Die Proteste ehemaliger Kämpfer mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) – auf Hebräisch Alumei Krav – werden auf den Straßen Israels immer sichtbarer. Seit einem Monat lebt eine Gruppe von sechs Überlebenden von Kriegstraumata in einem kleinen Zeltlager vor den Büros der Rehabilitationsabteilung in Petach Tikva: drei Zelte, Chemietoiletten und eine mobile Dusche. Auf ihren Schildern steht: „Überlebende von Kriegstraumata sind nicht unsichtbar“, „Beendet die Diskriminierung zwischen physischen und psychischen Verletzungen“ und „Wir fordern Gerechtigkeit“.
Dieser Protest ist eine Reaktion auf die Nachricht, dass im Juli sieben Soldaten Suizid begingen. „Wir verhindern den nächsten Suizid!“, rief Izik Saidian während einer Protestaktion auf der Ajalon-Schnellstraße. Saidian selbst wurde 2021 zum Symbol des Kampfes um psychologische Betreuung, als er vor der Rehabilitationsabteilung einen Suizidversuch unternahm, indem er sich in Brand setzte – einen Tag vor Jom HaSikaron, dem Gedenktag für die Gefallenen Israels und die Opfer des Terrors.
„Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe, aber ich bin stolz auf das Ergebnis. Ich habe mich auf eine Granate geworfen, damit sich keine weiteren Soldaten das Leben nehmen. Gott entschied, dass ich leben sollte, weil ich noch eine Mission habe – für meine Brüder zu kämpfen, die nach 500 Tagen Kampf gebrochen zurückkehren, während der Staat sie dem Tod überlässt“, sagte er.
„Ich werde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, damit die Soldaten die Anerkennung und Ehre erhalten, die ihnen zusteht – nicht als ‚posttraumatisiert‘, sondern als Überlebende von Kriegstraumata.“ Seiner Meinung nach ist die einzig echte Lösung eine eigene Gesetzgebung speziell für Soldaten, die nach ihrem Einsatz an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden.
Ausschuss-Sitzung gestürmt
Ende August stürmten Aktivisten, ehemalige Kämpfer aus Gaza, eine Sitzung des Finanzausschusses der Knesset zum Wiederaufbau der nördlichen Grenzstädte. Einer hielt ein Foto seines Freundes hoch, der Suizid begangen hatte: „Er hat es nicht mehr ausgehalten“, sagte er. „Wir haben gekämpft, um alle zu schützen – in Gaza spielte die politische Zugehörigkeit keine Rolle. Warum spricht jetzt niemand mit uns? Ihr schweigt, während die Zahl der Suizide steigt!“
Er fuhr fort: „Was ist mit den 20-Jährigen, die ihre zerstückelten Freunde getragen haben? Kümmern Sie sich um sie, kümmern Sie sich um uns. Tun Sie etwas, bevor ich der Nächste bin!“ Die Ausschussmitglieder saßen in peinlicher Stille.
Als der Vorsitzende Alon Schuster Worte der Unterstützung anbot, schnitten die Aktivisten ihm das Wort ab: „Wir brauchen keine Worte, wir brauchen ein Budget für psychologische Betreuung – wie viele müssen noch sterben, bevor Sie handeln?“
Im Jahr 2024 begingen 21 Soldaten Suizid, 2023 waren es 17 – die höchsten Zahlen seit 2011. Die Daten zeigen, dass die meisten der im vergangenen Jahr verstorbenen Soldaten Reservisten waren. 10.000 Reservisten und Wehrpflichtige – mehr als die Hälfte aller Kriegsgeschädigten – sind psychisch verletzt und mit PTBS oder anderen psychischen Störungen anerkannt, verursacht durch die Belastungen auf dem Schlachtfeld. Die israelische Armee erklärte jedoch, dass im Verhältnis zur Gesamtzahl der aktiven Soldaten und Reservisten der Anstieg nicht dramatisch sei.
Experte warnt vor Suizid-Welle
Anfang dieses Jahres warnte Jossi Levi-Belz, Leiter des Lior-Zafati-Zentrums für Suizid- und psychische Schmerzforschung, dass eine neue Welle von Selbsttötungen bevorstehen könnte. Er erklärte, dass Krisen wie der 7. Oktober vorübergehend die Suizidrate senken. Danach steige jedoch das Risiko, da Reservisten weiterhin unter posttraumatischen Belastungen leiden. „Wenn das Gefühl der Zusammengehörigkeit schwindet“, sagte er, „setzt die schmerzhafte Einsamkeit ein – und damit ein höheres Suizidrisiko.“
Die Armee veröffentlicht nur jährliche Daten, daher ist unklar, wie viele Soldaten 2025 gestorben sind. Leaks und Ermittlungen haben jedoch mindestens 17 Suizide bestätigt – die Zahl könnte bis Dezember deutlich höher liegen.
Während auf konkrete Maßnahmen der Regierung gewartet wird, entstanden in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Organisationen, die sich diesem Problem widmen. Viele wurden von Ex-Reservisten gegründet, die die bürokratischen Hürden und Nachlässigkeit selbst erfahren haben und andere davor bewahren wollen.
Der Ex-Kampfsoldat Ido Gal Razon gründete „Lochamim L’Haïm“ („Kämpfer fürs Leben“). Die Organisation bietet kostenlose finanzielle, rechtliche und medizinische Unterstützung für Soldaten mit PTBS. Aufgrund der enormen Nachfrage musste sie die Annahme neuer Anträge auf rechtliche Hilfe vorübergehend einstellen.
Budget reicht nicht aus
Itamar Graf ist stellvertretender Direktor und Leiter der Planungsabteilung im Verteidigungsministerium. Er erklärte auf der Konferenz MUNI EXPO 2025: „Vor dem 7. Oktober bearbeitete unsere Rehabilitationsabteilung 60.000 Fälle. Heute sind es fast 80.000. Viele davon haben psychische Probleme, und etwa 65 Prozent der Hilfesuchenden sind Reservisten. Unsere Aufgabe ist ihre Rehabilitation.“
Budgetär gesehen habe sich vieles verändert. Als er Leiter der Budgetabteilung war, habe das Budget umgerechnet rund 970 Millionen Euro betragen. Heute würden rund 2,1 Milliarden Euro allein für Betroffene bereitgestellt.
„Wir haben Lösungen im Bereich Suizidprävention eingeführt. Früher riefen Menschen an und sagten, sie könnten nicht mehr – wir riefen die Polizei, die schlechteste Lösung. Heute gibt es zivile therapeutische Teams, die zum Soldaten nach Hause kommen und ihn unterstützen“, fügte er hinzu. Während des Krieges habe die Armee 800 zivile Psychologen mobilisiert. „Wir versuchen, alle zu erreichen, aber bei dieser großen Zahl an Soldaten gibt es leider Suizide, und wir sehen einen Anstieg. Jeder Fall ist ein Versagen von uns.“
Die Ethos der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte baut auf dem Leitbild „Zwa HaAm“ (die Armee des Volkes) auf, bekannt in der gesamten israelischen Gesellschaft. Wenn das System möchte, dass dieses Leitbild relevant bleibt, muss es beweisen, dass es sich um seine Menschen kümmert – insbesondere um die psychisch verletzten Soldaten, die sich im Stich gelassen fühlen.
» Seit Hamas-Massaker: 891 gefallene Soldaten
» Traumatisierter Kriegsveteran zündet sich selbst an
» 2020: Weniger Soldaten-Suizide bei insgesamt niedrigen Todeszahlen
Sollten Sie selbst von Suizidgedanken betroffen sein, suchen Sie sich umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner unter: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
9 Antworten
Der lebendige Gott ist der beste Ansprechpartner, Arzt und Therapeut.
Lieber Gruß Martin
@Untertan
Ich fürchte,das alleine wird nicht funktionieren. Die meisten haben wahrscheinlich den Glauben an alles verloren. Sonst würden sie keine Suizidgedanken haben! Und noch ist Gottes Reich nicht gekommen,wo es so etwas nicht mehr gibt. Aber statt vieler Worte könnten Sie sich doch an einer großzügigen Spendenaktion beteiligen oder eine ins Leben rufen. Ich bin mir sicher,der Herr wird es mit Freuden sehen!
Viele Grüße Manu
Liebe Manu, meine über 30-jährige Arbeit als Therapeut und Leiter von SHG habe ich vor etlichen Jahren beendet. Liebe Manu unser Herr Jesus heilt auch heute, hat nie damit aufgehört. Menschen und Christen haben ihren Glauben daran verloren, keine Kraft mehr in den Gemeinden! Ich weiß, dass es keinen effektiveren Arzt und Therapeuten gibt, als den auferstandenen Sohn Gottes.
Lieber Gruß zu Ihnen, Martin
Bei der Lektüre dieses hochinteressanten Artikels musste ich an unseren Forums-Freund Jerusalem denken, aus dessen jüngsten Beiträgen viel Verzweiflung sprach. Den Soldaten und Rerservisten muss geholfen werden, medizinisch, aber auch gesellschaftlich. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, gezielt dafür zu spenden, wenn jemand etwas dazu weiss, bitte schreiben.
So traurig, dass Soldaten, die mit ihrem Leben fürs Land, für die Bevölkerung kämpfen, vermutl. so manch bestialisch ermordete Freunde, Familien und gefallene Soldaten erlebt haben, sich dann im Stich gelassen fühlen und keinen anderen Ausweg mehr haben.
Die PTBS nach einem solchen Grauen mit diesen bestialischen Monstern ist nicht verwunderlich.
Sie brauchen in jedem Fall fachlich kompetente, pschologische Unterstützung…
Möglichkeiten für diesbezüglich Spenden könnte es evtl. bei Israel Heute, ICEJ geben?
Soldaten sind auch nur Menschen, die im Krieg einen blutigen und sehr undankbaren Dienst verrichten. Man lässt sie hochleben für gewonnene Schlachten und rühmt sie, aber die Schlachten in ihrer Seele müssen sie alleine ausfechten, ohne Unterstützung, und so verlieren viele von ihnen.
Bibi sollte mal dringend darüber nachdenken, daß seine Soldaten physisch zwar siegreich sind, aber sie leiden auch darunter.
Ich habe dahingehend eigene Erfahrungen gemacht als Soldat der Bundeswehr, auch wenn es sich dabei nur um einen Unfall bei einer Übung mit scharfer Artilleriemuntion
in Shilo, Kanada, gehandelt hat vor 40 Jahren.
Ich gehörte damals mit zu den Splitterverletzten,und habe mein Trauma nur damit besiegt, indem ich mir, bevor wir uns selbst ins Lazarett begeben haben zwei Tage lang fast bis zur Bewusstlosigkeit vollgesoffen und ausgeheult haben,danach war ich damit durch, und nur deswegen kann ich heute leidenschaftslos darüber sprechen, aber die eigene Sterblichkeit ist mit erschreckend bewusst geworden. Der letzte Splitter ist mir erst vor zwei Jahren entfernt worden, ein Schatten der Vergangenheit……………..SHALOM
Das mit dem Spenden ist eine super Idee. Ich wäre dabei! @Antonia: ich musste auch an Jerusalem denken. Da muss unbedingt geholfen werden. Ganz schnell und unbürokratisch!
Die israelische Soldaten kämpfen auch für uns, kämpfen gegen einen Feind, der uns alle bedroht. Und die Spanier? EU-Kommissarin Ribera „Sprachrohr der Hamas“ redet von „Völkermord“.
Wenn man Suizud begeht, hat man Glauben und jegliche Hoffnung verloren. Grausame Bilder von Gewalt und Kameradenverlusten bleiben im Gedächtnis. Verletzungen, Schmerzen. Dem folgt Sinnlosigkeit. Herr Netanjahu, ich fordere sie auf, kümmern sie sich um die Soldaten/ Innen, die den Kopf hinhalten und die Gewalt des Krieges nicht mehr verkraften. Dazu der Hass der Weltbevöllerung.
IDF, Ihr Lieben, wir beten in grosser Verzweiflung für EUCH. EWIGER, höre bitte den Schmerz unseres Volkes und unser Flehen.