Ultra-Orthodoxe pochen auf Regelung für Wehrpflicht-Ausnahmen

Die Regierung arbeitet an einer Regelung der Wehrpflicht für Ultra-Orthodoxe. Denen geht es aber nicht schnell genug. Nun muss Regierungschef Netanjahu vermitteln.
Von Israelnetz
Hitzige Angelegenheit: Ultra-Orthodoxe protestieren regelmäßig gegen die Wehrpflicht, wie hier Ende April in Jerusalem

JERUSALEM (inn) – Hinter der Zukunft der israelischen Regierung stehen seit einigen Tagen neue Fragezeichen. Wie bereits bei früheren Regierungskrisen geht es dabei um die Regelung des Wehrdienstes der Ultra-Orthodoxen. Die Strenggläubigen beklagen, dass die Regierung die Abstimmung über ein Gesetz zur Ausnahmeregelung hinauszögere.

Im Juni 2024 hatte der Oberste Gerichtshof in einer historischen Entscheidung einstimmig geurteilt, dass Ausnahmen für Ultra-Orthodoxe keine gesetzliche Basis haben. Das neue Gesetz soll dazu dienen, diese zu schaffen.

Als Reaktion auf das Urteil begann die Armee im Juli, Ultra-Orthodoxe verstärkt zu rekrutieren – allerdings mit dürftigem Erfolg. Bis April haben bei 19.000 Einberufungsbescheiden nur 232 Mann den Wehrdienst angetreten. Insgesamt leben in Israel derzeit knapp 80.000 Ultra-Orthodoxe, die für die Wehrpflicht in Frage kommen.

Regierung unter Zeitdruck

Nach dem Willen der beiden ultra-orthodoxen Parteien Vereinigtes Tora-Judentum und Schass hätte die Knesset das Gesetz bereits bis zum Ende der Wochenfestes (Schawuot) am 3. Juni verabschieden sollen. Die Parteien hatten bereits zuvor Fristen festgesetzt, dann aber verstreichen lassen.

Am Mittwoch gab nun aber der Rat der Toraweisen dem Parteichef von Degel HaTora, Mosche Gafni, die Anweisung, aus der Koalition auszutreten. Degel HaTora bildet zusammen mit Agudat Israel das Parteienbündnis Vereinigtes Tora-Judentum (UTJ), das mit sieben Sitzen in der Knesset vertreten ist. Auch Agudat Israel drängt Berichten zufolge auf ein Ende der Koalition.

Folgen Sie uns auf Facebook und X!
Melden Sie sich für den Newsletter an!

Das UTJ kann die Regierung aber nicht allein zu Fall bringen, da diese in der Knesset über eine Mehrheit von 8 Stimmen verfügt. Die Schass, mit 11 Sitzen die stärkere der beiden ultra-orthodoxen Parteien, will aber noch die Entwicklungen der kommenden Tage abwarten. Die Oppositionsparteien Jesch Atid, Israel Beiteinu und Die Demokraten wollen am kommenden Mittwoch die Auflösung der Knesset vorschlagen.

Die Anweisung des Rates der Toraweisen erfolgte nach einem Treffen der religiösen Vertreter mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Juli Edelstein, am Dienstagabend. Dieses war für die Strenggläubigen offenbar unbefriedigend verlaufen. Der Likud-Politiker und frühere Knessetsprecher fordert eine stärkere Beteiligung der Ultra-Orthodoxen am Wehrdienst und zudem Sanktionen für Verweigerer. Andernfalls werde der Gesetzesvorschlag nicht durch den Ausschuss kommen.

Widerstreitende Ansichten

Die Frage des Wehrdienstes für Ultra-Orthodoxe beschäftigt Israel seit vielen Jahren. Vor dem Hintergrund des Terrormassakers vom 7. Oktober und des Gazakrieges erhält sie aber zusätzliche Dringlichkeit. Besonders die Einberufung von Reservisten belastet Familien und Unternehmen.

Parteien wie Jesch Atid und Israel Beiteinu plädieren traditionell dafür, die Landesverteidigung auf alle Schultern zu verteilen, also auch Ultra-Orthodoxe in die Pflicht zu nehmen. Dies umso mehr, als der Anteil der Ultra-Orthodoxen in Israel dank allgemeinen Kinderreichtums stark wächst.

Die Strenggläubigen beharren weiterhin auf Ausnahmeregelungen zugunsten des Torastudiums. Im Dezember hatte der frühere sefardische Oberrabbiner Jizchak Josef mit der Äußerung für Aufsehen gesorgt, dass es verboten sei, zur Armee zu gehen. Dabei beklagte er auch, dass einige Ultra-Orthodoxe, die dies getan haben, ihren Glauben verloren hätten.

Geheimaufnahme veröffentlicht

Diesen Aspekt scheint Regierungschef Benjamin Netanjahu im Blick zu haben. Am Mittwoch veröffentlichte der Fernsehsender „Kanal 13“ die Geheimaufnahme eines Gespräches zwischen ihm und Rabbi Mosche Hirsch. In der im März geführten Unterhaltung sagte Netanjahu, durch dezidierte Einheiten für Ultra-Orthodoxe soll deren Glaubens- und Lebensstil erhalten bleiben.

In dem Gespräch führte Netanjahu aus, die Armee schaffe derzeit die Fähigkeit, Ultra-Orthodoxe einzubinden, „so dass die Leute, die als Haredim kommen, auch als Haredim wieder gehen“. Weiter sagte er: „Wir wollen nicht nur den Staat Israel sichern, sondern auch die Welt der Tora.“

Allerdings warnte Netanjahu davor, mit dem Gesetz vorzupreschen, denn dann könne dieses aus Verfahrensgründen scheitern. Außerdem brauche die Armee mehr Zeit für Vorkehrungen.

In dem Gespräch behauptete Netanjahu außerdem, dass der frühere Verteidigungsminister Joav Gallant und der frühere Armeechef Herzi Halevi diesen Bemühungen entgegengestanden hätten. Da die beiden nun nicht mehr im Amt seien, sei der Weg frei für eine gesetzliche Regelung.

Die Nachrichtenseite „Times of Israel“ wies allerdings darauf hin, dass sowohl Gallant wie auch Halevi für dezidierte ultra-orthodoxe Einheiten und für eine Förderung der Strenggläubigen gewesen seien. So habe sich Halevi dafür ausgesprochen, eine Toraschule im Jordantal für die im Osten stationierten ultra-orthodoxen Soldaten einzurichten.

Laut mehreren Medienberichten versucht Netanjahu derzeit, mit einem „Marathon“ an Sitzungen zwischen den Positionen zu vermitteln. Ein Ende der Regierung mitten im Krieg möchte er verhindern. Der nächste reguläre Wahltermin ist im Oktober 2026. (df)

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

16 Antworten

  1. Es ist schwer zu verstehen, dass Ultraorthodoxe nicht einsehen, dass sie einen Beitrag zum Schutz des Landes und somit auch für sich selbst leisten sollen. Sie müssten doch wenigstens in der Rückschau eingestehen, dass der 6 Tage Krieg nie hätte gewonnen werden können ohne starkes Militär und Waffen. Hätten alle nur gebetet, würde es Israel schon gar nicht mehr geben. Auch jetzt können sie ja beten so viel sie wollen, keine einzige Geisel kommt davon zurück. Es ist sehr unbefriedigend für diejenigen, die an der Front ihr Leben riskieren und riskiert haben, wenn ihnen Gläubige erzählen, sie seien nur siegreich gewesen, weil sie, die Gläubigen, dafür gebetet haben. Dass man aus Gewissensgründen nicht kämpfen will oder kann, verstehe ich. Aber es gibt ja unterstützende Tätigkeiten beim Militär, medizinische Tätigkeiten, zuliefernde Tätigkeiten, Nachrichtendienste usw. Wie will man allein durch Beten aufgezwungene Kriege gewinnen? Warum fragen die sich das nicht? Unverständlich und befremdlich.

    8
  2. Ich bete für die Regierung, daß sie den Ultra orthodoxen weiterhin eine Sonderstellung ermöglichen. Der Glaube dieser Juden ist wichtiger für Israel als alles andere. Sie sollen mit dem ständigen Gebet beauftragt bleiben und den Glauben an Ihre Kinder weitergeben. Ihre Suche nach dem Willen Gottes in der Tora und ihr Gebet wird allen Israelis helfen und der ganzen Welt.
    Damit es weiter heißt: Am Israel Chai! Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels.

    2
    1. Wer den Willen Gottes „tut“, nicht nur studiert. David hat viel nach Gottes willen gesucht, gebetet, Psalmen gedichtet, usw. aber auch viel gearbeitet,gekämpft, etc. Ora et labora.

      2
    2. Das bezweifle ich sehr stark, dass der Glaube der Ultra-orthodoxen für den Staat Israel wichtiger als alles andere sei.
      Der Staat Israel wurde nicht wegen diesen Leuten errichtet oder deren Gebet errichtet, sondern weil 1. Gottes Zeitpunkt für eine Wiedererstehung des Staates gekommen war und 2. mutige Juden gekämpft und ihr Leben für diesen Staat gegeben haben.
      Aus meiner Sicht sind die Ultra-orthodoxen stark in einem religiösen Gefängnis gefangen. Sie strengen sich an Gott zu gefallen, dabei ist der Weg zu Gott durch Yeshua Ha Maschiach schon seit 2000 Jahren durch Gnade frei.

      3
    3. Was Sie vorschlagen, hat all die Jahre nichts genützt ! Um Ihre Ansichten ungestört und in Freiheit leben zu können, ist ein eigenes Land vorteilhaft und das wird jetzt verteidigt und dazu braucht es Soldaten – der Rest, ist für jeden Einwohner private Sache!

      4
    4. Hi Nicole, ich gebe dir für die Vergangenheit zu 100% recht. Für ein in aller Welt zerstreutes Volk ist Religion der wichtigste Zusammenhalt. Aber mit der Staatsgründung entstanden staatsbürgerliche Pflichten. Es gibt ja keinen anderen Staat der Welt, bei dem so klar wird, wie wichtig Landesverteidigung ist. Stell dir mal vor, der Staat Israel verschwindet von der Landkarte! Es sind konkrete Menschen, die das verhindern, mit dem Einsatz ihres Lebens. Es ist ein sehr schwieriger Standpunkt denen Solidarität zu verweigern.

      2
  3. Na ja wenn die Ulthra-Orthodoxen einen entsprechenden Zivildienst leisten müssten, wäre es gerecht und die Soldaten des IDF fühlten sich mehr gewertschätzt. Ich hoffe, dass die Knesset das hinkriegt. Es ist ein Spagat zwischen Wehrpflicht und dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung, jedoch sich für sein Land zu engagieren, steht jedem gut, finde ich. Möge es eine Lösung geben, die das vielschichtige Spektrum der israelischen Gesellschaft widerspiegelt. Ich bin auch gerührt, wenn ich mitbekomme, dass es Israelis gibt, die eher der Friedensbewgung angehören und an verstorbene Kinder aus Gaza erinnern. Solche Widersprüche machen die Qualität des kleinen Landes aus seit 1948. * AM ISRAEL CHAI

    3
  4. Ist mir unverständlich, dass diese Ultras die Sicherheit in Israel – ihre Religion ausleben zu können – benutzen wollen, ohne eine Leistung zu erbringen. Die Frage dreht sich ja hier nicht um Religion, sondern um die Freiheit und Existenz des Landes. Diese Weigerung Dienst zu leisten kann man passiven Landesverrat nennen und in jedem Land, jeder Armee, ist im Krieg dieses Vergehen im höchsten Sinne strafbar! Dazu bezweifle ich, dass die Mehrheit der Juden die Ansichten dieser Dienstverweigerern kennen wollen !

    8
  5. Wenn wir die Geschichte des Volkes ansehen, dann waren Israeliten immer mächtige Krieger. Nicht aus sich selbst heraus, sondern gestärkt durch den, der sagte: „Ihr sollt mein Volk sein.“ (Gideon, David)

    2
    1. Wenn die Ultraorthodoxen nicht wollen, streiche man ihnen ganz einfach alle Privilegien. Diese Parasiten lehnen den Staat ab,bedienen sich aber ohne Scham aus dessen Fleischtöpfen und erbringen nicht die geringste wirtschaftliche oder gesellschaftliche Leistung.
      Man mag mich dafür kritisieren, aber ich halte diese Leute für nutzlose und gefährliche Zecken. Meine Verwandten in Israel haben dazu die gleiche, geschlossene Meinung.
      Insbesondere meine Neffen, welche dienen,
      fluchen bisweilen über diese Leute in einer Art,
      wie ich sie hier lieber nicht wiedergebe, es wären eine Menge roter Ohren und blasser Nasen die Folge……. SHALOM SHABBAT

      4
      1. @Klaus : Ich hätte mich nicht so schroff ausgedrückt, aber im Prinzip gebe ich Ihnen Recht Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem israelischen Soldaten , der sich seine Wut über die, auf deutsch würde man sagen Drückeberger, von der Seele schimpfte. Ich habe versucht, ein wenig moderat zu argumentieren, aber wer könnte die Jungs – und Mädels – nicht verstehen. Zumal es ja schon eine Brigade/Einheit speziell für die ganz Frommen gibt, Netzah Jehuda. Ich habe auch gelesen, dass es Einheiten speziell für religiöse Frauen gibt, sogar Kampfeinheiten. Es geht, wenn man will.

        2
      2. Dasselbe (Parasiten, Zecken) hat Hitler und seine Gefolgschaft, bestehend aus einem Großteil der Deutschen (nebenbei auch dem Rest der Welt) über alle Juden gesagt. Also bitte keine solchen Bezeichnungen für Menschen. Damit zeigt man nur, daß man selbst nicht besser ist.

        0
  6. @Klaus. Parasiten passt nicht. Wenn man es ganz objektiv betrachtet, ist Religion der gesellschaftliche Kitt Israels. Man merkt es doch auch hier im Forum. Religion ist für Israelis in der Diaspora der Zusammenhalt gewesen, heute ist Religion ein Kuturgut, welches natürlich von Religiösen Menschen weiter gegeben wird, nicht von Atheitsen. Als eine Form von Identität. Man könnte einem indischen Bettelmönch auch nicht vorwerfen, dass er auf Kosten Anderer lebt. Es ist seine Identität. Ich finde eine Gesellschaft, die frei ist, kann auch Widersprüche ertragen. Aber Ultraorthodoxe leben in einem solchen Widerspruch mit der politischen Situation. Weil ja die Landesverteidigung elementar wichtig ist.

    2
    1. @Gast, das mit dem Kitt ist schon richtig, aber Bettelmönche erpressen keine Regierung und lehnen den Staat auch nicht ab, ferner isolieren sie sich nicht in Enklaven, die kaum jemand betreten will möchte er nicht aus religiösen Gründen mit Steinen beworfen oder beschimpft werden. Das ist mir nämlich schon in Mea Shearim passiert,obwohl ich bei meinem Besuch im Mai Kippa und meinen Stern sichtbar trug und mich aufgrund von Hinweisen meiner
      Verwandten an die dortigen Regeln hielt.
      Meine Ablehnung hat also wie bei sehr vielen
      Israelis durchaus Gründe…..SHALOM SHABBAT

      2
  7. Ich finde, es muss eine Kompromisslösung her, damit ALLE im Jüdischen Volk damit leben können. Dass diese Welt sehr Israel-feindlich ist, weiß jeder. Es wird noch schwieriger, wenn Israel selbst weiter gespalten wird.
    Als Kompromisslösung könnte eine Ausnahmeregelung bis zur regulären nächsten Wahl im kommenden Jahr sein.
    Dann können nämlich alle Wahlberechtigten neu entscheiden. Ich fände Neuwahlen schlecht, es darf nicht passieren, dass Israel unregierbar wird, die Lage ist zu ernst.
    Allen Jüdischen Gruppen, ultra-orthodox, orthodox, sekulär und messianisch wünsche ich einen Gesegneten Schabbat !

    3
  8. Ich liebe übrigens Marc Chagall … seine Waffen waren Pinsel … sein Motiv seit jeher die Charedim, es waren seine Wurzeln … er lebte in Frankreich die meiste Zeit und arbeitete „nur“ für Israel … es muss auch Pazifisten geben und ein Land, dass jeden zum Dienst an der Waffe zwingt ist ein Militärstaat. Ich bezweifle das Israel das wird. Im Christentum ist das höchste Opfer das Martyrium weil pazifistisch?! *SHALOM!

    0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen