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Die Frauen hinter dem Sprachpionier

Der jüdische Staat schätzt Elieser Ben-Jehuda zu Recht als den Pionier, dem er die hebräische Alltagssprache zu verdanken hat. Doch ein Teil der Ehre gebührt den Frauen an seiner Seite.
Von Elisabeth Hausen

Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine intelligente Frau. Diese Redensart gilt nicht immer. Aber auf den Mann, der Ende des 19. Jahrhunderts die hebräische Alltagssprache wiederbelebte, trifft sie zu. In dem Fall waren es sogar zwei Frauen, die Elieser Ben-Jehuda unterstützten.

Der Sprachpionier kannte seine erste Ehefrau Debora Jonas aus der osteuropäischen Heimat. Elieser Jitzchak Perlman, wie Ben-Jehuda damals noch hieß, hatte als Jugendlicher seine Talmudschule (Jeschiva) in der belarussischen Stadt Polozk nach kurzer Zeit verlassen müssen. Der Grund: Sein Onkel und Vormund war nicht damit einverstanden, dass ihm ein Dozent hebräische Grammatik beibrachte. Das war damals in der jüdisch-orthodoxen Gesellschaft tabu, die Sprache wurde durch Wiederholen gelernt.

Deboras Vater Schlomo Naftali Herz Jonas hingegen hatte sich vom orthodoxen Chabad-Chassiden zum Anhänger der jüdischen Aufklärung (Haskala) entwickelt. Er veröffentlichte Lyrik und Artikel in der hebräischen Presse Osteuropas. Und so fand Elieser vorübergehend Aufnahme in der Familie. Debora erteilte ihm Russischunterricht.

Der erste hebräische Haushalt der Neuzeit

Die beiden heirateten 1881 in Kairo und wanderten anschließend nach Jerusalem aus, wo Perlman sich Elieser Ben-Jehuda nannte. Ihr Sohn Ben-Zion wurde 1882 geboren. Er wuchs als erstes Kind der Neuzeit nur mit der hebräischen Sprache auf. Später änderte er seinen Namen in Itamar Ben-Jehuda. Er wurde Journalist und zionistischer Geschäftsmann. Fünf Jahre vor der israelischen Staatsgründung, 1943, starb der erste Sohn des Sprachpioniers.

Das Paar bekam vier weitere Kinder: Jemima, Avichail, Schlomit und Atarah. Debora unterstützte ihren Ehemann bei dem Bemühen, Hebräisch als Umgangssprache wiederzubeleben. Sie blieb an seiner Seite, als er von ultra-orthodoxen Juden in Jerusalem angefeindet und verleumdet wurde, für die das Hebräische lediglich liturgische Zwecke erfüllen sollte. Und sie half ihm bei seiner publizistischen Tätigkeit.

Nach Deboras Tod: Hochzeit mit der Schwester

Zehn Jahre nach der Hochzeit starb Debora Ben-Jehuda im Alter von 36 Jahren an Tuberkulose. Eine neue Mutter für die Kinder wurde gesucht. Der Hinweis kam noch von der Verstorbenen selbst: Sie hatte ihre jüngere Schwester Bella als geeignete Kandidatin gesehen.

Diese lebte mit ihrer Familie in Moskau. Deboras Wunsch indes wurde auch zu Bellas eigenem. Und so versuchte sie, auf die Eltern einzuwirken, damit diese ihr erlaubten, ihren 15 Jahre älteren Schwager zu heiraten und nach Jerusalem umzusiedeln. Die Eltern waren zuerst dagegen. Doch dann lief nach zehn Jahren das Wohnrecht der Familie Jonas in Moskau aus. Und so entschieden sie sich, mit ihren Kindern Alija zu machen.

Nach der Hochzeit in Istanbul 1892 änderte Bella ihren Namen in Hemda. Was sie nicht gewusst hatte: Ihr Gatte forderte von ihr, dass sie fortan nur noch Hebräisch spreche. Denn eine andere Sprache verstünden seine Kinder nicht. Hemda stellte sich dieser Herausforderung. Ihre erste Vokabel war „mafteach“ – „Schlüssel“. Dies lässt sich symbolisch deuten für ein neues Land, ein neues Volk und eine neue Kultur, heißt es im „Jewish Women’s Archive“.

Binnen sechs Monaten Hebräisch gelernt

Die drei jüngsten Kinder starben Ende des Jahres an Diphterie, nur Ben-Zion und Jemima überlebten. Mit ihnen konnte sich die Stiefmutter nach sechs Monaten auf Hebräisch verständigen.

Und nicht nur das: Wie bereits ihre Schwester unterstützte sie Elieser. Hemda war gebildet, hatte eine russische Schule besucht und Chemie studiert. Nun arbeitete sie für seine Zeitung „Haschkafa“ (Ansicht) und wurde schließlich die Herausgeberin, um ihm den Rücken freizuhalten. Die beiden bekamen sechs Kinder: Debora, Ehud, Ada, Ehud-Schlomo, Debora-Dola und Silpa. Die beiden Ältesten starben in den ersten Lebensjahren an Lungenentzündung.

Elieser wusste Hemdas Bildung und Intelligenz offenbar ebenso zu schätzen wie die seiner ersten Frau: Er nahm sie mit auf Recherchereisen, auf denen er in Bibliotheken nach hebräischen Texten mit geeigneten Vokabeln suchte. Außerdem bezog er sie in berufliche und politische Aktivitäten mit ein.

Enkelin Eliesra Ben-Jehuda fasste es 2019 in einem Interview des hebräischen Lifestyle-Magazins „Atmag“ so zusammen: „Hemda war zwar eine intelligente und aufgeklärte Frau. Aber sie hatte sich in Elieser und in seine Vision mit ganzer Seele verliebt und war ihm zur Hilfe.“

Pionierin in Sachen Mode

In Eliesers Zeitung „Haschkafa“ begann Hemda 1904 die erste hebräische Modekolumne der Geschichte: „Schoschana Levana“ (Weiße Lilie). Nach dem Tod des Begründers des politischen Zionismus, Theodor Herzl, forderte sie die Leser dazu auf, schwarze Kleidung zu tragen. Auch das hebräische Wort für „Mode“ stammt von ihr, sagt Enkelin Eliesra. Es heißt „ofna“ und kommt von „ofn“, der „Art und Weise“, in der Menschen sich kleiden. Ben-Zion führte den Ausdruck allerdings auf seinen Vater zurück, und diese Version vertritt auch die Akademie für die hebräische Sprache.

Bereits von 1892 bis 1893 hatte Hemda die erste Kinderzeitung des Landes herausgegeben: „Iton Katan“ (Kleine Zeitung). Zudem übersetzte sie Kindergedichte vom Russischen ins Hebräische. Doch Hemda setzte sich auch für Frauenrechte in der vorstaatlichen jüdischen Gesellschaft im damaligen Palästina, dem Jischuv, ein.

Nach dem Tod ihres Mannes am 16. Dezember 1922 führte Hemda dessen Lebenswerk fort: das einsprachige Wörterbuch. Ende der 1940er Jahre verschlechterte sich ihre Gesundheit nach einem Sturz stetig. Sie starb 1951 im Alter von 78 Jahren. Um die Veröffentlichung der verbliebenen Bände bis 1959 kümmerte sich Sohn Ehud-Schlomo. Das Wörterbuch umfasst insgesamt 16 Bände und eine Einleitung.

Eigenwillige Zeitrechnung

Eine besondere Eigenheit hatte Elieser Ben-Jehuda bei der Zeitrechnung: Er orientierte sich weder an der gängigen Zählung „nach Christi Geburt“, noch an der jüdischen „nach der Schöpfung“. Vielmehr nahm er ein traumatisches Ereignis als Ausgangspunkt, das die Zerstreuung vieler Juden zur Folge hatte: die Zerstörung des Zweiten Tempels in Jerusalem durch die Römer 70 nach Christus.

Doch Ben-Jehuda blieb nicht bei dieser Zählung. Im Jahr 1917 nahm er die Balfour-Erklärung zum Anlass, eine neue Zeitrechnung zu beginnen. Denn diese war eine der Grundlagen dafür, dass die Juden einen eigenen Staat – mit eigener Sprache – bekommen konnten. Nach seinem Tod übernahmen Hemda und Ehud diese Berechnung.

Mit der israelischen Staatsgründung 1948 begann für die Familie Ben-Jehuda wiederum ein neues Zeitalter. Es gibt also in ihrer Tradition drei verschiedene Zeitrechnungen – nach der Zerstörung des Tempels, nach der Balfour-Erklärung und nach der israelischen Staatsgründung. Das setzte sich allerdings nicht durch.

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Eine Antwort

  1. wie schön, wenn Ehefrauen ihren Auftrag von Gott: FÜR DEN MANN EINE (HOCHKARÄTIGE) HILFE zu sein, nachkommen können, wenn sie darum wissen, wenn sie es zur Ehre Gottes tun können…in diesem Fall ein einzigartiges Beispiel..siehe 1 MO 2.18

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