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Meinung

Der junge Traum vom „Märtyrer“

Eine ARD-Dokumentation beleuchtet das Leben von „Kindern“ in der Terrorhochburg Dschenin. Sie zeigt ein Umfeld von Gewalt, lässt aber wichtige Fragen aus.
Von Daniel Frick
Ein Kind im Flüchtlingslager von Dschenin spielt mit einer aussortierten Waffe.

Vor mehr als einem Jahr, am 31. März 2022, begann Israel mit der Anti-Terror-Kampagne „Wellenbrecher“. Anlass war eine Terrorwelle im Frühjahr. Eine Hochburg des Terrors ist Dschenin im nördlichen Westjordanland. Entsprechend kommt es dort immer wieder zu Razzien der Armee.

Die Dokumentation „Die Märtyrer-Kinder. Im Herzen des Nahost-Konflikts“ des WDR-Magazins „Monitor“ nimmt sich diese Entwicklung zum Anlass, um die Rolle der „Kinder“ in der Stadt zu beleuchten. Denn die Autoren Shafag Laghai und Lara Straatmann stellen fest: „Seit einem Jahr häufen sich die Razzien. Und immer wieder trifft es Kinder.“

Die Dokumentation „Die Märtyrer-Kinder. Im Herzen des Nahost-Konflikts“ lief am 20. April um 21.45 Uhr im „Ersten“. Aktuell ist sie in der Mediathek verfügbar.

Trotz des Fokus auf den Ort Dschenin gehen die tödlichen Terroranschläge gegen Israelis in den vergangenen Wochen nicht unter. Zu sehen ist dabei auch die unverhohlene Freude der Palästinenser in Dschenin über jüdische Todesopfer. „Monitor“ dokumentiert die mangelnde Präsenz offizieller palästinensischer Sicherheitskräfte in der Autonomiestadt.

Der Film zeigt außerdem, wie verbreitet der Wunsch unter jungen Palästinensern ist, Israelis zu töten und „Märtyrer“ zu werden. Einer von ihnen fasst seine Sicht auf diesen Todeskult so zusammen: „Wir kommen ins Paradies, sie in die Hölle.“

Ungeheuerlichkeit der Wahlfreiheit

Der Zuschauer wird an dieser Stelle zum Schluss kommen, dass die Gewaltverherrlichung ein Grund für den Hang zu Terror sein könnte. Der Film schafft es aber dennoch, irgendwie auch Israel die Schuld an der Misere zu geben. In einem Interview konfrontiert Shafag Laghai einen Armeesprecher mit dem Vorwurf, bei Razzien gegen Terroristen gebe es ja auch zivile Opfer; dies wiederum führe zu mehr Gewalt. Der Armeesprecher fragt zurück, ob die Israelis denn mit der Terrorbekämpfung aufhören sollen. Und er merkt an, Palästinenser hätten die Wahl: Wer während einer Razzia im Haus bleibe, komme nicht zu Schaden.

Für viele ist bei solchen Denkansätzen eine Grenze überschritten: Palästinensern Eigenverantwortung zukommen zu lassen, ist zu viel des Guten. Die Autoren des Films gehören dazu. Sie stellen den Satz der Wahlfreiheit für „Kinder“ mit Verweis auf die allgemeine Gewaltsituation infrage: „Haben sie eine Wahl, der Gewalt zu entkommen?“ Bei diesem Satz blenden sie ein kleines Mädchen ein, mit einem Plüschtier in der Hand.

Breite Begrifflichkeit

Aber mit dieser Szene offenbart sich eine Problematik, die den Film beherrscht und die Diskussion um die Wahlfreiheit verzerrt: Der Begriff „Kinder“ ist zu breit angesetzt. Am Schluss ist eine Statistik der Vereinten Nationen eingeblendet, der zufolge seit Jahresanfang 18 „Kinder“ auf palästinensischer Seite getötet wurden. Die Autoren folgen damit der Definition der UN: Alle Personen jünger als 18 Jahre.

Aber diese „Kinder“ sind eben keine kleinen Mädchen mit Plüschtieren. Es handelt sich um Jugendliche, denen mit einem Durchschnittsalter von fast 16 Jahren bereits eine gewisse Eigenverantwortung für ihr Leben zukommt. Und die, wie eingangs gesehen, allzu gerne Waffen tragen, gegen Israel kämpfen und „Märtyrer“ sein wollen.

Es ist bedauerlich, dass das „Monitor“-Team den Begriff unkritisch übernommen hat, zumal er auch im Titel vorkommt. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mit „Kindern“ eher ein Alter von unter zwölf Jahren gemeint. Vor dem Hintergrund des klassischen Vorwurfs gegen Juden, „Kindermörder“ zu sein, wäre es mehr als angebracht gewesen, den Begriff zu hinterfragen und auf genauere Formulierungen zu achten. „Jugendliche“ oder „Minderjährige“ bieten sich als Alternativen an.

Ausgelassene Fragen

Auf diese Weise wird aber die angeblich nicht vorhandene Wahlfreiheit zum Narrativ des Films. Als Beispiel für den geradezu schicksalhaft wirkenden Eingangssatz „und immer wieder trifft es Kinder“ dient dem Film ein 14-Jähriger, der bei einer Razzia tödlich von einer Kugel getroffen wurde. Er stand, sofern im Film ersichtlich, zwischen Soldaten und Terroristen.

Er habe „bloß gucken“ wollen, schildert sein Freund, so als ob es sich bei den Razzien um Paintball-Duelle handelt. Ist es undenkbar, dass man einem 14-Jährigen die Wahl zumutet, sich in Sicherheit zu bringen, anstatt „bloß zu gucken“?

Vermeintlich bestätigt wird das Narrativ durch Kinder im Flüchtlingslager Dschenin, die beim dortigen „Freedom Theatre“ mitmachen. Es handelt sich dem Anschein nach tatsächlich um Kinder, das genaue Alter wird aber nicht genannt. Sie erzählen von ihren zerstobenen Berufsträumen, sei es Archäologin oder Chirurg. Was genau sie vom Lernen in der Schule abhält, bleibt unklar. Eine kritische Rückfrage oder eine Nachfrage bei einer Schule des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wäre hier wünschenswert gewesen.

Die Dokumentation bietet gerade zu Beginn interessante weil seltene Einsichten in die gewaltbereite Atmosphäre unter den Palästinensern in Dschenin. Im Verlauf des Films bleiben die Autoren aber zu unkritisch und folgen einem fragwürdigen Narrativ. Die Rolle der Eltern bei der Erziehung bleibt gänzlich unbeleuchtet. Aber danach zu fragen bedeutete auch, Palästinensern Eigenverantwortung überhaupt erst zuzusprechen.

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13 Antworten

  1. So ist es.
    Es wurde nicht hinterfragt und nicht mit einbezogen in Eigenverantwortung.
    Kinder als Motiv- Reportage benutzt, typisch ARD. Razzien beleuchtet, Terroristen seit 75 Jahren nicht.
    Ein künstlich geschaffenes Volk mit Milliarden von Hilfsgeldern. Ihre Führer Milliardäre von Spenden.
    OT:
    Dazu Erfreuliches ohne ARD. Ein Beduinendorf im Negev hat die Israelische Fahne gehisst.
    Mögen die Menschen bewahrt bleiben.

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    1. ich habe es auch angesehen. Es war wieder eine der Halbwahrheitengeschichten. Da ein bisschen schleimen, dort ein bisschen schleimen und dann sind die Zuschauer hoffentlich zufrieden gestellt. Für die, die sich nicht auskennen, reicht es ja ohnehin.

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      1. Liebe Christin, das Foto oben, Kind mit Waffe, ekelhaft. Die Eltern müssten bestraft werden. Und solche kommen als Asylanten in die BRD. Siehe Berlin u.a. Städte. Importieren Hass, der ihnen in Schulbüchern beigebracht wird, welche EU finanziert. UNRWA.
        Hab einen wunderschönen Israeltag und danke für Deine Liebe zu unserem Volk.

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  2. Solche Filme machen einen irgendwie fassungslos: Allerdings nicht fassungslos darüber, was man als grenzenlose Dummheit oder grenzenlose Naivität der Filmemacher bezeichnen könnte: Es ist die Verwunderung darüber, wieviel subtile Schuld dieser Film der israelischen Seit letztlich zuschiebt bzw. als „Restgröße“ überlässt – und was die Filmemacher nicht korrigieren. Bzw., wohl eher nicht korrigieren WOLLEN!
    Ich hoffe, dass eine Israel-freundliche Organisation oder Person des öffentlichen Lebens so etwas im Rundfunkrat zur Sprache bringt. Wie „groß“ aber meine Hoffnung ist …!?

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  3. Shalom,ich habe teil des Films über Internet gesehen.Habe mich gefragt,warum ARD so lügt und nicht die ganze Wahrheit erzählt.Bin zur Zeit bei nachteinsätzen in Jenin zur Unterstützung.Habe selber Kinder mit Kalaschnikofs und AKs und M16 in den Strassen rumlaufen gesehen.Darüber fragt sich die ARD nicht.Warum???Sie ist ein Lügensender und Verdreher!!! P.S.christin und Am Israelchai-uns geht es soweit gut und meine Kompanie ist wohlauf.Hoffe es bleibt so.Wir feiern Israels Geburtstag und Samstag ist Streik in Tel Aviv angesagt.Grüsse aus Israel an euch und alle Israelfreunde. Am Israel Chai Jerusalem

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    1. Liebe Grüsse zu Dir.
      Bitte melde Dich ab und an, so wissen wir, dass es Dir gut geht. Shalom🇮🇱🇮🇱🇮🇱✡✡✡

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    2. Kennen wir schon von dem völlig verlogenen Beitrag über Wasser vor ein paar Jahren. Der Rundfunkrat hat der ARD damals ganz schlechte Arbeit bescheinigt.

      Danke, für die Rückmeldung, dass es euch gut geht. Passt weiter auf euch auf.
      Und an euch und alle, die Israel unterstützen ein frohes Fest zur Staatsgründung.

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  4. Palästinenser-Propaganda, was sonst. Alles, was von dieser Seite kommt, wird ungefragt und ungeprüft übernommen. Insoweit war die „Dokumentation“ halt ein Beitrag von nützlichen Idioten, der leider von vielen unkritisch übernommen wird. Ein Beitrag zum Thema Lügenpresse.

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  5. Vielen Dank für den Beitrag u. den Link zum ARD-Beitrag. Die Situation heute ist eine Folge der Ablehnung des mehrheitlich von der UN beschlossenen Teilungsplanes 1948 durch die arabische Seite. Eine heutige Staatsgründung, egal in welchen Grenzen, wäre dann vom ersten Tag ein Terrorstaat.
    Dank der IDF wird aktuell Schlimmeres verhindert. Hr. Jerusalem, bleiben sie und ihr Team gesund.

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  6. Ich muss dieser Darstellung deutlich widersprechen. Aus meiner Sicht stellt der Beitrag von Monitor ziemlich gut die Vertracktheit der Situation und die Anteile sämtlicher Parteien daran dar. Es wird deutlich, dass Palästinenser*innen sich und ihre Kinder in Teilen bestärken, auf Verlust, Trauer und erlebte Gewalt mit eigener Gewalt zu reagieren. Es wird aber eben auch deutlich, dass sie Gewalt erleben, die im Rahmen von Besatzung und Razzien entstehen. Das kann ebenso wenig geleugnet werden. Der Satz des israelischen Kommandanten, dass Menschen bei einer Razzia in den Häuser bleiben können und ihnen dann nichts passiert, zeigt dessen Hilflosigkeit ebenso wie die Hilflosigkeit der Betroffenen: eine Razzia wird selten vorher angekündigt. Was mache ich also, wenn ich außerhäusig unterwegs bin und diese dann beginnt? Letztlich dokumentiert Monitor, dass eine Spirale der Gewalt nicht mit Gewalt beendet werden kann, von keinem der Beteiligten. Der Lichtblick ist dagegen das Theater und der dortige Theaterpädagoge, der trotz eigener Gewalterfahrung (auch als Täter!) diesen Kreislauf auf anderer Ebene durchbrechen möchte. Das scheint der einzige Weg für alle Beteiligten zu sein. Und er ist nicht allein – Combatants for Peace, Parents Circle und all die tollen Initiativen gehen mutig gegen alle Widerstände den gleichen Weg. Wie bemerkenswert sind solche Menschen! Sie alle geben Hoffnung, dass die in der Doku gezeigte Gewaltspirale durchbrochen werden kann!

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  7. Frau Jessen geht an die Monitor-Sendung ziemlich blauäugig heran, was mindestens tendenziell der palästinensischen Seite nutzt.
    Die subtilen Schuldzuweisungen an die israelische Seite – dass diese z.B. auf gaffende Kinder schieße – sind ihr also völlig entgangen. Solche Beschuldigungen grotesker Kriegsverbrechen sind ihr keine Bemerkung wert – weil sie sie nicht sah oder nicht sehen wollte. Statt dessen kritikloses Konsumieren von Fernsehsendungen – etwas, was man doch schon Kindern in der Schule abzugewöhnen versucht.
    Letztlich kann man ihr nur empfehlen, sich die Sendung nochmals – aber kritisch! – anzusehen. Und vor allem, sich einmal mit den vorstehend geübten Kritiken zu beschäftigen bzw. diese zumindest im Hinterkopf zu behalten,. wenn sie sich die Sendung nochmal ansieht.
    Dass Frau Jessen so leicht zu manipulieren ist, macht irgendwie sprachlos.
    Dass sie sich aber noch nicht einmal fragt, wer denn an der ganzen Situation Schuld ist, da die palästinensische seit 1948 jeden Vertragsabschluss mit der israelischen Seite verweigert – nun ja, DAS würde sie vermutlich zu sehr überfordern!

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    1. Lieber „Chur“, Frau Jessen beschäftigt sich seit mittlerweile über 25 Jahren im Studium und Beruf mit dem Nahen und Mittleren Osten und dort u.a. mit dem Nahostkonflikt. Dementsprechend ist Frau Jessen kein kleines Dummerchen, das das erste Mal einen Bericht über Israel und den Nahostkonflikt sieht (und da den bösen Palästinenser*innen auf den Leim geht), sondern hat sich ziemlich eingehend damit beschäftigt und war in ihrem Leben sogar für mehrere Monate dort (unter anderem während ihres Studiums). Können Sie das gleiche über sich sagen? Merke: „mansplaining“ kann auch nach hinten losgehen… Abschließend: falls Sie Ihr Weltbild erweitern möchten, gehen Sie doch einmal auf die Websites von Breaking the Silence oder Combatants for Peace. Da wird (auch von israelischen Soldat*innen) so einiges berichtet, was zeigt, dass die ganze vertrackte Problematik nicht nur durch Gewalt auf palästinensischer Seite befeuert wird, sondern eben auch durch Teile des israelischen Staats und Gesellschaft. In diesem Konflikt ist nicht eine Seite die gute und die andere die böse, sondern auf beiden Seiten gibt es Gewalttätigkeit wie auch friedfertige Menschen, die versuchen, die Situation zu verbessern.

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