Wer schrieb die Bibel?

Computermodelle ermöglichen neue Methoden zur Erforschung der Autorenschaft biblischer Bücher. Sie bestätigen Erkenntnisse der Bibelwissenschaft. Dabei zeigen sie, wie statistische und digitale Methoden begleitend genutzt werden können.
Von Israelnetz

HAIFA / PARIS / DURHAM (inn) – Ein internationales Forscherteam hat in einem Projekt die Autorenschaft verschiedener Texte der Hebräischen Bibel untersucht. Dazu nutzten sie Algorithmen, die die Häufigkeit und Verteilung von Wörtern analysiert. Die Ergebnisse wurden Anfang Juni veröffentlicht.

Die Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen gehen bei der Erforschung der Autoren und Redaktion der biblischen Texte von den grundlegenden Problemen der kritischen Bibelwissenschaft aus. Biblische Texte entstanden über Jahrhunderte hinweg aus mündlicher wie schriftlicher Überlieferung und unterschiedlichen Traditionen. Sie wurden im Laufe der Zeit teils wiederholt redigiert.

Wissenschaftliche Ansätze in den Disziplinen der Theologie, Hebraistik, Archäologie und Geschichte versuchen daher in der Regel, die Entstehungsschichten der Texte zu rekonstruieren. Dazu gehört die mögliche Zeit des Verfassens und der Redaktionen, genauso wie auch historische Hintergründe.

Künstliche Intelligenz unterstützt kritische Bibelforschung

Die vorliegende Studie begegnet dieser Komplexität dadurch, dass sie Künstliche Intelligenz nutzt. Mithilfe quantitativer Methoden können so linguistische Charakteristiken bestimmter Texte und vermuteter Autoren identifiziert werden, wie die Online-Zeitung „Times of Israel“ Anfang Juni berichtete.

Dazu gehört zum Beispiel die Frequenz des jeweiligen Wortschatzes. Damit soll eine Art linguistische „Signatur“ der Autoren und Texte festgestellt werden. Sobald sich eine solche „Signatur“ erkennen lässt, wird geprüft, ob sie Ähnlichkeiten mit anderen Texten aufweist, deren Autorenschaft oder Redaktionsgeschichte bisher unerkannt geblieben ist.

Damit können bestimmte Texte einer der drei theologischen Schulen zugeordnet werden. Im gegensätzlichen Fall kann eine bestimmte Zuordnung ausgeschlossen werden. Da der hebräische Text automatisierte Lese- und Analyseverfahren vor spezifische Probleme stellt, mussten Wissenschaftler die Algorithmen anpassen, die für die Analyse englischsprachiger Texte entwickelt wurden.

Vergleich von drei Korpora an Quellentexten

Zu diesem Zweck nehmen die Forscher die in der akademischen Theologie anerkannte Unterscheidung der Quellenschriften in drei theologische und literarische Traditionen beziehungsweise „Gelehrtenschulen“ zur Grundlage des Projektes: Das Buch Deuteronomium (5. Mose), die „Deuteronomistische Geschichte“ der Bücher Josua bis Könige, und die „Priesterschrift“.  

Beim Deuteronomium geht die Wissenschaft davon aus, dass es im 7. Jahrhundert vor unserer Zeit auf einer Rolle verfasst wurde. Die „Deuteronomistische Geschichte“, die von der Landnahme bis zur Zerstörung Jerusalem durch Nebukadnezar erzählt, wurde vermutlich ab dem Ende des 7. Jahrhunderts unter der Herrschaft von König Josia verfasst, redigiert und nach der Zerstörung des Tempels erneut überarbeitet. Diese Schriften werfen dem Volk Israel und seinen Herrschern vor, die göttlichen Gesetze des 5. Buches Mose nicht ausreichend geachtet zu haben.

Die dritte, „priesterliche“ Gruppe von Schreibern umfasst unterschiedliche Texte aus den ersten drei Büchern Mose. Sie wurden demnach zuerst um 520 vor unserer Zeit im Zusammenhang des Wiederaufbaus des jüdischen Tempels in Jerusalem geschrieben. Den Schwerpunkt legten diese Schriften daher folgerichtig auf die Bedeutung des Rituals und des Opferdienstes.

Konkret wurden für die Studie 50 Kapitel aus dem Enneateuch, den ersten neun biblischen Büchern, mit Hilfe eines Algorithmus unter die Lupe genommen. Das Forscher-Team begann damit, eine Wörtersammlung für jeden Text zu erstellen. Dazu bestimmten sie die jeweilige Worthäufigkeit.

Das daraus entstandene Wörterbuch ergibt, dass zum Beispiel die Wörter Elohim (Gott) und lo (nicht) das 5. Buch Mose charakterisieren, während dies melech (König) und ascher (welche/r/s) in den deuteronomistischen Geschichtsbüchern, und sahav (Gold) in der Priesterschrift tun. Zudem stelle sich heraus, dass die relevanten Texte 1.447 einzigartige Begriffe nutzen. Davon entfallen 594 Wörter auf Deuteronomium, 821 auf die Geschichtsbücher und 846 auf den priesterlichen Korpus.

Forschungsstand der Bibelwissenschaft bestätigt

Das Experiment zeigte, dass in 84 Prozent der Fälle die automatische Zuordnung den bisherigen Forschungsstand der Bibelwissenschaften bestätigt. Die Genauigkeit der Methode war bei längeren Texten größer als bei kürzeren. Aufgrund der großen Ähnlichkeit zweier Korpora, Deuteronomium und deuteronomistische Geschichtsschreibung, betrafen fünf von acht fehlerhaften Zuordnungen diese Vergleiche.

Von besonderem Interesse waren dabei biblische Textfragmente, deren Autoren bisher unbekannt sind. Dies betrifft die Erzählung vom Verlust der Bundeslade in 1. Samuel 4–7,1 und 2. Samuel 6. Die vorgestellte Analyse konnte zeigen, dass die bisher herrschende Meinung, beide Texte stammten aus derselben Feder, nicht stimmen, da sie in einem unterschiedlichen Stil verfasst sind.

Ähnliches gilt für einige Erzählungen über Abraham im 1. Mose (zum Beispiel 14–15) und die Esther-Rolle aus der hellenistischen Epoche. Dabei untermauern die Ergebnisse die bestehenden Annahmen, dass diese Schriften mit keinem der drei Korpora in Verbindung stehen, und dass manche Fragmente aus 1. Mose später als der Rest des Buches verfasst wurden.

Neue Forschungsmethode

Einer der Autoren, der Theologe Thomas Römer vom „Collège de France“ in Paris, erklärt die Bedeutung des Projektes: „Es gibt hinsichtlich der prophetischen Bücher viele offene Fragen, auch der letzten Überarbeitungen des Pentateuchs. Die Methode wird von großer Hilfe dabei sein, objektivere Ergebnisse zu erhalten.“

Der Archäologe Israel Finkelstein von der Universität Haifa führt weiter aus: „Diese Studie ist sowohl für Gelehrte der Bibel als auch des antiken Israel wichtig, weil es Möglichkeiten bietet, umstrittene Texte in ihren wirklichen literarischen und historischen Kontexten zu verorten“.

Neben Finkelstein und Römer war noch Shaiga Faigenbaum-Golovin an dem Projekt beteiligt, sowie weitere Forscher. Sie gehören der Universität Haifa, der Reichman University in Herzlia, der Universität Tel Aviv, dem „Collège de France“, der Universität Paris und der „Duke University“ in North Carolina an. (ndr)

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3 Antworten

  1. … Finkelstein: „Diese Studie ist sowohl für Gelehrte der Bibel als auch des antiken Israel wichtig,…
    Ich bin weder Gelehrter noch antiker Wissenschaftler. Ich beschränke mich auf das (fast)tägliche Lesen der Bibel. Jeden Tag einen kleinen Abschnitt, Zeit zum Drübernachdenken und beten. Und oft zeigt mir der Heilige Geist, wie ich das Gelesene in meinem Leben umsetzen kann,spannend!
    Wünsche jedem hier gute Erfahrungen mit der Gebrauchsanweisung Gottes. 🙏😀📖🛐

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  2. Was für ein Wunder: Man programmiert den Computer mit den Kriterien der Bibelwissenschaft und der Computer bestätigt sie. Das was der PC besser kann als unser Verstand ist, große Mengen an Stoff schneller verarbeiten. Aber man sollte nicht so tun, als hätte er jetzt die Bibelwissenschaft bestätigt. Wenn man andere Kriterien einprogrammiert, wird er andere ERgebnisse ausgeben.

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