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Wie ein Ägypter Israel vor dem Jom-Kippur-Krieg warnte

Ein neu veröffentlichtes Dokument des ehemaligen Mossad-Chefs Samir zeigt, wie ein ägyptischer Agent Israel vor dem Jom-Kippur-Krieg warnte. Über ihn hat der Streamingdienst Netflix auch einen Film veröffentlicht.
„Der ägyptische Spion, der Israel rettete“: Der Niederländer Marwan Kenzari spielt im Netflix-Film den Ägypter Aschraf Marwan

JERUSALEM / KAIRO (inn) – Das Israelische Staatsarchiv hat am Montag ein Telegramm veröffentlicht, das der damalige Mossad-Chef Zvi Samir an die Premierministerin Golda Meir schickte, um vor dem bevorstehenden Jom-Kippur-Krieg 1973 zu warnen. Der militärische Geheimdienst hingegen war sich sicher, dass die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung gering war. Aber Samirs Nachricht um 4 Uhr morgens am Tag des tatsächlichen Angriffs war voller glaubhafter Details. Dass es dieses Schreiben gab, ist seit Jahren bekannt – aber nicht der genaue Inhalt.

Das fünfseitige Telegramm, das an Meirs Militärsekretär Israel Lior adressiert war, offenbarte einen gemeinsam geplanten Angriff der syrischen und der ägyptischen Armee gegen Israel am späten Nachmittag des 6. Oktober 1973. Dazu schrieb Samir, dass der damalige ägyptische Präsident Anwar Sadat die Entscheidung für einen Angriff am Jom Kippur am 25. September getroffen habe – es vorerst aber niemanden erzählt habe.

Schwiegersohn von Nasser und Berater von Sadat

Als Quelle nannte der Mossad-Chef den Ägypter Aschraf Marwan. Der war der Schwiegersohn des früheren ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und Berater von Sadat. Laut Marwan wählte der Präsident den Bußtag bewusst, weil er wusste, dass Juden an diesem Tag fasten. Dabei sei Sadat auch egal gewesen, dass das Datum mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan zusammenfiel.

Samir schilderte weiter: Am 29. September habe Sadat den ägyptischen Sicherheitsrat einberufen und die Mitglieder über seine Entscheidung informiert, das Waffenstillstandsabkommen mit Israel demnächst brechen zu wollen. Um die Sinai-Halbinsel zurückzugewinnen, die Ägypten im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel verloren hatte, sei der passende Zeitpunkt für einen Angriff gekommen.

Am 2. Oktober informierte laut Samirs Schreiben Sadat Kriegsminister Ahmad Ismail über den genauen Zeitpunkt und ließ den syrischen Generalstab für eine Besprechung einladen. Samir wusste durch seinen ägyptischen Informanten Marwan die detaillierten Angriffspläne: zuerst eine heftige Artillerieoffensive, gefolgt von einer Bombardierung des Sinai, um dann das Übersetzen der Truppen über den Suezkanal zu beginnen. So habe Sadat Israel überraschen wollen. Der Informant schätzte die Chance eines Angriffs am Jom Kippur auf 99 Prozent. Ein Prozent Unsicherheit herrsche dadurch, dass Sadat spontan noch seine Meinung ändern könnte.

Eine Strategie, um den Krieg zu verhindern

Am Ende des Telegramms gab Samir noch die Empfehlung seiner Quelle weiter, wie der Krieg zu verhindern wäre: Es sollten Medienberichte veröffentlicht werden, dass die Israelis den ägyptischen Plan herausbekommen hätten. Das hätte ein Signal für das ägyptische Militär sein können, den Angriff noch abzubrechen. Tatsächlich erreichte das Telegramm laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“ Premier Meir wegen verpasster Chancen der Übergabe nicht mehr an diesem Tag.

Über den ägyptischen Agenten, der den Mossad aus dem innersten Zirkel von Sadat mit Informationen versorgte, hat der Streamingdienst Netflix passenderweise einen Film gedreht. „Der ägyptische Spion, der Israel rettete“ ist am 14. September weltweit veröffentlicht worden. Marwan kontaktierte den Mossad in den 1960er-Jahren und erhielt den Codenamen „Der Engel“ – so lautet auch der englische Originaltitel. Marwan versorgte Israel über Jahrzehnte mit Informationen. Wobei sich bis heute das Gerücht gehalten hat, dass er als Doppelagent arbeitete. Diese These stützt auch der neue Film.

Von beiden Seiten geschätzt

Die Kontaktaufnahme mit dem Mossad zeigt der Film in einer Telefonzelle in London, wo Marwan zu der Zeit studierte. Aus gekränkter Eitelkeit durch seinen Schwiegervater, den ägyptischen Präsidenten Nasser, machte er den ersten Schritt. Warum er dann anhaltend die Israelis mit Informationen versorgte, lässt auch der Film offen. Es werden verschiedene Motive für sein Handeln eingeführt – auch, dass seine Informationen Teil des Angriffsplanes am Jom Kippur gewesen sein könnten. Denn im Film warnt er wiederholt vor einem ägyptischen Angriff, was auch als Teil einer Irritationsstrategie interpretiert wurde.

Interessant ist vor allem das in einem Satz zusammengefasste Fazit des Films: Marwan sei der einzige Ägypter, der sowohl auf Seiten der Israelis als auch auf Seiten der Ägypter als Held gefeiert werde. Marwan verstarb im Jahr 2007, einige Jahre, nachdem er öffentlich als Agent enttarnt wurde. Es gibt Spekulationen darum, ob der damals 63-Jährige bei einem Unfall von seinem Londoner Balkon gestürzt ist, ob es Selbstmord oder Mord war. Der Netflix-Film klärt das nicht auf. Aber er ist allein schon aufgrund der Tatsache sehenswert, dass er dieses in der westlichen Welt nicht so bekannte Geschichtskapitel des Nahen Ostens recht unterhaltsam aufbereitet hat.

Vor 45 Jahren, am 6. Oktober 1973, griffen ägyptische, syrische und andere arabische Truppen während des hohen Feiertages Israel an. Trotz der Überraschung konnten die Israelis den Krieg am Ende für sich entscheiden. Er ging als Jom-Kippur-Krieg in die Geschichte ein, Araber nennen ihn „Oktoberkrieg“. In diesem Jahr ist der Versöhnungstag am 19. September.

Von: mm

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