Die Wiege des Mönchtums

Die Ursprünge des Christentums liegen im Nahen Osten. Die Wiege des Mönchtums finden wir in Nordafrika. Im Heiligen Land gründete sich eine besondere monastische Lebensform, die sogenannte „Laura“.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Aufbruch in Kairo vor Sonnenaufgang, um dem morgendlichen starken Straßenverkehr und geschätzten drei Millionen Pendlern in der Metropole am Nil zuvorzukommen. Meine Spurensuche nach den Ursprüngen des Mönchtums wird mich an diesem Tag in Ägypten tief in die Wüste führen.

Der muslimische Taxifahrer wurde mir von einem ägyptischen Bekannten als zuverlässiger Fahrer empfohlen. Und tatsächlich, Mahmud erwartet mich bereits vor dem Haus. Beim Verstauen meines Rucksacks, von Proviant und unzähligen Wasserflaschen versichert mir Mahmud, den Weg zu meinem Ziel, dem koptischen Sankt-Antonius-Kloster, zu kennen. Und fast noch wichtiger: eine gültige Fahr-Lizenz für den Landesteil zu haben.

Die Koptisch-Orthodoxe Kirche führt ihren Ursprung auf den Apostel Markus zurück. Markus war ein Begleiter von Paulus, den er in Jerusalem kennengelernt hatte. Gemeinsam waren sie auf Zypern und anschließend in Rom. Im Jahr 66 nach der Zeit hatte Paulus aus dem Gefängnis Timotheus angewiesen, Markus mit nach Rom zu nehmen: Lukas ist allein bei mir. Nimm Markus und bringe ihn mit dir! Denn er ist mir nützlich zum Dienst. (2. Timotheus 4,11; Eberfelder Bibel) Trotz einer früheren Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen, erkennt Paulus Markus‘ Wert für den Dienst an.

Nach Petrus‘ Tod durch Kreuzigung verlieren sich Markus‘ Spuren. Einer antiken Tradition nach kam Markus Mitte des 1. Jahrhunderts in das ägyptische Alexandria – benannt nach Alexander dem Großen, sein Grab wird hier vermutet –. um unter der seinerzeit Griechisch-sprachigen Bevölkerung das Evangelium zu verkünden. Historisch belegt ist, dass das Christentum bereits gegen Ende des 2. Jahrhunderts in Unter- und Oberägypten verbreitet war.

Der Evangelist starb wahrscheinlich zwischen 68 und 72 in Alexandria, so berichtet es die so genannte Markus-Geschichte aus dem 4. Jahrhundert. Sein Leichnam sei vor dem Verbrennen in Sicherheit gebracht worden. 828 hätten zwei venezianische Händler den Körper nach Venedig gebracht, wo seine sterblichen Überreste bis heute in dem ihm geweihten Markusdom aufbewahrt werden.

Herzliche Begrüßung in der Wüste

Nach langer Fahrt durch eine menschenleere Wüste zeichnen sich Gebäude-Konturen ab. Wir erreichen mein Ziel, das Sankt-Antonius-Kloster, gelegen an den Ausläufern des 1.464 Meter hohen Galata-Felsplateaus, etwa 335 Kilometer südöstlich von Kairo in der sogenannten Östlichen Wüste. Sie ist neben der Nubischen Wüste die östlichste Teilwüste der Sahara.

Mahmud ist sichtbar erleichtert, heil angekommen zu sein: „wasalna, al-hamdullilah“,wir sind angekommen, Allah sei Dank!“. Wohltuende Stille. Obwohl noch früh morgens, brennt die Sonne bereits. Unsere Wege trennen sich für die nächsten Stunden, Mahmud wird sich ausruhen, um fit für die lange Rückfahrt und den allabendlichen chaotischen Verkehr in Kairo zu sein.

„Ahlan wa sahlan“, „herzlich willkommen“, begrüßt mich Anba Antunijus auf Arabisch, ich erwidere seinen Willkommensgruß mit „ahlan bik“, „sei willkommen!“. Seine dunklen Augen funkeln vor Freude, mich als eine der wenigen westliche Besucher, die den langen Weg in diese Abgeschiedenheit auf sich nehmen, zu empfangen. Nach orientalischer Sitte reicht mir der koptische Mönch als erstes ein Glas stark gesüßten schwarzen Tee, dazu ofenfrisches Brot. Köstlich!

Antunijus erzählt mir, sein Name sei nicht sein Geburtsname, er habe ihn beim Eintritt in das Kloster gewählt in Verehrung seines spirituellen Vorbilds, des Heiligen Antonius. In den kommenden Stunden werde ich viel über die kulturhistorische Bedeutung der Kopten und des Sankt-Antonius-Klosters erfahren.

Kopten als Nachkommen der altägyptischen Kultur

Das Wort „koptisch“leitet sich vom Griechischen aigyptos/aigyptioi ab, dieses wiederum wurde von „Hikaptah“ inspiriert, einem der vielen Namen für Memphis, der ersten Hauptstadt im antiken Ägypten. Die Kopten sehen sich als direkte Nachkommen der altägyptischen Kultur. Die Araber gaben dem Wort Kopte erstmals eine religiöse Konnotation, fortan wurden mit „koptisch“ christliche Ägypter bezeichnet.

Die Kirche in Ägypten wird auch die „Kirche der Märtyrer“ genannt, ihre innerkirchliche Zeitrechnung beginnt im Jahr 284 mit dem Amtsantritt des römischen Kaisers Diokletian, unter dessen Herrschaft die Christenverfolgung ihren grausamen Höhepunkt fand. Kaiser Konstantin setzte im Jahr 313 mit dem Edikt von Mailand der grausamen und systematischen Christenverfolgung ein Ende. Das erlittene Martyrium als Christen hat sich tief in das Bewusstsein der Kopten eingebrannt.

Das Mönchtum ist ein bedeutender Beitrag der Kopten zur Weltzivilisation. Paulus von Theben gilt traditionell als der erste Eremit. Das Wort geht auf das altgriechische eremítēs, „Wüstenbewohner“, zurück. Deutsch heißt es auch „Einsiedler “ von érēmos „unbewohnt, Wüste“. Es bezeichnet eine Person, die freiwillig in Abgeschiedenheit von der Gesellschaft in der Wüste lebt.

Um der Christenverfolgung durch den römischen Kaiser Decius zu entgehen, hatte Paulus um das Jahr 250 in der ägyptischen Wüste Zuflucht gesucht. Im selben Jahr versteckte sich auch Cyprian, Bischof von Karthago. Er soll Zuflucht bei Einsiedlern gefunden haben, wo er die eremitische Lebensweise kennenlernte und über sie schrieb. Die östliche Orthodoxie erkennt weder Paulus von Theben noch Cyprian als Eremiten an. Auf meine Nachfrage erklärt mir Anba Antunijus, beide hätten sich nicht aus Hinwendung zu G`tt in der Wüste abgesondert, sondern um Schutz vor Verfolgung zu finden.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Antunijus führt durch das Kloster

Nach dem Verständnis der koptischen Kirche gilt Antunijus (Antonius; 252–356) als erster Eremit. Anders als Paulus von Theben und Cyprian hatte sich Antonius bewusst und freiwillig von der Sündhaftigkeit der Gesellschaft seiner Zeit distanzieren wollen. Um auch eine räumliche Trennung zu vollziehen, ging er tief in die ägyptische Östliche Wüste. Der Heilige Antonius gilt als der „Vater des Mönchtums“, das nach ihm benannte Kloster, arabisch Deir al-Anbā Antuniyus, ist das älteste Kloster der Welt. Gegründet wurde es im Jahr 361 von den Schülern des Heiligen Antonius.

Hab und Gut an Bedürftige verschenkt

Um den koptischen Heiligen ranken sich zahlreiche Legenden. Antonius wurde circa 251 in eine wohlhabende ägyptische Familie geboren. Nachdem seine vermögenden Eltern verstorben waren, habe Antonius eine Kirche just in dem Moment betreten, als der Diakon über Matthäus 19,21 predigte: „Jesus sprach zu ihm: Wenn du vollkommen sein willst, so geh hin, verkaufe deine Habe und gib den Erlös den Armen! Und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben. Und komm, folge mir nach! (Elberfelder Bibel)

Ergriffen von Jesu Worten verschenkte die Vollwaise Antonius all sein Hab und Gut an die Bedürftigen. Damit nicht genug, es folgte ein weiterer radikaler Schritt:

Auf seiner Suche nach G`tt zog sich Antonius im Alter von 19 Jahren in eine 680 Meter hoch gelegene Höhle am Dschebel Qulzum, dem Qulzum-Berg, in die Einsamkeit zurück. Einer weiteren Legende nach hauste er in ihr bis zu seinem Tode im Jahr 356. Anhängern untersagte er, ihn zu besuchen.

Seine Schüler verharrten geduldig am Fuße des Berges, wo seine Anhängerschaft rapide zunahm. Nach Antonius‘ Tod gründeten sie zu Ehren ihres spirituellen Vorbildes das Antonius-Kloster. Christen aus aller Welt pilgern in die ägyptische Wüste zum Grab des Heiligen Antonius, es liegt unter der nach ihm benannten Kirche, dem ältesten Teil der Klosteranlage.

An diesem Tag begegne ich einer Inderin und ihrer Tochter, wir kommen ins Gespräch, bevor sie zu Ehren des Heiligen Antonius Kerzen zünden und an seiner Grabstätte beten. Mutter und Tochter sind auf Pilgerreise und hatten zuvor christliche Stätten in Israel besucht.

Gemälde aus dem 13. Jahrhundert

Die bedeutendste koptische Wandgemäldesammlung Ägyptens schmückt die Kirchenwände. Sie ist gemalt in Secco, eine Technik, bei der die Farbe auf trockenen Gips aufgetragen wird. Die meisten Gemälde stammen aus dem 13. Jahrhundert. Um den kulturhistorischen Bilderschatz für weitere Generationen zu bewahren, wurden von 2002 bis 2010 unter der Expertise und Leitung italienischer Fachleute umfassende Restaurationen durchgeführt.

Das koptische Mönchtum unterscheidet sich grundsätzlich vom orthodoxen und abendländischen. Gemäß dem Vorbild des Heiligen Antonius und weiterer Begründer koptischer Klöster lehnten die koptischen Mönche die Geisteswissenschaften ab. Askese und Arbeit gelten von je her als höhere Tugenden als das Studium theologischer Texte. Koptische Gelehrsamkeit entfaltete sich nur in Alexandria.

Eine weitere prägende koptische Persönlichkeit ist Pachomius (circa 292/298 bis 346). Sein koptischer Name lautet Pahóm und bedeutet Königsfalke.

Während seines Militärdienstes im Heer des römischen Kaisers Konstantin hatte Pachomius als junger Soldat das Gebot der Nächstenliebe kennengelernt. Christen – so lautet eine Überlieferung – hatten sich fürsorglich um die schlecht behandelten Rekruten des römischen Kaisers gekümmert. Pachomius nahm den christlichen Glauben an, wurde Mönch, gründete Klöster und stellte für die erste christliche klösterliche Lebensgemeinschaft Regeln auf.

Konzil vn Nicäa

Kopten sind Anhänger des sogenannten „Monophysitismus“ – der christologischen Lehre, dass Jesus Christus aus zwei Naturen kommt, nach seiner Menschwerdung aber nur eine Natur innehält, die Inkarnation von G`ttes Wort (Logos) ist. Diese Lehre steht im Gegensatz zur Zwei-Naturen-Lehre, nach der göttliche und menschliche Natur Christi „unvermischt und ungetrennt“ nebeneinanderstehen.

Im Jahr 325, vor 1.700 Jahren, fand in Nicäa, gelegen in der heutigen Türkei, das erste Kirchenkonzil statt. Kern der Debatte war das Konzept der Wesensgleichheit oder nur Wesensähnlichkeit von Gottvater und Sohn (Christus). Athanasius (circa 296–373), ein weiterer koptischer Kirchenvater und Patriarch von Alexandria, kämpfte vehement für das vom Konzil von Nicäa aufgestellte Glaubensbekenntnis, das die wahre Göttlichkeit G`ttes und des Sohnes bekräftigte. Sein Kontrahent Arius hatte die Göttlichkeit Jesus geleugnet. Arius (circa 260–327) betrachtete die im Bekenntnis von Nicäa festgehaltene Wesensgleichheit als Irrlehre, da sie dem Monotheismus widerspreche.

Ferner sollte das Konzil auch das Datum für Ostern berechnen und setzte den ersten Teil des Glaubensbekenntnisses von Nicäa-Konstantinopel fest, wie es an hohen Feiertagen auch in westlichen Kirchen im Gottesdienst gesprochen wird. Das „und vom Sohn“ (filique) wurde später in das Glaubensbekenntnis eingefügt und in karolingischer Zeit im ganzen Frankenreich gebräuchlich. Es entspricht westlicher, nicht ostkirchlicher Tradition.

Auch der Heilige Antonius war auf dem Konzil von Nicäa anwesend und verfolgte aufmerksam den theologischen Disput.

Zwei-Naturen-Lehre in Chalcedon

Auf dem Konzil von Chalcedon wurde 451 die Zwei-Naturen-Lehre angenommen und der Monophysitismus verworfen. Das Konzil erklärte letztendlich als verbindliche Lehre, dass Jesus zwei Naturen hat: G`tt und Mensch zugleich. Die koptische Kirche behielt ihre Lehre von der vollkommenen Einheit der zwei vollkommenen Naturen Christi bei. Der Heilige Kyrill sprach von der Natur des fleischgewordenen Wortes.

In der Folge führte das ökumenische Konzil zum Bruch zwischen der Ost-Orthodoxen Kirche (Anhängern von Chalcedon) und den Nicht-Chalcedoniern, auch Monophysiten genannt, der Orientalisch-Orthodoxen Kirche, die die Zwei-Naturen-Lehre bis heute ablehnen. Zu Ihnen gehören die Armenier, Äthiopier, Syrer und Kopten.

Die theologischen Streitigkeiten über die Natur Jesu Christi beim Konzil von Chalcedon führte zur Spaltung in zwei alexandrinische Patriarchate. Die Bezeichnung stammt von altgriechisch patriarches, „Erster unter den Vätern“, auch: „Führer des Vaterlandes“.

Das eine Patriarchat verblieb in der Reichskirche und wurde später griechisch-orthodox, das andere wurde die koptisch-orthodoxe Kirche, welche an der Lehre von der einen Natur Jesu festhielt und dies bis heute tut. Kopten lehnen es ab, als „Anti-Chalcedomier“ oder als „Monophysiten“ bezeichnet zu werden – auch, da beide Begriffe meist in verunglimpfender Absicht gebraucht wurden.

Kopten bevorzugen, als Miaphysiten benannt zu werden; die griechische Wurzel mia bedeutet eins. Der Miaphysitismus ist die christologische Lehre, die besagt, dass Jesus, das fleischgewordene Wort, in einer Natur (physis, griechisch: φύσις) vollständig göttlich und vollständig menschlich ist.

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Das Konzil von Chalcedon hatte die christologischen Streitigkeiten über die Natur Christi nicht beilegen können, sondern eine Reihe von neuen Schismen, also Glaubensspaltungen, verursacht. Auch beim Dreikapitelstreit ging es im 6. und 7. Jahrhundert um eine innerkirchliche Auseinandersetzung über das Verhältnis zwischen der g`ttlichen und menschlichen Natur Jesu Christi.

Kloster mit wechselvoller Geschichte

Zurück im Kloster: Mönch Antunijus öffnet mir die Tür zum schlichten und dennoch eindrucksvollen Refektorium. Während wir über das weitläufige Gelände unseren Spaziergang fortsetzen, gewährt er Einblicke in die wechselvolle Geschichte des Klosters: Überfälle, Plünderungen und Attacken durch Araber, Berber und Beduinen, eine turbulente Vergangenheit, die sich in der Architektur widerspiegelt.

Eine enorm hohe Mauer umgibt die Klosteranlage. Konnten Feinde dennoch eindringen, flüchteten sich die Mönche in einen hohen Turm und zogen die dorthin führende Brücke ein. Oft mussten sie wochenlang hier ausharren, bis die Belagerer wieder abzogen.

Anba Antunijus betont, dass Kopten sehr bibeltreu seien. Sie achten auf die Bewahrung der Lehren des Heiligen Markus. Wie in allen orthodoxen Kirchen werden die Sakramente der Taufe, Erstkommunion und Firmung in einer einzigen Feier empfangen.

Dann fragt er mich nach meiner Religion. Ich zögere einen Moment, meine ganze Identität preis zu geben, habe Sorge auf Ablehnung zu stoßen, tue es dann schließlich doch „ich bin Deutsch-Israelin, Jüdin und lebe in Jerusalem“. Anba Antunijus blickt mich erstaunt an: „Ich freue mich über dein Interesse an uns Kopten und unserer Geschichte.“ Da ist es wieder, dieses Funkeln in seinen dunklen Augen.

Datteln als Proviant

Ein intensiver Tag im ältesten Kloster der Welt neigt sich dem Ende zu, der Abschied naht. Anba Antunijus beschenkt mich großzügig mit Datteln als Wegproviant. Zudem drückt er mir eine kleine bildliche Darstellung des ersten Mönchs der Kirchengeschichte mit den Worten in die Hände: „Möge der Heilige Antonius dich auf all deinen Wegen beschützen“ und wünscht „rihla saida“, eine gute Reise.

Ich trete vor die Klostermauer und bin beruhigt, Mahmud hat stundenlang geduldig auf mich gewartet. Ich habe schon anderes erlebt. Bewegt von den vielfältigen Eindrücken mache ich mich auf den langen Weg durch die Wüste zurück nach Umm ad-Dunja, der „Mutter der Welt“, wie die Ägypter ihre Hauptstadt nennen.

In Alexandria verfasste Patriarch Athanasius der Große seine vielbeachtete Biografie über den Heiligen Antonius. Dieses Werk machte Antonius, den koptischen Vater des Mönchtums, weit über Ägyptens Grenzen hinaus bekannt. Es fand Nachahmer im gesamten Oströmischen Reich und hatte großen Einfluss auch auf den Kirchenvater Augustinus (354-430).

Der Algerien-stämmige Augustinus hatte sich 374 zum Christentum bekannt. Er wurde zum Bischoff von Hippo ernannt, wo er ein Kloster gründete und um 388 den Laienklosterorden „Servei Dei„, den Orden der „Diener Gottes“, ins Leben rief. Sein Kloster fungierte auch als Seminar für Mönche, die in ganz Nordafrika als Bischöfe ausgesandt werden sollten. Jahrhunderte später wurde „Servei Dei“ als Augustinerorden neu gegründet.

Schriften gegen christliche Sekten

Augustinus beeindruckt mit seinem umfangreichen Schaffen, er ist Autor von 93 Büchern. Seine kritischen Schriften gegen christliche Sekten und polytheistische Glaubensvorstellungen wirken bis in die Neuzeit nach.

Auch die mystischen Schriften des Mönchs und Theologen Johannes Cassian, ein Zeitgenosse von Augustinus, hatten großen Einfluss, im Osten wie im Westen. 415 gründete Johannes Cassian in Marseille ein Kloster im ägyptischen Stil mit Anlagen für Männer und Frauen, ein so genanntes Doppelkloster. Zehn Jahre später erschien sein Werk „Die Konferenzen“, mit Interviews, die er mit 24 der größten und einflussreichsten ägyptischen Mönche der damaligen Zeit geführt hatte. Ein Werk, das Benedikt von Nursia (480–548), Gründer des abendländischen Mönchtums, nachhaltig inspiriert hat.

Besondere monastische Lebensform

Vom Land am Nil zogen schließlich spirituelle Vorbilder und ihre Anhänger bis in das Heilige Land. In der Judäischen Wüste gründeten sie eine besondere monastische Lebensform, die sogenannte Laura – ein griechischer Begriff, der fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem Heiligen Land verwendet wird.

Laura bezeichnet zunächst einen schmalen Weg oder Durchgang. Im ägyptischen Alexandria wurde der Begriff auchfür die verschiedenen Stadtteile verwendet, die sich um die Hauptkirchen gruppierten.

Diese letztere Bedeutung des Wortes stimmt mit dem überein, was wir über die Laura im Heiligen Land wissen, die eine Gruppe von Einsiedeleien war, die eine Kirche umgaben.

An vielen Klosterstandorten, mit Ausnahme der pachomianischen Gemeinschaften, die coenobitisch und somit gemeinschaftlich lebten, war die bevorzugte monastische Lebensform eine Laura, bestehend aus verstreuten Zellen, in denen die Mönche alleine lebten. Ein anschauliches Beispiel ist das ägyptische Kellia, was mit „die Zellen“ übersetzt werden kann. Mönche waren hier einst von einem Abbas, einem „Vater“, angezogen worden und lebten als seine Schüler bei ihm.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Eine Kellia im ägyptischen Phereme

Diese Klostergemeinschaft, 338 von Mönch Sankt Amun unter der spirituellen Leitung des Heiligen Antonius gegründet, erstreckte sich einst über viele Quadratkilometer in der Nitrianischen Wüste. Die Eremitensiedlung Kellia, circa 80 Kilometer südöstlich von Alexandria, war bis in das 9. Jahrhundert bewohnt.

Die Laura ist ein Mittelweg zwischen einer eremitischen Lebensweise und ein Leben in Gemeinschaft. Unter der Woche lebten die Mönche alleine in ihren Zellen ohne Kontakt untereinander. Sie kamen nur samstags oder sonntags zur Eucharistiefeier in der Kirche zusammen.

Im Heiligen Land geht die Laura auf Chariton zurück, geboren im heutigen türkischen Konya, gestorben um 350 in Pharan, das er gegründet hatte. Chariton gilt als der Begründer des Mönchtums in der Judäischen Wüste. Der Überlieferung nach wurde er auf einer Pilgerreise ins Heilige Land von Räubern gefangen genommen, eine Schlange kroch in eine der Weinflaschen und vergiftete auf diesem Wege die Entführer. Chariton kam frei.

Rückzug in die Abgeschiedenheit

Aus Dankbarkeit für seine wundersame Rettung zog sich Chariton um 330 in eine Laura zurück, aus der später das Kloster Pharan im Wadi Qelt bei Jericho entstand. Als Chariton der große Zustrom seiner Anhänger zu viel wurde, verließ er Pharan, zog sich zurück und gründete um 340 auf dem Berg der Versuchung das Kloster Sarandarion. Es klebt oberhalb Jerichos wie ein Schwalbennest am Berg der Versuchung.

Einige Jahre später verließ Chariton auch dieses Kloster, erneut auf der Suche nach noch mehr Abgeschiedenheit zog es ihn in Richtung Suka bei Bethlehem. Diese drei Klöster wurden – wie viele andere – 614 im Zuge der Perser-Invasion im Heiligen Land von den Eindringlingen zerstört. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kehrte eine Handvoll Mönche in das Kloster Sarandarion zurück.

Ethymius der Große, geboren 377 in Armenien, gestorben 473 in der Judäischen Wüste, gilt als ein weiterer Vater des östlichen orthodoxen Mönchtums. Von 406 bis 411 lebten er und sein Freund Theoktistos in Charitons Laura Pharan, die sie um 411 verließen. Zunächst zogen sie sich in eine Höhle in der Judäischen Wüste zurück. Später gründeten sie mit Gleichgesinnten weitere Lauren und ein coenobitisches Kloster, welches das kontemplative Leben mit liturgischen und intellektuellen Projekten sowie gemeinsamer Arbeit verband.

Nach nur wenigen Jahren vertraute Euthymius das Kloster seinem Freund Theoktistos an. Er selbst zog mit einer kleinen Gruppe weiter, um weitere klösterliche Gemeinschaften zu gründen: eine am Westufer des Toten Meeres, eine andere weiter westlich in der Wüste von Ziph und eine größere Gemeinschaft nordöstlich von Jerusalem, in der Nähe von Jericho. Diese letzte Gründung wurde nach Euthymius benannt, die Kirche wurde 429 von Bischof Juvenal von Jerusalem eingeweiht.

Auch Sabas, einem kappadokisch-syrischen Mönch, verdanken wir eine Laura: das beeindruckende Mar-Sab-Kloster im Kidrontal. Saba hatte zunächst in Euthymius‘ Kloster und in der Laura von Gerasimos gelebt, bevor er 484 sein eigenes Kloster gründete, eines der ältesten bewohnten Klöster weltweit.

Jugendlicher Einsiedler

Sabas spirituelles Vorbild, Gerasimos, griechisch der „Würdevolle“, führte schon als Jugendlicher das Leben eines Einsiedlers. Nach einer Reise in die nordägyptische Felswüste Thebaïs zu den Wüstenvätern, wo auch er einige klösterliche Niederlassungen gegründet haben soll, ließ sich Gerasimos unweit von Jericho am Jordan als Eremit nieder. Dort drängten sich ihm so viele Schüler auf, dass auch er eine Laura gründete.

Etwa hundert Jahre nach Gerasimos’ Tod schrieb der byzantinische Mönch Johannes Moschos in seinem Werk Die Geistliche Wiese eine weitere Legende nieder: Demnach ist Gerasimos eines Tages in der Wüste einem lahmenden Löwen begegnet und habe diesem einen großen Dorn aus der Vordertatze entfernt. Von da an war der Löwe Gerasimos folgsam wie ein Hund. Als Gerasimos starb, soll sich der Löwe auf sein Grab gelegt haben, bis es den Hungertod starb.

Unweit Gerasimos’ Laura erhebt sich das griechisch-orthodoxe Kloster Deir Hajla, es pflegt das Gedächtnis an Gerasimos. Deir Hajla wurde über einer Höhle errichtet, in der die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten übernachtet haben soll.

Detaillierte Mönchsregeln

Basilius (330–379), Kirchenlehrer und Bischof von Caesarea, stellte detaillierte Mönchsregeln auf, die bis heute in orthodoxen Klöstern befolgt werden. Ziel orthodoxer Mönche ist die Theosis, Errettung aus der Unheiligkeit zur Teilnahme am Leben G`ttes. Theosis steht im Zentrum orthodoxer Spiritualität.

Aktuelles Oberhaupt der Koptisch-Orthodoxen Kirche ist seit dem 18. November 2012 Bischof Tawadros II. Er ist der 118. Nachfolger auf dem Stuhl des heiligen Markus. Sein offizieller Titel lautet „Patriarch von Alexandria und Papst des Stuhles vom Heiligen Markus“.  Tawadros‘ Vorgänger, Papst Schenuda III., hatte den ägyptischen Kopten 1979 verboten nach Israel zu reisen, das Verbot war politisch motiviert und ist offiziell noch immer in Kraft.

Seit Papst Schenudas Tod im Jahr 2012 reisen ägyptische Kopten zur Osterzeit wieder nach Jerusalem. 2015 besuchte das Oberhaupt der koptischen Kirche in Ägypten, Papst Tawadros II., Jerusalem. Es war der erste Besuch eines koptischen Würdenträgers aus Ägypten in Israel seit 1967.

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5 Antworten

  1. Alle drei großen monotheistischen Weltreligionen sind im Nahen Osten in einem geographisch sehr eng begrenzten Gebiet entstanden. Dies ist schon erstaunlich. Im heutigen Europa glaubten die Menschen damals dagegen an viele Götter, wie z.B. den Meeresgrotte, der das Meer erschaffen hatte und auch darin sitzt.

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  2. Liebe Frau Tegtmeyer,
    Sie füllen mit Ihren informativen Artikeln immer wieder meine Wissenslücken, diesmal über die Kopten. Mit spannender Erzählweise und eindrucksvoll geschilderten Erlebnissen nehmen Sie mich mit und wecken mein Interesse.
    Vielen Dank dafür! Ella

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