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Als Juden trauerten und die Hamas feierte

Vor 20 Jahren sprengte sich ein Hamas-Terrorist in einem israelischen Hotel in die Luft. Juden wollten dort den Sederabend feiern. Nach dem ursprünglichen Plan wäre der Anschlag noch verheerender geworden.
Von Elisabeth Hausen
Der zerstörte Speisesaal des Park-Hotels nach dem Anschlag von 2002

In einer Jerusalemer Wohnung sitzen mehrere Christen an einem festlich gedeckten Tisch. Sie stammen aus Deutschland, Japan und Schweden. An diesem 27. März 2002 wollen sie den Sederabend feiern und damit an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnern – wie viele Juden in Israel und aller Welt. Für den Ablauf verwenden sie die Haggada, in der die Texte für die Liturgie festgehalten sind.

Während der Festmahlzeit ist draußen plötzlich ein lauter Knall zu hören. Die Teilnehmer der Sedermahlzeit schauen sich ungläubig an, alle denken das gleiche: Doch nicht etwa ein Terroranschlag am jüdischen Feiertag? Kurz darauf blitzt es, das ist ihnen vorher nicht aufgefallen – sie haben den Donner für eine Explosion gehalten. In diesem Augenblick beschließen die Feiernden, nicht das Radio einzuschalten – egal, was passiert.

Die Verwechslung indes ist angesichts der angespannten Atmosphäre der vergangenen Tage und Wochen nicht verwunderlich. Attentate bestimmen die israelischen Schlagzeilen, Bilder von Terror-Opfern die Titelseiten der Zeitungen. Die „Al-Aqsa-Intifada“ ist in vollem Gang. Normaler Alltag ist Fehlanzeige, Touristen wagen sich kaum ins Heilige Land. Ausländische Studenten und Freiwillige sind vorzeitig in ihre Heimat zurückgekehrt.

Haupteingang des Hotels kurz unbewacht

In Jerusalem bleibt es an diesem Abend ruhig. Doch 71 Kilometer weiter im Nordwesten, in der Küstenstadt Netanja, gelingt es einem Terroristen der Hamas, ins Park-Hotel zu gelangen. Er stammt aus Tulkarm im Westjordanland. Gerade als er auftaucht, sieht der Wachmann auf dem Gelände nach dem Rechten. Der Haupteingang ist ein paar Minuten unbewacht, das nutzt der Palästinenser.

Im Speisesaal haben sich etwa 250 Menschen eingefunden, um den Auftakt des Pessachfestes zu begehen. Unter ihnen sind Hotelgäste und ältere Menschen, die zu Hause nicht feiern können. Mehrere Menschen schöpfen leichten Verdacht, als sie den Mann sehen, der sich der Mitte des Saales nähert. Eine Kellnerin wird später erzählen, sie habe eine Kollegin gefragt, ob es sich nicht vielleicht um einen Attentäter handeln könne. Diese habe jedoch gesagt, sie fantasiere.

Festfreude zerstört

Mitten in die Festfreude hinein zündet Abdel-Basset Odeh seinen Sprengsatz. 19 Teilnehmer des Sedermahles sterben sofort, elf weitere Opfer erliegen später ihren Verletzungen, eines erst nach mehr als einem Jahr. Mehr als 130 Menschen werden zum Teil schwer verwundet. Juden trauern, die Hamas feiert ihren „Helden“.

Einer der Ermordeten ist der Geschäftsführer des Hotels, Amiram Hamami. Dessen Bruder Joram arbeitet als Sanitäter. Während des Sedermahles mit seinen Eltern rotiert sein Pieper, da spricht er gerade den Segen über die bitteren Kräuter. Die Worte „Anschlag im Park-Hotel“ alarmieren ihn, er rast mit dem Auto zum Tatort – und sucht seinen Bruder unter den Verletzten.

Dessen Sohn hatte aus unerfindlichen Gründen den Gedanken, in die Bar zu gehen, so blieb er verschont. Der Geschäftsführer hingegen stirbt 36 Stunden nach der Explosion in einem Krankenhaus. 15 Jahre später wird Joram Hamami der Internetseite „Kol Hasman“ sagen, dass die seelische Wunde jedes Jahr am Sederabend wieder aufbreche. Die Kinder seines Bruders hätten eine Stiftung gegründet, die Bedürftige mit Essen versorgt.

Foto: Israelisches Außenministerium
Bilder der 30 Todesopfer

Israel indes reagiert mit der Operation „Schutzwall“ auf die Anschlagsserie, die mit dem „Pessach-Massaker“ in Netanja ihren traurigen Höhepunkt erreicht hat. Das Militär nimmt binnen vier Wochen rund 5.000 Palästinenser fest. Von ihnen werden 1.800 zur näheren Untersuchung an den Inlandsgeheimdienst Schabak übergeben. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 hatte es insgesamt 900 Festnahmen wegen Terrorverdachts gegeben.

Geplanter Doppelanschlag scheiterte an Krankheit

Dank der Operation kommt heraus, dass die Terrorgruppe ursprünglich einen Doppelanschlag geplant hatte: Ein zweiter Terrorist, Nidal Zabari Mustafa Klik, sollte sich ebenfalls im Park-Hotel in die Luft sprengen. Doch wegen einer Erkrankung war er nicht „einsatzfähig“, der 23-Jährige sollte zu einem späteren Zeitpunkt ein Attentat verüben. Bei der Operation „Schutzwall“ wird er festgenommen und gesteht die Pläne. Bereits im August 2001 hat Klik einen geplanten Anschlag nicht ausgeführt. Der Grund damals: Israelische Sicherheitskräfte hatten den Drahtzieher erschossen.

Vier Verantwortliche des „Pessach-Massakers“ werden am 14. April 2003 zu 29-fachen lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Hinzu kommen 20 weitere Jahre Gefängnis. Zwei Monate darauf stirbt das 30. Opfer, Clara Rosenberger. Die 77-Jährige, die aus der Tschechoslowakei stammte, hatte mit 19 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz überlebt.

Die Namen der 30 Opfer

– Schula Abramovitsch, 63, Holon
– David Anichovitsch, 70, Netanja
– Oberfeldwebel Avraham Beckerman, 25, Aschdod
– Schimon Ben-Aroja, 42, Netanja
– Alter Britvitsch, 88, Netanja
– Frieda Britvitsch, 86, Netanja
– Andre Fried, 47, Netanja
– Idit Fried, 47, Netanja
– Miriam Gutenzgan, 82, Ramat Gan
– Amiram Hamami, 44, Netanja
– Perla Hermele, 79, Sweden
– Dvora Karim, 73, Netanja
– Michael Karim, 78, Netanja
– Elieser Korman, 74, Ramat HaScharon
– Jehudit Korman, 70, Ramat HaScharon
– Marianne Myriam Lehmann Zaoui, 77, Netanja
– Lola Levkovitsch, 70, Jerusalem
– Sarah Levy-Hoffman, 89, Tel Aviv
– Furuk Na’imi, 62, Netanja
– Eliahu Nakasch, 85, Tel Aviv
– Chanah Rogan, 90, Netanja
– Irit Raschel, 45, Moschav Herev La’et
– Clara Rosenberger, 77, Jerusalem
– Julia Talmi, 87, Tel Aviv
– Oberfeldwebel Sivan Vider, 20, Bekaot
– Se’ev Vider, 50, Moschav Bekaot
– Ernest Weiss, 80, Petach Tikva
– Eva Weiss, 75, Petach Tikva
– Anna Jakobovitsch, 78, Holon
– George Jakobovitsch, 76, Holon

Die ausländischen Christen, die den Seder gemeinsam in Jerusalem begehen, haben tatsächlich das Radio nicht eingeschaltet. So erfahren sie erst nach der Feier von dem furchtbaren Anschlag in Netanja. In den folgenden Wochen wundern sie sich darüber, dass die internationale Empörung erst laut wird, als Israel mit Razzien in palästinensischen Städten und Dörfern auf den mörderischen Terror reagiert.

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3 Antworten

  1. Einfach nur widerlich wie die Hamas Terroristen die sich mit Feiernden in die Luft gesprengt haben, als „Märtyrer“ glorifizieren! Bei ihr gibt es nichts als tiefsitzenden Hass auf Israel und Juden, der Islam wurzelt.

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  2. Ich habe die Namen der Opfer gerade laut vorgelesen und trauere mit den Angehörigen,Freundinnen und Freunden.

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