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Trumps Ausstieg

Welche Folgen der verkündete Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran hat, ist noch nicht abzusehen. Fest steht nur: Der Iran bedeutet mit oder ohne Abkommen eine Gefahr für die Region. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
US-Präsident Trump hält den Iran-Deal für untauglich

„Viel Getöse um nichts“ oder der „Beginn des Dritten Weltkriegs“: Die Spanne der Kommentare, Reaktionen und Analysen des Beschlusses von US-Präsident Donald Trump am Dienstag, aus dem am 14. Juli 2015 abgeschlossenen Nuklearabkommen mit dem Iran auszusteigen, ist so weit gefächert wie die politischen Ansichten der jeweiligen Sprecher.

Fakt ist, dass wichtige Staaten der Welt den Iran daran hindern wollten, waffenfähiges Uran zu erlangen, um den Bau einer Atombombe unmöglich zu machen. Dank des Atomabkommens wurden schmerzhafte Sanktionen aufgehoben. So durfte Teheran zeitweilig nicht am „Swift“- Verkehr teilnehmen, dem weltweiten elektronischen Transfer von Geldern. Seit dem Vertrag konnte der Iran wieder Geschäfte in Milliardenhöhe machen.

Fortgesetzte Drohungen

Die Weltmächte, darunter die USA, Russland, Europa und andere, hatten mutmaßlich berechtigte Angst vor der Entstehung einer neuen Atommacht mitten im Nahen Osten. Andererseits behaupteten die Ajatollahs, dass sie nie die Absicht gehabt hätten, überhaupt eine Atombombe zu bauen, weil das ihrem islamischen Glauben widerspreche. Doch gleichzeitig drohten sie wiederholt nicht nur dem verhassten jüdischen Staat Israel mit Auslöschung durch eine Atombombe auf Tel Aviv. Auch dem „großen Satan“, den USA, drohten sie damit, das „Weiße Haus zu schwärzen“.

Wie unglaubwürdig die iranischen Dementis waren, hatte vor wenigen Tagen der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu „bewiesen“: Er präsentierte Papiere, Pläne, Fotos und Filme auf CDs aus einem geheimen Archiv im Süden von Teheran, die der Auslandsgeheimdienst Mossad gestohlen hatte. Die Dokumente zeigen, dass der Iran sehr wohl konkrete Pläne und technische Blaupausen für den Bau einer Atombombe hatte. Der Verdacht wurde zudem bestärkt durch geheime unterirdische Anlagen, die tief in Gebirge gegraben worden waren, um sie vor feindlichen Attacken zu schützen.

Das Atomabkommen hat noch einen weiteren Haken, den vor allem die Israelis sehr ernst nehmen: Es war zeitlich befristet. Nach seinem Ablaufen hätte der Iran munter seine atomaren Pläne doch noch verwirklichen können. Vernichtungsdrohungen, also alle Juden ermorden zu wollen, sind Sprüche, die jüdische Israelis beim Wort nehmen. Denn jeder von ihnen hat Vorfahren, die Opfer von Verfolgung, Vertreibung oder schließlich sogar eines industriellen Massenmordes geworden sind. Das gilt für Holocaust-Überlebende genauso wie für äthiopische Juden oder Juden aus der gesamten arabisch-islamischen Welt. Selbst Hitler und den Nazis hat man erst geglaubt, als sechs Millionen Juden schon tot waren. Ein derartiges Risiko wollen die Israelis um jeden Preis verhindern.

Ausbreitung im Nahen Osten

Doch der Iran bedeutet nicht nur wegen seines Atomprogramms eine akute Gefahr für Israel. Teheran hat zehntausende Raketen an die schiitische Terrorgruppe Hisbollah im Libanon geschmuggelt. Die Geschosse können jeden Punkt in Israel treffen. Iranische Revolutionsgarden wurden mehrmals auf den Golanhöhen nahe der israelischen Grenze gesichtet. Der Iran versucht also, Israel militärisch zu umzingeln. Der jüdische Staat bekämpft diese Ambitionen mit gezielten Angriffen in Syrien, meistens ohne die Attacken einzugestehen. Kürzlich hat der Iran von Syrien aus eine bewaffnete Drohne in Richtung Israel abgeschossen, was gemäß den herkömmlichen Regeln der Vereinten Nationen und des Völkerrechts einer offenen Kriegserklärung entspricht.

Das Potential für einen „flächendeckenden“ Krieg im Mittleren Osten hat es also schon lange vor der amerikanischen Aufkündigung des Vertrags gegeben. Und wer sich vor einem Krieg in dieser Region fürchtet, hat wohl nicht bemerkt, dass die Huthis im Jemen mit iranischer Hilfe Krieg gegen Saudi-Arabien führen. Die Ägypter bekämpfen Islamisten im Sinai. In Syrien herrscht seit 2011 ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, der schon etwa einer halben Million Menschen das Leben gekostet und viele historische Städte wie Aleppo in Schutt und Asche gelegt hat. Wer also von einem „bevorstehenden Krieg“ in Nahost redet, ist entweder blind, oder aber er bezeichnet eine längst bestehende militärische Auseinandersetzung erst als „Krieg“, wenn auch die Juden, also der Staat Israel, offen beteiligt sind.

Niemand weiß, was am Ende die Ajatollahs beschließen, wie letztlich die europäischen und anderen Unterzeichnerstaaten auf Trumps Beschluss antworten werden, und ob vielleicht die USA selber zu einem Schlag gegen Teheran ausholen. Und wie in vielen anderen brenzligen Situationen in der Weltgeschichte darf man über bevorstehenden Frieden oder über Krieg spekulieren.

In Israel gab es nach der Ankündigung Trumps unterschiedliche Befürchtungen. Eine gewisse Unruhe entstand, als bekannt wurde, dass die Ortschaften auf den Golanhöhen aufgefordert worden waren, ihre Luftschutzbunker zu öffnen und zugänglich zu machen. Andererseits heißt es, dass entlang der Grenze die „übliche angespannte Stimmung“ herrsche. Im Rest des Landes geht das Leben ganz normal weiter mit verstopften Straßen und zahllosen Festivals. Während Trump seine dramatische Ankündigung veröffentlichte, wurde an jeder Ecke der Jerusalemer Altstadt mit Paukenschlägen und voller Lautstärke musiziert.

Von: Ulrich W. Sahm

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