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Diese Karten klären nicht auf

Mit Onlinekarten will die siedlungskritische Organisation B'Tselem die landschaftliche Dimension des Nahostkonflikts demonstrieren. Die Erklärtexte dazu werfen allerdings Fragen auf – vor allem die nach der Verantwortung der Palästinenser. Eine Analyse von Daniel Frick
Anschauliches Material mit einseitigen Texten: Das Kartenprojekt von B'Tselem

Mit Karten ist das immer so eine Sache: Sie können den interessierten Bürgern dabei helfen, Landverhältnisse einzuordnen. Bei amerikanischen Präsidenten führt diese Form der Aufklärung mitunter zu Zorn. Letzteres geschah dem Vernehmen nach im Frühjahr 2015 mit Barack Obama. Im siebten (!) Amtsjahr hat ihn offenbar anhand einer Nahostkarte die Erkenntnis eingeholt, dass ein Palästinenserstaat ganz und gar unmöglich sei – wegen der zerklüfteten politischen Landschaft im Westjordanland. Dabei war in der Vorstellungswelt Obamas die Zwei-Staaten-Lösung die „einzige“ Möglichkeit für Frieden – so erklärte er es bereits 2009 zu Beginn seiner Amtszeit in seiner Kairoer Rede.

Die Rechnung kam anderthalb Jahre nach dieser Einsicht, als die USA darauf verzichteten, ein Veto gegen eine siedlungskritische Resolution des UN-Sicherheitsrates einzulegen. Obama wollte in den letzten Tagen seiner Amtszeit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen der Siedlungspolitik noch eins auswischen. Dieser Vorgang wiederum führte zu der pro-israelischen Verve, die die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley in ihrer wenige Wochen später beginnenden Amtszeit an den Tag legte: Sie sagte sich, dass die USA nie und nimmer mit einem Verbündeten im Sicherheitsrat so umgehen dürften.

Karten mit einer Botschaft

Diese Abfolge der Ereignisse zeigt nur eines: Kartenmaterial kann für politische Brisanz sorgen. Vor allem kann es auch für eigene politische Ziele verwendet werden, und das gerade dann, wenn sie mit entsprechenden Deutungstexten versehen sind. Die siedlungskritische israelische Organisation B‘Tselem hat mit der Absicht eigenes Kartenmaterial auf einer Homepage aufbereitet. Sie will damit eben genau das zeigen, was Obama einst so erschüttert hat: Die Überschrift „Erobere und teile“ ist in diesem Sinne eindeutig.

Dabei lässt sich vorab anmerken: Karten haben die Aufgabe, die Realität aufzuzeigen. Und ein so aufwändiges Kartenprojekt wie das von B‘Tselem ist dem Prinzip nach wertvoller als Karten, die etwa das gesamte Westjordanland einfarbig darstellen – denn die geben die komplexe Wirklichkeit in dem Gebiet sicher nicht wieder.

Entscheidend ist allerdings, wie diese Karten gedeutet werden. Und dabei gibt schon der Einführungstext von B‘Tselem Anlass zu Rückfragen. Bei Darstellungen dieser Art – also mit siedlungskritischem, meist „linkem“ Impetus – ist es üblich, die Geschichte 1967 beginnen zu lassen: Nämlich als Israel in einem Verteidigungskrieg ebenjene Gebiete eroberte, die es zum Teil bis heute besetzt. Dass das Westjordanland davor jordanisch besetzt, sogar annektiert war, bleibt unerwähnt. 19 Jahre lang gab es keine einzige israelische Siedlung im Westjordanland; aber merkwürdigerweise auch keine Versuche, dort einen „Palästinenserstaat“ zu errichten. Dass es bis heute keinen solchen Staat gibt, ist also nicht allein Israel anzulasten.

B‘Tselem behauptet, dass Israel „seit 1967“ darum bemüht sei, „palästinensischen Raum“ zu fragmentieren. Dabei waren es die Araber, die 1967 sämtlichen Bemühungen um Verhandlungen eine Absage erteilten. Zu schreiben, Israel habe es quasi vom ersten Tag der Besatzung an auf eine Fortführung des Konfliktes angelegt, ist dann mit Fug und Recht als „anti-israelisch“ einzustufen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil so eine Behauptung die andere Seite von jeglicher Verantwortung freispricht – indem man sie erst gar nicht erwähnt.

Gezielte Auslassung

Verzerrend ist auch die Behauptung, „wegen der Politik Israels“ seien zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen „eingekerkert“. Israel kontrolliert die Güter und Personen, seitdem die Terror-Organisation Hamas im Jahr 2007 die Herrschaft in dem Gebiet übernommen hat – und zwar zu Recht. Regelmäßig wird bekannt, dass Palästinenser aus dem Gazastreifen Material für Anschläge in Israel herausschmuggeln wollen, ganz abgesehen von dem festen Willen der Hamas, gegen Israel terroristisch vorzugehen und dafür Einfuhrmaterial zu verwenden, mit dem eigentlich Schulen gebaut werden sollten.

Was für eine Agenda die Hamas hat, erwähnt B’Tselem im Übrigen nicht; so eine Auslassung ist schlicht nicht nachvollziehbar. Nicht nur dieser Umstand ist Beleg dafür, dass das Kartenmaterial nicht aufklären, sondern beim Betrachter eine anti-israelische Haltung fördern soll.

Dabei lässt sich durchaus zugestehen, dass B’Tselem Recht hat, dass Israel Siedlungen – auch – errichtet hat, um Gebiete zu „teilen“. So formulierte es etwa der Übergangspremier von 1969, Jigal Allon. Aber der Kontext fehlt: In der arabischen Welt herrschte über Jahrzehnte hinweg die Auffassung, Israel vernichten zu können. Dass der jüdische Staat dem aus Sicherheitsgründen strategisch angelegte Siedlungen entgegensetzt, muss niemanden wundern.

Abgesehen davon bedeutet so eine „Teilung“ eben nicht „Isolation“ – es sei denn, man versteht darunter die eher illiberale Auffassung, dass sich Palästinenser nur untereinander austauschen sollen. Auch während der Besatzung gab es eine Zeit, in der freier Personen- und Warenverkehr möglich war. Immerhin: Das ist eine Sache, die B’Tselem nicht verschweigt. Doch die Organisation verschweigt etwas anderes, nämlich den Umstand, dass die Checkpoints, die in dem Kartenmaterial natürlich genau eingetragen sind, aufgrund der Ersten Intifada Ende der 1980er eingeführt wurden. Palästinenser behaupten selbst, dass die eigentlichen Schwierigkeiten erst mit dieser Intifada losgingen.

Hinzu kommt natürlich auch der Umstand, dass es seit dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 dort ein zusammenhängendes Gebiet gibt. Aber die Lebensumstände haben sich unter der Hamas-Terrorherrschaft verschlechtert. Es scheint nicht so zu sein, dass es die Präsenz von Siedlungen ist, die über das Wohl und Wehe der Palästinenser entscheidet.

Mit dem Kartenmaterial hat B’Tselem geradezu klassische Standpunkte anti-israelischer Propaganda aufwändig aufbereitet. Wichtige Aspekte, die ein ausgewogeneres Bild vermittelt hätten, fehlen. Ob diese Form der Darstellung wirklich auch im Interesse der Palästinenser ist oder einer umfassenden Friedenslösung dient, wie B’Tselem es vorgibt, darf bezweifelt werden.

Von: Daniel Frick

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