„Eine grausame Achterbahn, die nie anhält“

Die Familien der Geiseln bemühen sich nicht nur in Israel um Solidarität und Unterstützung. In Franken nimmt der Vater von Nimrod Cohen an einer Gesprächsrunde teil.
Von Israelnetz

FÜRTH (inn) – Nimrod Cohen ist seit dem 7. Oktober 2023 eine Geisel der Terrorgruppe Hamas. Am Dienstag sprach der Vater Jehuda Cohen im mittelfränkischen Fürth über das Schicksal seines Sohnes. Veranstalter des Gesprächsabends in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde war die Deutsch-Israelische Gesellschaft Nürnberg-Mittelfranken. Er stand unter dem Titel „Eine grausame Achterbahn, die nie anhält“.

Jehuda Cohen, der gemeinsam mit Yonatan Amrani und Inna Volovik auf dem Podium saß, gewährte den Anwesenden einen eindringlichen und zutiefst persönlichen Einblick in das Leben seiner Familie seit jenem schwarzen Tag. Der Abend war ausdrücklich kein politisches Forum – vielmehr ein Raum des Zuhörens und Mitfühlens. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt, um allen Gästen einen Zugang zu ermöglichen.

Nimrod Cohen war zehn Monate bei der israelischen Armee und hatte kurz zuvor seinen Schulabschluss gemacht. Am Morgen des 7. Oktobers 2023 wurde seine Familie um 6:30 Uhr von Sirenen geweckt. Nimrod war zu diesem Zeitpunkt an der Grenze zu Gaza stationiert. Jehuda Cohen berichtete, wie er verzweifelt versuchte, Kontakt zu seinem Sohn aufzunehmen – vergeblich. Stunden später fand er auf YouTube Videos der Hamas und erkannte darin seinen Sohn: Nimrod lag am Boden und wurde von einem Terroristen weggezerrt – der einzige Überlebende seiner Panzerbesatzung.

Erst eineinhalb Tage später informierte das Militär die Familie offiziell über die Entführung. Seither kämpfen die Cohens unermüdlich für seine Freilassung. Jehuda Cohen reiste bereits fünfmal in die USA, um internationale Aufmerksamkeit für die Geiseln zu schaffen. Die Familie lebt seitdem im Ausnahmezustand. Die Mutter Vicky ist derzeit arbeitsunfähig, Jehuda arbeitet von zu Hause als Algorithmus-Ingenieur. Auch die Geschwister von Nimrod tragen schwer an der Situation – seine Zwillingsschwester Romy dient inzwischen selbst in der Armee, der älteste Bruder war im Kriegseinsatz.

Bewegender Moment für Angehörige

Besonders bewegend für die Zuhörer war der Moment, als Jehuda Cohen erzählte, dass seine Familie Nimrod zuletzt an Simchat Tora gehört habe. Zwei Monate lang hatten sie keinerlei neue Informationen. Doch aus Berichten kürzlich befreiter Geiseln wissen sie: Nimrod lebt. Diese Überlebenden hatten mit ihm im gleichen Tunnel gelebt. Auch in einem Video, das im Januar veröffentlicht wurde, konnten ihn seine Eltern trotz Verpixelung an seinem Tattoo erkennen. Sein Zauberwürfel, den er stets bei sich trug, ist für die Familie zum Symbol seines Überlebenswillens geworden.

Jehuda betonte mehrfach, dass das Überleben der Geiseln maßgeblich davon abhängt, bei wem sie festgehalten werden – doch es gebe Hoffnung, weil Nimrod jung und gesund sei. Gleichzeitig machte er deutlich: Nur ein umfassender Deal könne die verbliebenen Geiseln retten – temporäre Waffenruhen seien keine Lösung. Die israelische Regierung, sagte Cohen, trage Verantwortung für das Leben der noch lebenden Geiseln – unter ihnen sein Sohn. „Während der Schoa gab es keinen Staat, der uns schützen konnte. Heute gibt es ihn – also soll er handeln“, forderte er.

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde ein gemeinsames Gebet für die Soldaten gesprochen – ein stiller, aber kraftvoller Ausdruck der Solidarität und Hoffnung.

Der Abend hinterließ bei den Zuhörern einen bleibenden Eindruck. Jehuda Cohens Worte, geprägt von tiefer Trauer, ungebrochener Hoffnung und kämpferischer Entschlossenheit, machten deutlich: Hinter jeder Geisel steht eine Familie – und jede Familie verdient Gewissheit, Gerechtigkeit und die Rückkehr ihrer Liebsten.

Von Lena Prytula

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9 Antworten

  1. So ist es: Jede Familie verdient Gewissheit, Gerechtigkeit und die Rückkehr ihrer Liebsten. Jehuda Cohen, ich bete mit Ihnen für die Unversehrtheit und für die Rückkehr Ihres Sohnes Nimrod. Sie haben Recht.: Zur Zeit der Schoa gab es keinen Staat, der die Juden schützen konnte. Jetzt gibt es einen und er handelt für das ganze Volk. Leider gehen die Terroristen auf kein Angebot der Regierung Israels ein. Und leider geht es momentan nicht den Weg, wie wir uns das für alle Geiseln wünschen würden. Aber wir hoffen auf das Eingreifen Gottes. 🙏🎗🇮🇱

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  2. Die Gespräche sind gut und wichtig. Es wird in den „großen“ Medien leider zu wenig über das Schicksal der Geisel-Familien gesprochen. Ich wünsche der Familie Cohen weiterhin alles Gute.

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  3. In Bezug auf die Geiseln sind Netanjahus Prioritäten leider falsch gesetzt und Trumps Schaumschlägerei bringt auch nichts.

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  4. Unfassbar grausam, was vor allem den Geiseln, aber auch ihren Familien angetan wurde bzw. wird.
    Eigentlich fehlen mir die Worte, um mich diesbezüglich zu äußern. Es macht mich sprachlos, fassungslos.

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  5. Und wieder haben wir keine einzige Schuldzuweisung an die Hamas. Es ist alles so einfach. Heute morgen war ich in Tel Aviv auf dem Platz der Geiseln. Zugegeben es war noch etwas früh, war gegen 10 Uhr israel. Zeit dort. Es gab eine Touristengruppe, die sich von einer Führerin etwas erzählen ließ. Die andern und wir waren wenig, die so auf dem Platz waren wurden nicht beachtet. Ein Mann hielt mir einen gelben Schmetterling hin, war aber nicht gerade gesprächsbereit. Wenn man nicht von selbst das Gespräch anfing, passierte nichts. Was ist das? Da Wissen, dass man keine „Werbung“ für sich machen muss, denn die Meinung der Mehrheit steht je auf unsere Seite? Und die Beachtung findet sich ja am Samstagabend zur besten Sendezeit. Ich bin gespannt, wie es beim Tikwaforum sein wird, das ich dann auch noch besuchen werde.

    Ich bin ohne irgendeine Erwartung hin. Was mich gefreut hätte, dass jemand von sich aus gefragt hätte, wo kommst du her, was machst du hier. Und was mich noch mehr gefreut hätte, wäre ein bete für uns, für meinen Sohn usw. Aber da kam nichts.

    Gestern Abend bei meiner Ankunft fuhr ich mit dem Taxi ins Hotel und unterhielt mich mit dem Fahrer ein wenig, auch über die Orthodoxen in Jerusalem, er mag Mea Shearim nicht, auf meine Frage, aber in Tel Aviv gibt es ja auch eine orth. Gemeinschaft meinte er, ja, aber die seinen modern. Vielleicht ist es ja auch modern sich nicht an Gott zu wenden, wenn es um die Geiseln geht. Aber warum sollte Gott dann handeln, wenn man ihn nicht will?

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    1. @Christin
      Liebe Christin, deiner Erzählung nach bilden die Menschen dort keine Einheit, das Ziel ihrer Versammlung ist irgendwie nicht erkennbar. Und sie nehmen Fremde nicht mit ins Boot. Vielleicht sind sie zu gefangen in ihren Schmerz und wollen, dass das aufhört und Nethanjahu den Krieg beendet? Ich wünsche dir eine gesegnete Zeit in Israel und viele gute Begegnungen. Pass auf dich auf. Grüßle von Ella 🙏🎗🇮🇱🛐

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      1. Ich weiß es nicht, Ella. Es war nur seltsam. Aber mehr will ich dazu jetzt auch nicht sagen, ich will das Tikwaforum abwarten, wie die mit denen umgehen, die kommen.

        Ich war heute früh in Old-Jaffa, zu Fuß, es ist ja Shabbat. War viel los unterwegs, der Strand gut gefüllt. Mir sind junge Väter begegnet, die mit Kinderwagen gejoggt haben, einer lief mit Hand und Baby im Tuch auf der Brust. Junge Frauen, Ältere und ich habe mich gefragt, was ist wenn in drei Jahren die Hamas wieder zu schlägt, vielleicht erwischt es dann so einen jungen Vater und sein Kind. Was sagt man dann der Frau? Ist halt so? Leidet die dann nicht? Es ist ein Spagat, den die Regierung hier hinbekommen muss. Es geht nicht nur um die Geiseln jetzt, es geht um das Überleben des Staates, es geht darum, dass keine weitere Geiseln mehr genommen werden können. Ich habe es schon mal geschrieben, dass ein junger Mann bei der Freilassung von Shalit sagte, es ist nicht gut, auch wenn es mich selbst treffen kann, da ich Reservist bin, aber ich bin gegen die Freilassung so vieler Terroristen, sie können wieder morden und er hat Recht behalten, damals kam Sinwar frei.

        Ich sehe, dass man zwei Positionen gegeneinander ausspielt, man will die andere Seite nicht verstehen und schon gar nicht darüber diskutieren, ich hatte gestern noch ein Gespräch mit einer älteren Dame, lebt die Hälfte des Jahres in Isr, die andere in D. Die hat kein Problem, wenn es in Israel nicht mehr geht, weil die Hamas es fordert und man die Forderung akzeptiert, hat sie einen Platz.Was ist mit den Millionen anderer Israelis, die nur Isr haben

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        1. @Liebe Christin
          Da werden Erinnerungen wach. Wir waren 2019 das letzte Mal in Il und haben 3 Tage in Tel Aviv verbracht, dann ein Auto ausgeliehen und eine Rundreise gemacht.
          Ja, ich weiß, die Geiselnahme ist das große entscheidende Thema, an der die Einigkeit Israels zerbricht. Ich verstehe deine Meinung und teile sie auch, dass die Regierung für die ganze Nation entscheiden muss. Aber mir zerreißt es andererseits das Herz, dass die Geiseln in den Tunneln elend verrecken. Nethanjahu hat so viel angeboten, freies Geleit in andere Länder für die Terroristen wenn sie aufgeben, 1 Million, wenn jemand den Aufenthaltsort der Geiseln verrät… Nichts wurde angenommen. Was er macht ist falsch. Aber ich befürchte, die Hamas zu besiegen wird nicht gelingen oder nur mit weiteren toten Soldaten, gestern wieder 2 blutjunge Männer. 😱 Wo soll das hinführen? Der Spagat ist riesig. Und kann er sich wirklich auf Trump verlassen? Wir haben von hier aus alle gut reden. Und da ich so ratlos bin, bleibt mir nur das Beten, für die Regierung, für die Geiseln, für das zerrissene Volk, für die Soldaten vor allem und für Frieden.
          Hab eine gesegnete Zeit.🙏🇮🇱✡️

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          1. Ja, Netanjahu hat viel angeboten, was er nicht anbietet ist die Hamas leben zu lassen und damit weiter die Gefahr von Geiselnahmen und Morden.

            Wenn man durch Tel Aviv läuft, dann sieht man überall die Flyer hängen mit bring them home now und die gelben Schleifen.

            Heute kam bei Jerusalem Post ein interessanter Artikel, der kurz zusammen gefasst, es gut auf einen Punkt bringt. Es geht letztendlich nur um eines: Netanjahu muss weg, man scheut sich nicht ihn als Verräter, als Hitler zu bezeichnen, inzwischen würden linke Aktivisten sogar fordern, ihn als unfähig für den Job zu erklären. Sagt nur aus, dass man die Wähler von der Regierung delegitimiert, ihnen das demokratische Recht abspricht, zu wählen was sie wollen. Man versucht mit allen Mitteln ihn aus dem Amt zu jagen. Man fordert Medien zu verbieten, die ihm nahestehen wie Israel Hayom oder TV-Kanal 14. Aber er ist demokratisch gewählt und das hat man zu respektieren, dann muss man für die nächste Wahl Mehrheiten finden. Mich hat der Artikel an den Beginn des 3. Reiches erinnert, wo man auch nur noch Medien zuließ, die der Regierung passten. Wo man die mundtot machte, die nicht der eigenen Meinung entsprach. Will die Linke da in Israel wirklich hin? Ist das ihre einzige Möglichkeit die Regierung zu stellen?Das kann es nicht sein.

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