Das Terrormassaker vom 7. Oktober 2023 und der dadurch ausgelöste Krieg regen Überlebende, Journalisten und auch Wissenschaftler zu Büchern an. Zu diesen Autoren gehört die Politologin Muriel Asseburg. Der Titel ihres Ende März erschienenen Buches lautet: „Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza“. Der Krieg steht dabei im Vordergrund, was der Untertitel „Hintergrund, Eskalation, Folgen“ andeutet.
Mangelnde Konkretisierung
Bei der Lektüre fällt auf, dass Asseburg häufig das Verb „scheinen“ verwendet. Auch wenn dessen Nutzung mitunter einer gebotenen Relativierung dienen kann, rückt es hier immer wieder Israel in ein schlechtes Licht.
So schreibt die Autorin etwa im ersten Kapitel: „Die Angriffe des Iran auf Israel Mitte April und Anfang Oktober 2024 wurden von vielen nicht als begrenzter Vergeltungsschlag gelesen, sondern schienen den Vernichtungswillen Teherans zu untermauern.“ Die Formulierung wirkt, als wäre diese Schlussfolgerung weit hergeholt. Dabei kommt es selten vor, dass ein Land ein anderes in einer einzigen Nacht mit über 300 Geschossen angreift.
In Kairo wurde eine dauerhafte Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen befürchtet. „Entsprechende Aussagen israelischer Regierungsmitglieder sowie Gerüchte über Gespräche mit Ägypten und anderen Drittstaaten schienen eine solche Absicht zu bestätigen.“ Dass Regierungschef Benjamin Netanjahu dem widersprochen hat und ein Gerücht nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss, schreibt sie nicht. Vielmehr entsteht beim Lesen der Eindruck, sie wolle mit den unbestimmten Formulierungen eine negative Haltung gegenüber dem jüdischen Staat fördern.
In dem Buch „schien“ es auch immer öfter so, als ob „Siedler und Armee gemeinsame Sache machten“. Es mag ja sein, dass dieser Anschein erweckt wurde. Aber eine offizielle Verlautbarung der Armee sollte in einer wissenschaftlichen Erörterung doch genannt werden, und das geschieht in dem Fall nicht.
Einseitige Beschuldigungen
Hinzu kommen einseitige Beschuldigungen gegen Israel: „Einmal mehr litt vor allem die Zivilbevölkerung“, schreibt Asseburg über israelische Angriffe im Libanon, ohne das Leiden der Bevölkerung unter der Hisbollah zu erwähnen. Dabei hatte die Terrorgruppe durch ihren unprovozierten Dauerbeschuss seit dem 8. Oktober diese Angriffe erst ausgelöst.
Die Autorin spricht von „gezielten“ israelischen Angriffen auf Helfer und Journalisten im Gazastreifen. Dass die Armee solche Todesfälle untersucht und es zu Degradierungen oder auch Entlassungen kommt, ist ihr keine Erwähnung wert.
Im Zusammenhang mit getöteten Palästinensern im Westjordanland zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 30. September 2024 schreibt sie in einer Anmerkung: „Von den Getöteten wurden 868 von der israelischen Armee und 20 von israelischen Siedlern umgebracht. Bei sieben ist nicht bekannt, ob sie Opfer der Armee oder der Siedler wurden.“ Auch hier wird die Armee so dargestellt, als würde sie willkürlich Palästinenser „umbringen“. Immerhin spricht die Politikwissenschaftlerin in dem Fall auch israelische Opfer palästinensischen Terrors an.
Iranische Großangriffe: Toter Palästinenser als „Kollateralschaden“
Bei den beiden iranischen Großangriffen im April und Oktober entstand aus Asseburgs Sicht „nur geringer Sach- und Personenschaden“. Dass im ersten Fall ein Beduinenmädchen schwer verwundet und im zweiten Fall gar ein Palästinenser getötet wurde, ist für sie offenbar nicht der Rede wert. Lieber konzentriert sie sich auf Palästinenser, die durch israelische Angriffe ums Leben kommen.
Die Aussage, die Geschosse hätten vor allem militärischen Zielen gegolten, lässt sich nicht halten. Denn Israel wehrte unter anderem Raketen ab, die auf den Tempelberg gerichtet waren. Und dass der Iran Jerusalem ins Visier nahm, war für Jordanien ein Grund, sich an der Abwehr zu beteiligen.
Sachliche Fehler
Auch sachliche Fehler sind in dem Buch zu finden. Natürlich kann es einem Autor passieren, den ersten Geiseldeal von 2023 in den „November 2024“ zu verlegen. Doch die Behauptung, nach der Ernennung von Mohammad Mustafa zum Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sei eine Regierung mit „kompetentem Regierungspersonal“ entstanden, zeugt von Naivität. Denn PA-Chef Mahmud Abbas regiert weiter durch Dekrete, ab und zu stellt er das Kabinett neu zusammen. Und das Personal mag fachkundig sein, hat aber wenig Einfluss.
In einer Endnote schreibt Asseburg über Netanjahu: „Zu keinem Zeitpunkt zeigte er sich zu einem Siedlungsstopp bereit.“ Dabei hatte ausgerechnet der Likud-Chef 2010 die Bautätigkeit in Siedlungen für zehn Monate ausgesetzt.
Wohlwollende Aussagen über Israel knapp bemessen
Positiv ist der Autorin zu bescheinigen, dass sie die Beteiligung von Zivilisten am Massaker vom 7. Oktober nennt. Auch weist sie darauf hin, dass die dichte Bebauung im Gazastreifen der Armee die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen erschwert. Die von Israel ermöglichte Impfkampagne gegen Polio kommt ebenso vor wie der Hinweis, dass offene Kritik an der Hamas kaum möglich sei und deren Charta antisemitische Elemente enthalte. Zudem gesteht sie Israel das Recht auf Selbstverteidigung zu.
Allerdings sind Aussagen, die für den jüdischen Staat sprechen, meist sehr knapp bemessen. Ausführlich geht es hingegen um das Leiden der palästinensischen Zivilisten und aus Asseburgs Sicht unverhältnismäßige Maßnahmen Israels. Und so erweckt das Buch allgemein den Eindruck, die Autorin stelle sich auf die Seite der Palästinenser – obwohl sich Wissenschaftler um eine ausgewogene Haltung bemühen sollten.
Zu ihrer Motivation schreibt Asseburg in der Einleitung: „In diesem Buch sollen die Ereignisse des 7. Oktober und des Gazakrieges verständlich gemacht und historisch eingeordnet, die unterschiedlichen Perspektiven der Gesellschaften dargelegt und die lokalen, regionalen und internationalen Hauptakteure sowie ihre Interessen und Beweggründe beleuchtet werden. Im Fokus stehen dabei die Dynamiken während des ersten Kriegsjahres.“ Sie ergänzt, dass das Manuskript den Wissensstand von Anfang Oktober 2024 wiedergebe.
Ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung mitten im Krieg geschickt gewählt ist, ist allerdings zweifelhaft. Denn die Lage ändert sich fast täglich. So wurde etwa die Aussage, Netanjahu sträube sich gegen einen weiteren Geiseldeal, durch seine Zustimmung im Januar widerlegt.
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Asseburg ist Mitarbeiterin der Stiftung Politik und Wissenschaft (SWP). Sie gilt als Expertin für den Nahostkonflikt. Die Berliner Denkfabrik berät die deutsche Bundesregierung. Bleibt zu hoffen, dass diese auch offen ist für Stimmen, die das Thema differenzierter angehen als die Politologin.
Muriel Asseburg: „Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza. Hintergrund, Eskalation, Folgen.“, C.H. Beck, 286 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-406-82892-8
15 Antworten
„Einmal mehr litt vor allem die Zivilbevölkerung“, schreibt die Politologin Muriel Asseburg. Muss man solche Bücher schreiben und, noch schlimmer, Politologie studieren? Nein.
@Liebe Frau Hausen
Danke für diesen Artikel, der uns woeder einmal zeigt, sogenannte „Nahost-Experten meinen oft, sie haben die Weisheit in die Wiege gelegt bekommen. Objektiv wird weder berichtet noch geschrieben. Jeder tut seine Meinung kund, egal ob sie richtig oder falsch ist. Mit Beurteilungen über Israel ist man besonders forsch, wie es uns die Medien jeden Tag vorsetzen. Vermisst habe ich die Erwähnung der Geiseln! Die Weigerung von Hamas, die Geiseln herauszugeben, sichert ihre Existenz und macht diesen Krieg ja erst überhaupt nötig. In der ganzen Welt wird über die Geiseln nicht mehr gesprochen, wohl aber über die armen Zivilisten, die der Hamas helfen und geholfen haben und zu 70% immer noch hinter ihnen stehen. In diesem Buch ist schon das Vorwort eine Katastrophe:
Ereignisse des Gazakrieges verständlich machen, historisch einordnen, unterschiedl.Perspektiven darlegen, lokale, regionale und internat. Hauptakteure sowie Beweggründe beleuchten, Dynamik des Krieges beschreiben.
Hauptakteure, wie sich das anhört!
Hamas sind Terroristen, die bekämpft werden müssen, Nethanjahu ein Premier, der sein Land und dessen Existenz sichern möchte. Ob er dabei alles richtig macht, bleibt dahingestellt. Und dann kommen alle Nicht-Hauptakteure, um ihren Senf dazu zu geben.
Ella
Die Meinung eines Authors, einer pro Israil Seite, deckt sich nicht mit den „Wahrheiten“ des 7.10 und den auf darauffolgenden Nachfolgen….
Sehr interessant.
@Blub
Und die „Wahrheit“ kennen Sie?
Was ist „die Wahrheit vom 7.10.23“?
Diese Wahrheit von Ihnen erläutert zu bekommen, wäre sehr interessant.
1200 tote Israelis grundlos ermordet, Kibuzzine zerstört, Geiseln genommen und getötet. Und das finden Sie interessant?
Na dann, nennen Sie mal Ihre Wahrheiten, blub
@Ella
Wir haben die israelische „Wahrheit“ seit 19 Monaten gehört und vor allem gesehen.
Wir kennen auch die Wahrheit über das Europäische Krankenhaus in Gaza, wo man sich nicht einmal um die so genannte „Wahrheit“ bemüht hat (Bilder von einer Schule als Beweise!?).
@Ludovico
Ich habe Blub nach der „Wahrheit vom 7.10.23 gefragt, weil er/sie diesen explizit erwähnte. Die darauffolgenden „Nachfolgen“ sind schlimm für alle Seiten, besonders für die Palästinenser. Das habe ich nicht in Frage gestellt oder bestritten.
Es gibt nicht “ die israelische Wahrheit“. Wo haben Sie die Wahrheit gesehen? Waren Sie dort? Ah nein, in den Medien, stimmt ja.
Um die Wahrheit über das europ. Krankenhaus hätten Sie sich besser mal selbst schlau gemacht. Da saß nämlich der Führer der Hamas, Sinwar drin. Warum denn? Was macht ein Terrorist im Krankenhaus? Bin mal sehr auf Ihrer Verteidigung des Top-Terroristen gespannt, dem die eigene Bevölkerung dabei vollkommen egal war.
@Ludovico
… und dass Geiseln nehmen, Zivilisten als Schutzschild nehmen, völkerrechtlich geschützte Objekte missbraucht werden etc. ist Ihnen keine Erwähnung wert? Ohne das gäbe es die „Wahrheit über das europäische Krankenhaus in Gaza“ nicht. Sie zeigen eine Doppelmoral, die seinesgleichen sucht.
@Ella
Die israelische Regierung hat gelogen was die Beweise zum Krankenhaus angeht.
Bei den 15 Rettungskraften ebenso.
Aber klären sie mich gerne auf über die israelische „Wahrheit“.
@Ludovico
Brauche nichts mehr aufklären, haben Christin und Rts schon gemacht. Aber Ihre Wahrheit Ludovico, ist nicht die unsere.
aber die Hamas ist die Wahrheit in Person, Betet Gott Sinwar an-sorry, den gibt es ja nicht mehr. Also klären Sie uns mal über die „Hamaswahrheit“ auf
Entsetzlich, wie inzwischen Tag für Tag antijüdische und/oder antiisraelische Hetze zu lesen und zu hören ist.
Einfach nur indem man den Fokus auf die palästinensischen Zivilisten legt, die Leiden, aber auch zumindest teilweise großes Leid seit 100 Jahren auf israelischer bzw. jüdischer Seite verursacht haben.
Deren Lügen bereits in der Kita beginnen und mit beinahe jeder Nachricht „bildlich“ gezeigt werden, so, als würden nur Babys, Kinder, Frauen getötet werden.
Ich kann es nicht fassen, dass scheinbar soviele darauf hereinfallen und mitmachen, und anscheinend ganz genau wissen, was Sache ist.
Mit ganz vielen Emotionen, wenig Fakten, Geschichtsverdrehung,
So, wie es schon immer von „vielen“ zum „ureigensten Vorteil“ gemacht wurde, wo sich dann hinterher mal wieder herausstellte, dass dies gar nicht so geschehen ist.
Lernen wir, die Menschheit wirklich gar nichts dazu?
Gut, dass es zumindest doch noch wenige Menschen gibt, die dem widersprechen, richtig stellen… leider gegen eine größere Masse, die es teilweise gar nicht hören will, die Argumenten nicht so sehr zugänglich zu sein scheint.
Wer für BDS ist, kann, wie Muriel Asseburg, nicht objektiv berichten.
Shalom,habe schon vorher kommentar über dieses Buch gelesen.Guter Rat:Kauft dieses Buch nicht,auch nicht Lesen! -Ludovico@-Sie habens immer noch nicht kapiert.Sie sind in diesem Forum „aus meiner Sicht“nicht willkommen!!!Ihre Kommentare sind einfach nur …………! Jerusalem