozess. Eklatanter ist, dass Südafrika die vielen Bemühungen der israelischen Armee zum Schutz der Zivilbevölkerung ignorieren muss, da diese der genozidalen Absicht klar entgegenstehen. Unter den Tisch fällt auch, dass sich die Hamas in der zivilen Infrastruktur verschanzt und damit die massiven Opferzahlen bewusst provoziert.

Am schlimmsten aber: Selbst Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung legt Südafrika bisweilen als genozidal aus. So interpretiert es Israels zu Kriegsbeginn ergangenen Aufruf an die Bevölkerung, den Norden des Gazastreifens zu verlassen, in einen Akt der Vertreibung um.

Südafrikas Vorwürfe haben eine lange Vorgeschichte: Das Land stellt sich seit Jahren kompromisslos an die Seite der palästinensischen Sache und gegen den jüdischen Staat (siehe Infobox „Südafrika und der israelische-palästinensische Konflikt“). Womöglich ist es eine späte Rache dafür, dass Israel im vorherigen Jahrhundert Geschäfte mit dem Apartheid-Regime in Südafrika gemacht hatte, gegen das der nun regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) seinerzeit mobilisierte. Schon ANC-Idol Nelson Mandela gab 1997 die Parole aus, dass „unsere Freiheit“ nicht vollständig sei „ohne die Freiheit der Palästinenser“.

Südafrika und der israelische-palästinensische Konflikt

1990 Nelson Mandela trifft kurz nach seiner Haftentlassung PLO-Chef Jasser Arafat

1994 Machtübernahme des ANC in Südafrika

1994–heute Kein südafrikanischer Präsident besucht Israel, kein israelischer Premier besucht Südafrika

1998 Arafat besucht Südafrika

1999 Mandela besucht Israel nach seiner Präsidentschaft

2004 Südafrika nimmt vor dem IGH gegen Israels Sicherheitsmauer Stellung

2006 PA-Präsident Mahmud Abbas besucht Südafrika

2010 Südafrika zieht seinen Botschafter wegen Streit um Gaza-Flottille kurzzeitig aus Israel ab

2012 ANC stellt sich hinter Israel-Boykottbewegung BDS; Parteivorsitzende nennt Israel „viel schlimmer als Apartheid-­Südafrika“

2015 Südafrikas Präsident Jacob Zuma empfängt Hamas-­Delegation; ANC und Hamas unterzeichnen Absichtserklärung

2018 Südafrika zieht nach Palästinenser-Ausschreitungen an Gaza-Grenze Botschafter aus Israel ab

2019–heute Südafrika sendet keinen neuen Botschafter nach Israel

2023 Südafrikanisches Parlament fordert wegen Gaza-Krieg Abbruch der Beziehungen; ANC empfängt Hamas-Delegation; Regierung klagt Israel vor dem IGH an

Kurz nach dem Terrorüberfall vom 7. Oktober telefonierte Außenministerin Naledi Pandor sogar mit Hamas-Chef Ismail Hanije. Ganz in dessen Sinne handelt Südafrika nun, wenn es das betreibt, was Beobachter als „lawfare“ bezeichnen, also als Kriegsführung mit rechtlichen Mitteln. Die israelische Juristin und Reserveoffizierin Pnina Scharvit Baruch brachte das jüngst gut auf den Punkt: Die militärische Kampagne der Hamas ziele auf Israels physische Zerstörung. „Gleichzeitig zielt die juristische Kampagne auf die konzeptionelle Zerstörung Israels als eines legitimen Staates.“

Wie sehr sie damit richtig liegt, ist auch daran zu erkennen, dass einer der Vertreter Südafrikas bei seinem Auftritt vor dem IGH von „Israels Kolonisierung seit 1948“ sprach. Damit delegitimierte er nicht nur die „Besatzung“ der sogenannten Palästinensergebiete durch Israel seit 1967, sondern die israelische Staatlichkeit insgesamt als koloniales Projekt.

Täter-Opfer-Umkehr

Zwar ist wahrscheinlich, dass Südafrika mit dem Völkermordvorwurf am Ende nicht durchkommen wird. Allerdings muss es das auch gar nicht, denn der Schaden für Israel ist auch so schon angerichtet. Ende Januar lehnten die Richter in einer Eilentscheidung zwar Pretorias Forderung ab, Israel zu einem Waffenstillstand zu zwingen.

Zugleich erklärten sie aber, dass „mindestens einige“ der von Südafrika angeführten israelischen Handlungen und Unterlassungen womöglich unter die Völkermordkonvention fallen würden. Das reicht bereits, um Israel mit dem Gerücht des Völkermords zu belegen. Dieses Gerücht könnte nun jahrelang – so lange dürfte sich der Prozess hinziehen – über dem Land schweben und dessen internationales Ansehen unterspülen.

Die Reaktionen in Israel fallen entsprechend aus: Präsident Herzog stellte das Verfahren in den Kontext der Ritualmordlegenden, also jahrhundertealter antisemitischer Verschwörungsmythen. Und Ex-Premier Naftali Bennett sprach von einem weiteren Dreyfus-Prozess. Der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus war Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich fälschlicherweise wegen Landesverrats verurteilt worden. Der Fall ließ seinerzeit judenfeindliche Emotionen hochkochen.

So rührt der IGH-Prozess an alten Traumata des jüdischen Volkes. Und verstärkt ein ohnehin vorhandenes Gefühl der Israelis: dass sich die Welt gegen ihren kleinen Staat zusammenschließt und aus dem Opfer vom 7. Oktober den Täter macht.

Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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17 Antworten

  1. Wer gegen Israel ist, dem ist dem Niedergang geweiht. Das kennen wir aus der Geschichte.

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      1. Stimmt, D wird immer noch von Hitler regiert. Zynismus Ende.

        Ach ja, seit wann haben die Pal. ihre eigenen Staat?

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        1. Achso, Israel hat die Wehrmacht besiegt. Naja, mit der Realität haben Sie es ja nicht so.

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          1. Doch, habe ich. H hat nicht geschrieben, dass Israel die Kriege führt. Das 3. Reich ist weg, Hitler ist weg. Möchten Sie dies abstreiten? Aber das Volk, das Hitler vernichten wollte, hat heute einen eigenen Staat. Mit der Realität haben Sie es wohl nicht so?

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      2. Vor ca. 80 Jahren ist das „3. Reich“ besiegt worden, Deutschland war 40 Jahre geteilt, ja aus den Oder-Neiße-Gebieten wurden fast alle Deutschen brutal vertrieben. Dort war die Zustimmung zur NSdAP besonders hoch. Was bleibt, ist die Schande, den brutalen Holocaust zugelassen zuhaben.

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    1. Aktuell sieht es leider andersrum aus. Alle machen Front gegen Israel. Nicht nur die arabischen Länder, sondern auch zunehemd der Westen inklusive UN.

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      1. Ja,da kann ich zustimmen. Man vergisst wer Überfallen wurde.Was für ein Hinterhalt unfassbar ,so das man das eigene Volk opfert,unter Krankenhäuser, Schulen.Der Hass lässt keine Anders Lebende zu.So,das man seine eigene Familie, Freunde verrät für eine IDEOLOGIE, die das eine Leben sinnlos macht. Wer das vergisst, ignoriert hat keine Toleranz, Mitgefühl, Doppel Moral.Es macht nur traurig einen.Ich wünsche Euch viel Kraft und helfende Hände.

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  2. Ich bete für ein Purimwunder dieses Jahr. Diese alte dämonische Struktur kann „ nur“ Gott besiegen. Wir sollten ein Esther- Fasten ausrufen für diese Zeit, um in spirituelle Einheit vor Gott zu kommen.

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  3. „Als Israels UN-Botschafter Abba Eban am 17. August 1949 für sein Land die Völkermordkonvention unterzeichnete, war der Kontext für ihn klar: Das Papier erinnere „an die brutale Abschlachtung von Millionen Juden durch das Nazi-Regime in Europa“

    Da lag dann wohl ein Missverständnis vor. Die Völkermordkonvention dient nicht in erster Linie dem Erinnern, sondern soll zukünftige Völkermorde verhindern oder zumindest ahnden. Das bezieht sich überigen auf alle Völker und nicht nur die Juden.

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  4. Und mit wem kooperiert Südafrika? Mit Russland.
    Das bedeutet sie würden gemeinsame Sache machen mit diesen Regime.
    Wundert euch also nicht, wenn Russland sich aufmacht und zusammen mit dem Iran und China gegen Israel zieht, dass die Soldaten schwarz sind.
    Die Weichen für solche Zenarien werden lange vorher gestellt. Wer etwas mitfolgt, sieht es auch.
    Nur eines nicht vergessen. Keinem Bürger dieser Länder geht es wirklich gut. Meistens fressen die Länder ihre Einwohner, besonders, wenn diese selbst denken. Das beweißt dass die Fehlentscheidungen Ihrer Mächtigen nicht nur außenpolitisch auffallen, sondern jedes Auge könnte es direkt vorort in Augenschein nehmen.

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  5. ‚Israel auf der Anklagebank‘. Warum? Die Welt der undemokratischen Länder, die Welt pro Hamas, wo Diktaturen herrschen (China, Iran, Nordkorea, Cuba, Nicaragua, schließt sich zusammen gegen einen kleinen Staat: die Opfer vom 7. Oktober werden Täter.

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  6. Shalom,Leider nehmen sich gewisse Leute die über ISRAEl entscheiden „WOLLEN“nicht die Mühe sich besser über die Geschichte unseres geliebten Landes ISRAEL zu informieren.Ich gehe da nicht weiter darauf ein,(obwohl ich seit mind.20Jahren unsere jüdische Geschichte studiere bis heute)Aber möchte trotzdem nur ein Wort der Bedeutung zu diesem Thema geben:Was ist die Bedeutung von Judäa/Samaria-wo kommt der Name her oder die Ableitung!!!??? Shabbat Shalom Jerusalem

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    1. @Jerusalem Jeder, der die Bibel liest, weiss: „Westjordanland“ (Westbank) ist nur erfunden worden, um den jüdischen Anspruch auf das Kernland zu verschleiern. Die Geschichte der Kinder Israels lässt sich aber nicht leugnen.
      Richter sind Juristen und diesen geht vielfach der menschliche Verstand verloren; anders sind die Urteile, die sonst kein Mensch nachvollziehen kann nicht zu erklären.
      Sie suchen die Wahrheit, lehnen diese (das Wort Gottes) aber gleichzeitig ab.
      -Herr segne uns in der Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit.-

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  7. @Jerusalem Noch ein Gedanke. Juden, wie Christen glauben wenn der Messias (Christus) kommt, wird die ganze Welt die Wahrheit erkennen.
    Der Unterschied ist nur der: Für Juden kommt er zum ersten Mal. Für Messianische Juden und Christen zum zweiten Mal.
    Der Endefekt ist derselbe. Ein Friedensreich in dem die Menschen nicht mehr Wissen, wie Krieg geht.

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    1. @Heiri Blaser, Jesus Christus, der Messias, kommt für alle Menschen zum zweiten Mal.
      L. G. Martin

      1

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