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Wie Deutschland iranische Machenschaften begünstigt

Trotz der offen anti-israelischen Haltung seiner Regierung bleibt Deutschland ein wichtiger Handelspartner des Iran. Ein Sammelband analysiert Querverbindungen und die wechselvolle Geschichte der Beziehungen. Eine Rezension von Marc Neugröschel
Der Sammelband liefert wichtige Hintergrundinformationen, die in der vorherrschenden Debatte unter den Tisch fallen

Die Feindschaft zum Staat Israel und das Ziel seiner Vernichtung gehören zu den erklärten Grundsätzen der seit 1979 so genannten Islamischen Republik Iran. Mit Deutschland ist paradoxerweise ausgerechnet ein Land, dessen Regierungschefin die Sicherheit Israels zur Staatsraison erklärte, einer der engsten wirtschaftlichen und politischen Partner des iranischen Regimes. Die widersprüchlichen Verhältnisse, die sich aus dieser eigenartigen Konstellation ergeben, sind das Thema des kürzlich erschienen Sammelbandes „Iran – Israel – Deutschland: Antisemitismus, Außenhandel und Atomprogramm“, herausgegeben vom Politikwissenschaftler Stephan Grigat.

Politische, strategische und vor allem auch moralische Widersprüche charakterisieren das komplizierte Verhältnis zwischen den drei Staaten Iran, Israel und Deutschland. Im Januar 2017 organisierte das Potsdamer „Moses Mendelsohn Zentrum für europäische-jüdische Studien“ eine Konferenz, um, wie dessen Leiter Julius H. Schoeps es schreibt, „aus einem interdisziplinären Blickwinkel auf dieses Dreieck zu schauen, in dem sich Sympathie und Antipathie, Religion, Militarismus, kulturelle Differenz und wirtschaftliche Interessen verdichten wie sonst nur selten auf dieser Welt“.

Gängige Sichtweisen hinterfragen

In dem Band „Iran – Israel – Deutschland: Antisemitismus, Außenhandel und Atomprogramm“ fassen 14 Autoren, darunter Wissenschaftler, Journalisten und Aktivisten, die wichtigsten Ergebnisse dieser Tagung zusammen. Obwohl der Rückzug der USA aus dem 2015 in Wien unterzeichneten Abkommen zur Suspendierung des iranischen Atomprogrammes neue Fragen im Bezug auf dieses Verhältnis aufgeworfen hat, haben die Beiträge in dem Buch nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil: Sie liefern wertvolle Hintergrundinformationen, die es dem Leser gerade ermöglichen, die aktuellen politischen Entwicklungen in dieser Frage besser einschätzen zu können. Dabei verfolgt das Buch den Anspruch, gängige Sichtweisen zu hinterfragen und dem Leser alternative Perspektiven anzubieten. Diese rücken Aspekte in den Mittelpunkt, welche, so schreibt Herausgeber Grigat, in der vorherrschenden Debatte oft verzerrt dargestellt oder gar übergangen werden.

In der Einleitung zu dem Band beklagt Grigat unter anderem die Verharmlosung des iranischen Regimes. Dieses habe nicht einfach nur einzelne politische Führer, wie Mahmud Ahmadinedschad, hervorgebracht, die den Holocaust leugnen und sich in öffentlichen judenfeindlichen Hasstiraden ergehen, sondern es sei auch durch und durch auf einer antisemitischen Weltsicht aufgebaut.

Andererseits kritisiert er, dass die Defizite des, aus seiner Sicht, idealisierten Wiener Atomabkommens in der deutschen Debatte unterbelichtet blieben. Unter anderem daraus resultiere ein Unverständnis für Israels massive Opposition gegen dieses Abkommen, das nun tatsächlich durch US-Präsident Donald Trump von den USA aufgekündigt wurde. Das Buch analysiert aber nicht nur ideologische, politische und historische Aspekte, sondern diskutiert auch eine zentrale moralische Frage. So schreibt Grigat: „Es ist mit der BRD ausgerechnet der Nachfolgestaat des Nationalsozialismus, der seit fast 40 Jahren zu den wichtigsten politischen Steigbügelhaltern und vor allem zu den wichtigsten westlichen Handelspartnern jenes Holocaustleugner-Regimes gehört, das dem Staat der Shoahüberlebenden und ihrer Nachkommen offen mit Vernichtung droht.“

Vom renommierten deutschen Iran-Experten Matthias Küntzel erfährt der Leser, dass die engen Beziehungen zwischen Deutschland und Iran auf das frühe 20. Jahrhundert zurückgehen, als der Iran in Deutschland einen Verbündeten gegen die Westmächte sah. Andersrum war der Iran, als einziges nicht-kolonisiertes Land des Nahen Ostens, ein wichtiger Rohstofflieferant für Deutschland. In den 1920er Jahren war Deutschland der Begründer der persischen Industrie. Die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen intensivierten sich während der Nazizeit und erfuhren auch nach 1945 keine Zäsur. Selbst nach der islamischen Revolution von 1979 blieben deutsche Produkte im Iran hoch begehrt.

Nimmt die Bundesregierung den Iran in Schutz?

Deutschland und der Iran teilten aber nicht nur eine Geschichte intensiven Handels und politischer Kooperation, sondern hätten auch in der Gegenwart gemeinsame strategische Interessen. Im Unterschied zu den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, neben denen auch die Bundesrepublik an den Verhandlungen zum Wiener Atomabkommen beteiligt war, besäßen weder Deutschland noch der Iran Atomwaffen. Somit sei beiden Staaten daran gelegen, den Statusvorteil der Nuklearmächte zu minimieren. In den Verhandlungen zum Wiener Atomabkommen habe Deutschland deshalb stets darauf hingewirkt, wie Küntzel an zahlreichen Beispielen eindrucksvoll belegt, den Druck, den sich die anderen Verhandlungspartner auf den Iran aufzubauen bemühten, zu verringern. Auch in anderen Zusammenhängen habe die deutsche Außenpolitik sich stets dadurch ausgezeichnet, dass sie sich vor allem darum bemühte, den Iran vor den Vereinigen Staaten, Großbritannien, Frankreich und Israel in Schutz zu nehmen und nicht etwa umgekehrt.

So schlussfolgert Küntzel, dass „sich Berlin ausgerechnet in der Frage des Umgangs mit einem antisemitischen Regime als Antipode der Westmächte entpuppt“. Diese Politik ist in den Augen von Autor Thomas von der Osten-Sacken mit dafür verantwortlich, dass sich Syriens Diktator Baschar al-Assad, der vom Iran unterstützt wird, bis heute halten kann.

Die Ermordung, Folterung und Massenflucht hunderttausender Syrer gehe damit auch auf das Konto Deutschlands. Das Handeln der Bundesrepublik basiere auf der Prämisse, dass man durch Kooperation mit dem Iran dessen Mäßigung und Verwestlichung herbeiführen könne. Dabei handele es sich aber um eine empirisch wiederlegte und politisch verhängnisvolle Fehlannahme, wie Fathiyeh Naghibzadeh und Ulrike Becker in ihren jeweiligen Aufsätzen kritisieren. Zwar gebe es innerhalb des iranischen Regimes unterscheidbare, um die Macht konkurrierende Seilschaften, die sich durch einen unterschiedlichen Ton gegenüber dem Westen auszeichneten. Doch seien sie sich letztendlich einig, was die islamistisch-expansionistische, anti-westliche, antisemitische und anti-Israelische Grundausrichtung des Regimes angehe.

Opposition zu diesem Kurs gebe es lediglich innerhalb der iranischen Zivilgesellschaft. Aber auch in ihr sei Antisemitismus weit verbreitet, wie die jüdische Exiliranerin Roya Hakakian zu berichten weiß. Die geistesgeschichtlichen Hintergründe des islamistischen Antisemitismus iranischer Prägung und seine Berührungspunkte mit dem Anti-Imperialismus der westlichen Linken werden in den Aufsätzen von Andreas Benl und Ulrike Marz herausgearbeitet. Um das ideologische Fundament des Iran zu verstehen, sei aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam als Religion erforderlich, die allerdings oft als Rassismus missverstanden und diffamiert werde. Diese Verwechslung von Religionskritik und Rassismus ist das Thema von Sama Maani, dem es in seinem Beitrag gelingt, eine ebenso deutliche wie tiefgründige konzeptuelle Unterscheidung zwischen diesen Phänomenen herauszuarbeiten.

Antisemitismus als Fundament der Gewaltherrschaft

Gerhard Scheit und Raz Zimmt zeigen in ihren Kapiteln, dass ein antisemitisches Feindbild und das Ziel der Vernichtung Israels in der Tat das integrierende Fundament der iranischen Gewaltherrschaft ist. Erkennbar sei das, schreibt Autor Jörn Schulz, auch daran, dass ein Großteil der Gelder, die durch den Abbau der Wirtschaftssanktionen im Rahmen des Wiener Atomabkommens freigeworden sind, vom Iran für gegen Israel gerichtete militärische Maßnahmen aufgewendet worden sei.

Israel, wiederum, meint Emily B. Landau, veränderte seien Strategie gegenüber dem Iran, als sich abzeichnete, dass die internationale Diplomatie in den Bestrebungen eine nukleare Bewaffnung der islamischen Republik zu verhindern versagt und die Gefahr für die eigene Existenz damit akuter wurde. Nachdrücklicher als zuvor begann der jüdische Staat deshalb damit, seine Sicherheitsinteressen zu artikulieren.

Wer alle Beiträge liest, erkennt in dem Sammelband nicht nur einen Fundus wichtiger Hintergrundinformationen, die in den täglichen Nachrichten und in der vorherrschenden Debatte oft unter den Tisch fallen. Er erkennt auch eine umfassende Kritik an einer deutschen Außenpolitik, die, geleitet von wirtschaftlichen Interessen, ideologischen Vorbehalten und falschen Grundannahmen über das Wesen des iranischen Regimes, wesentlich zur Destabilisierung des Nahen Ostens beiträgt und Verrat sowohl an liberal eingestellten Muslimen als auch am Staat Israel übt.

Trotz ihrer hohen Dichte an sachlicher Information sind die Aufsätze eingängig und leicht lesbar geschrieben. Dadurch liefert das Buch nicht nur einen wertvollen Beitrag zur akademischen und politischen Debatte, sondern es bietet gerade auch Laien ohne Vorwissen eine spannende Lektüre.

Stephan Grigat (Hg.): „Iran – Israel – Deutschland. Antisemitismus, Außenhandel und Atomprogramm“, Hentrich & Hentrich, 252 Seiten, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-95565-220-3

Von: Marc Neugröschel

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