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Wirbel um Interview bei „Jung und Naiv“

Die israelische Botschaft in Berlin kritisiert ein Interview der Reihe „Jung und Naiv“ – unter anderem wegen eines Vergleichs zwischen den Palästinensern und der Ukraine. Mit ihrer Wortwahl stößt sie wiederum auf Kritik.
Von Israelnetz

BERLIN (inn) – Eine Folge der regelmäßig ausgestrahlten politischen Interview-Sendung „Jung und Naiv“ hat eine Diskussion in den Sozialen Netzwerken ausgelöst. Daran beteiligte sich auch die Botschaft des Staates Israel in Berlin. Mehrere deutsche Medien thematisieren wiederum die Debatte.

Gast in dem zweieinhalbstündigen Interview vom 27. Juni war eine Mitarbeiterin der Stiftung Politik und Wissenschaft (SWP), Muriel Asseburg. Die Berliner Denkfabrik berät die deutsche Bundesregierung. Asseburg arbeitet für die Forschungsgruppe Nordafrika und Mittlerer Osten. Moderator Tilo Jung präsentierte sie entsprechend als Nahost-Expertin.

Asseburg hat ihre Doktorarbeit „zum Staatsaufbau in Palästina“ geschrieben, wie sie selbst sagte – „also dem Aufbau, was der palästinensische Staat hätte werden sollen“. Israel warf sie vor, die Besatzungspolitik laufe auf eine Dauerhaftigkeit heraus. Frühere Regierungen hätten argumentiert, sie könnten ihre Truppe aus Sicherheitsgründen nicht aus den palästinensischen Gebieten abziehen. Heute sei die Argumentation nicht mehr vor allem durch Sicherheitsaspekte gelenkt. Doch der Internationale Strafgerichtshof werde bald ein entsprechendes Urteil fällen.

Zudem setzte sie die Palästinenser quasi mit der von Russland angegriffenen Ukraine gleich. Beide erlebten „Übergriffe, Bombardierungen, Besatzung, völker­rechts­widriges Vorgehen“. Den Deutschen attestierte sie, sie hätten Israel zum Schiedsrichter darüber gemacht, ob sie ihre Lektion aus der Geschichte gelernt haben.

Grünen-Abgeordnete Badum: Opfer von Terror nicht erwähnt

Die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte das Interview. In einem Kommentar für die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ schrieb die Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft: „Der ganze Konflikt findet für die beiden in einem luftleeren Raum statt. Dass Israel seit 75 Jahren um sein Existenzrecht kämpft? Wie sich Terroropfer fühlen müssen? Diese Fragen werden nicht gestellt.“

Für diesen Kommentar bedankte sich die israelische Botschaft am 30. Juni auf Twitter, wenig diplomatisch: Sie sprach vom „Antisemitismus im pseudoakademischen Milieu“.

Am 4. Juli reagierte die israelische Botschaft direkt auf die Sendung: „Zweieinhalb Stunden Israelbashing und wilde Verschwörungsfantasien. Das Gespräch zwischen Dr. Asseburg und Herrn Jung ist wahrlich keine Sternstunde journalistischer oder akademischer Debatten“, schrieb sie auf Twitter. „Für Frau Asseburg ist Terror kein Terror, Israel irgendwie wie Russland und der Bundestag steht unter der Kontrolle der israelischen Regierung. Diese Verharmlosung von Terror und das verschwörerische Geraune sind widerwärtig!“

Auf eine Bitte der SWP um Respekt antwortete die diplomatische Vertretung, sie werde nicht respektvoll sein, wenn jemand Israel als Apartheidstaat bezeichne. „Wir werden niemanden respektieren, der uns vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen will.“

Der israelisch-deutsche Pädagoge Meron Mendel, der die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main leitet, kritisierte die Botschaft: Frühere Botschafter wie Avi Primor und Schimon Stein hätten für die Interessen Israels „mit intellektueller Aufrichtigkeit“ gestritten. „Davon sind die Äußerungen des aktuellen Botschafters weit entfernt. Vielleicht ist das von einen Repräsentanten einer mehrheitlich rechtsextremen Regierung zu viel erwartet.“ Twitter-Nutzer wiesen Mendel infolge des Kommentars darauf hin, dass Botschafter Ron Prosor von der Vorgängerregierung ins Amt eingesetzt worden war.

„Deutschlandfunk“: „Eingriff in wissenschaftliche und publizistische Freiheit“

Mehrere große deutsche Medien griffen die Twitter-Debatte in Kommentaren auf. Benjamin Hammer vom „Deutschlandfunk“ erwähnte sie am Samstag in einem Meinungsstück zur allgemeinen Lage in Israel und palästinenischen Gebieten – unter der Überschrift „Gewalt, immer nur Gewalt“.

Hammer forderte mehr sachlichen Austausch über das Thema. Die israelische Botschaft habe einer angesehenen Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik „Israelbashing“ unterstellt. Mendel kritisiere Israels Regierung, „vertritt aber keineswegs extreme Positionen“. Weiter heißt es in dem Kommentar: „Man muss die Aussagen von Asseburg oder Mendel nicht teilen. Dass ein Staat aber öffentlich zwei Publizisten teils unsachlich verbal angriff, empfanden viele als Eingriff in die wissenschaftliche und publizistische Freiheit.“

Lea Frehse wiederum geht in der „Zeit“ davon aus, dass sich Asseburg merklich um Sachlichkeit bemüht habe: „Man erlebt dort eine Expertin, die sehr stark ihre Worte wägt. So sehr, dass nicht immer klar ist, was denn für Schlüsse aus ihnen zu ziehen seien. So sagt Asseburg bei Tilo Jung, dass sie den Apartheid-Begriff in der Debatte zu Israel und Palästina nicht hilfreich finde. Aber auch, dass Apartheid als juristisch klar definierter Begriff die Lage im Westjordanland – das Israel ja explizit nicht als sein Staatsgebiet ansieht – durchaus beschreibe.“

In der Kontroverse geht es nach Frehses Ansicht gar nicht um das Interview bei Jung. „Es geht nicht um die Sache. Es geht auch nicht um die einzelne Wissenschaftlerin Muriel Asseburg. Vielmehr geht es um den Ton, der gesetzt wird, um sie zu übertönen. Diesmal allen voran von der Vertretung Israels in Deutschland. Es ist ein Ton, der Angst verbreiten soll. Einschüchtern. Und der über die Jahre wesentlich mit dazu geführt hat, dass eine sachliche, empathische Debatte über den Nahostkonflikt kaum noch möglich ist.“

FAZ-Kommentar kritisiert Assenburgs Ukraine-Vergleich

Einen anderen Schwerpunkt setzt Jürgen Kaube in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er lässt die Online-Debatte außen vor. Mit Blick auf den Vergleich mit der Ukraine merkt er an: „Mithin unterstellt sie, das Vorgehen Putins, das auf eine Vernichtung der Ukraine abzielt, sei so etwas Ähnliches wie Israels Anspruch, die Verhältnisse in Palästina im Griff zu behalten.“

Weiter schreibt Kaube unter der Überschrift „Eine Krankheit namens multiple Analogitis“: Asseburg „unterscheidet auch nicht zwischen einer Armee mit Vernichtungswillen, nämlich derjenigen Putins, und dem Verhalten Israels in den besetzten Gebieten. Dieses Verhalten ist zweifelhaft genug, aber dasselbe dürfte für dasjenige der Hamas gelten“.

Der FAZ-Autor kommt zu dem Schluss: „Asseburg behauptet, der BDS-Beschluss des Bundestags sei auf Druck der israelischen Regierung erfolgt. Sie behauptet, die Deutschen hätten Israel zum Schiedsrichter darüber gemacht, ob sie ihre Lektion aus der Geschichte gelernt haben. Das ist knapp davor, jüdische Strippenzieher am Werk zu sehen, wenn in Deutschland das Existenzrecht Israels ernst genommen und die Hamas sowie Boykottaufrufe als Gefährdungen dieses Rechts angesehen werden.“ (eh)

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7 Antworten

  1. Shalom,habe das Gespräch verfolgt.Einfach nur Antiisrael!!! Kein weiterer Kommentar nötig!!! Jerusalem

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  2. Zum Thema mein OFFENER BRIEF vom 9.7.23
    Guten Tag Herr Scholz.
    Frau Dr. M. Asseburg (SWP) ist von der israelischen Botschaft für den Inhalt eines über zweistündigen Gespräch mit Tilo Jung gerügt worden. Dieses Gespräch enthielt von beiden Seiten grenzwertige Vergleiche und Äusserungen zur israelischen Politik.
    Die SWP sieht die Lage Israel/Palästinenser in anderen Beiträgen israelkritisch, Tilo Jung fällt in der BPK immer wieder durch seine grenzwertigen Fragen zu Israel auf. Das fällt auch für mich unter die Meinungsfreiheit.

    Da die SWP maßgeblich vom Bundeskanzleramt finanziert und von weiteren vier Bundesministerien unterstützt wird, habe ich keinerlei Verständnis dafür, dass die Rüge von politischer Seite und den Stiftungen der SPD und Grünen kritisiert wird.
    Da die SWP auch die Regierung/Ministerien berät, muss diese sicherlich
    sachgerecht und neutral arbeiten.
    Alles Andere unterstützt sonst leider Tendenzen, die wir in Deutschland beklagen und nicht haben wollen.

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    1. Es ist die Aufgabe eines politischen Interviewers, Fragen politisch-rhetorisch zuzuspitzen. Und es ist die Aufgabe einer interviewten Wissenschaftlerin, derartige Zuspitzungen wiederum zu differenzieren, zu versachlichen, Hintergründe aufzuzeigen. Beide, Jung wie Asseburg, sind diesen Anforderungen auf hervorragende Weise gerecht geworden: Ich jedenfalls habe das Interview daher mit Spannung verfolgen können und sehr viel gelernt. Wo ist eigentlich das Problem?

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  3. Es muss in den Medien entschiedene Veränderungen geben. GER muss mehr Hintergrundwissen aus dem Nahen Osten herausarbeiten, am Besten mit KAN Israel od. anderen Israelischen Vertretern. Der Vergleich „Palästina“ mit Ukraine ist wieder mal typisch deutsch. In Österreich gibt es solche Diskussionen nicht, da ist es viel besser als hierzulande. Es fehlt in GER an religiösem Wissen.

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  4. Asseburg hat sich ausschließlich einseitig und verleumdend geäußert. Das ist ungefähr so wissenschaftlich wie – nein, diesen Vergleich mag ich dann doch nicht öffentlich äußern, auch wenn er zutrifft.
    Was ist mit Israelnetz? Gibt es neben dem rein neutralen Bericht von Israelnetz auch eine Stellungahme zum Thema?

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  5. Wer es hören will, kann die wahren Absichten hinter diesem Interview ganz klar erkennen – Israel ist so „böse“ wie Rußland böse ist. Dass Frau Asseburg die Bundesregierung berät, muss uns aufhorchen lassen. Auch wenn es vereinzelt Kritik an diesem Interview gibt, bekommt Frau Asseburg von Kollegen und von politischen Stiftungen der Grünen und der SPD Rückendeckung.
    So wollen auch in Deutschland viele nicht wahrhaben, dass sich die Stimmung gegen Israel mehr und mehr dreht – die deutsche Bundesregierung regiert mehrheitlich „ohne die Hilfe Gottes“ – so ist eine eher ablehnende Haltung gegenüber „‚Gottes Eigentumsvolk“ fast unausweichlich.
    Schon Jesus sagt: „Ihr habt Augen und seht nicht, und ihr habt Ohren und hört nicht? (Mark.8,18)
    Aber auch diese Entwicklung lässt der allmächtige Gott zu – das dürfen wir nicht vergessen.
    Liebe Grüße Martin

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  6. Na ja, wer sich alles so Nahost-Experte nennt. Davon haben wir hier viele. Das Rumlavieren um den Apartheidsbegriff ist beschämend. Der Vergleich mit der Ukraine bodenlos. Die Reaktion der israelischen Botschaft unterstütze ich voll und ganz. Israelbasher sollen Druck spüren. Geschieht ihnen Recht. Und dann auch noch Respekt einzufordern. Frechheit!

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