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Von der Knechtschaft in die Freiheit

Der erste Abend des Passahfestes folgt in jüdischen Familien einem festgelegten Ablauf mit vielen Symbolen. Wichtig ist dabei die Dankbarkeit für Gottes befreiendes Handeln – in biblischer Zeit und bis heute.
Symbolische Speisen und der Ablauf nach der Haggada (im Vordergrund) kennzeichnen den Sederabend

Zwar ist es nach biblischer Überlieferung mehr als 3.000 Jahre her, dass Gott das Volk Israel aus der ägyptischen Sklaverei befreite. Doch jeder Jude soll das Passahfest (Pessach) so feiern, als wäre er selbst beim Auszug dabei gewesen. In diesem Jahr beginnt die Festwoche am 19. April, also an Karfreitag, mit dem Sederabend.

Das hebräische Wort „Seder“ bedeutet „Ordnung“. Es steht für den Ablauf dieses besonderen Abends, der einem bestimmten Ritus folgt. Dieser ist in der sogenannten „Haggada“ (Erzählung) festgehalten – sie enthält liturgische Texte und Gebete. Der jüngste Knabe der Tischgemeinschaft stellt traditionell die vier zentralen Fragen. „Worin unterscheidet sich diese Nacht von allen Nächten?“, fragt er – und will wissen, warum Juden in dieser Nacht nur Ungesäuertes essen, warum sie angelehnt statt sitzend essen, warum bittere Kräuter zur Mahlzeit gehören. Das Familienoberhaupt antwortet mit der biblischen Geschichte vom Auszug aus Ägypten, dem Exodus.

Im Jerusalemer Talmud heißt es dazu im Traktat „Pessachim“ (10,1/37b): „Rabbi Levi sagte: Da es Knechtesart ist, stehend zu essen, isst man beim Seder angelehnt, um kundzutun, dass sie von der Knechtschaft in die Freiheit zogen.“ Dies zeigt, wie sehr sich Juden bis heute mit der Geschichte ihrer Vorfahren identifizieren.

Auf einem speziellen Teller finden sich am Sederabend die symbolischen Speisen. Bittere Kräuter erinnern an die Fronarbeit, ein Fruchtmus wegen der Farbe an den Mörtel für die Bauarbeiten. Ein gebratener Hähnchenknochen symbolisiert das Lamm, das vor dem Auszug das besondere Pessachopfer war. Ein hartgekochtes Ei steht für das Feiertagsopfer, das in den Tagen des Tempels dargebracht wurde.

Vier Becher Wein symbolisieren Gottes erlösendes Wirken

Während der Mahlzeit werden vier Becher Wein oder Traubensaft getrunken. In diesem Jahr beginnt das Fest am Karfreitag der westlichen Kirchen. Den Wein verglich Jesus nach neutestamentlicher Überlieferung am Abend vor der Kreuzigung mit seinem Blut, das für die Menschen vergossen werden sollte. In biblischer Zeit gehörte Pessach neben dem Wochenfest (Schawuot) und dem Laubhüttenfest (Sukkot) zu den drei großen Wallfahrtsfesten, an denen Tausende nach Jerusalem pilgerten.

Ein leerer Stuhl ist beim Seder für den Propheten Elia reserviert, der nach der jüdischen Tradition die Ankunft des Messias ankündigen soll. Auch auf diesem Platz steht ein gefülltes Weinglas. Die Kinder sehen immer wieder hin und schauen nach, ob sich die Menge des Getränkes verringert hat.

Der Jerusalemer Talmud gibt im Traktat Pessachim (101,1/37b–c) eine Antwort auf die Frage, warum Juden am Sederabend vier Becher trinken. „Rabbi Jochanan sagte im Namen Rabbi Banajas: Entsprechend den vier Ausdrücken der Erlösung: ‚Daher sprich zu den Söhnen Israels: ICH bin‘s, ich führe euch unter den Lasten Ägyptens hervor, ich rette euch aus eurem Dienst, ich löse euch aus mit ausgestrecktem Arm, mit großen Gerichten. Ich nehme euch mir zum Volk.‘ (2. Mose 6,6f.)“

Phänomen: Mehr Schönheitsoperationen vor Pessach

Am Sederabend kommen jüdische Familien zusammen, mitunter sehen sich Verwandte sonst das gesamte Jahr nicht. Die Tageszeitung „Jerusalem Post“ vermutet, dass möglicherweise hierin der Grund für ein Phänomen in der israelischen Gesellschaft liegt: Vor Pessach steigt die Zahl der Schönheitsoperationen an. Das teilte die Israelische Gesellschaft für plastische und ästhetische Chirurgie mit. Demnach sind Nasenoperationen und Fettabsaugen am meisten gefragt. Vor allem Männer und Frauen in den 50ern bitten um solche Operationen. Sie hätten das Gefühl, sich auf dem „Höhepunkt ihrer Karrieren“ zu befinden. Aus ihrer Sicht passt das eigene Gesicht nicht zum Körper und der vorhandenen Energie.

Eingriffe anderer Art sind in den Wochen vor dem Fest üblich: Viele Juden unterziehen ihre Häuser und Wohnungen einer Grundreinigung. Sie verzehren alles Gesäuerte. In den israelischen Supermärkten sind ganze Regale zugehängt, weil die dortigen Produkte nicht „koscher le-Pessach“ sind. Die Reste der gesäuerten Speisen werden verbrannt. Wenn eine große Menge übrig ist, können Juden die Lebensmittel oder gar den Raum, in dem sich diese befinden, vorübergehend an einen Nichtjuden „vermieten“. In Israel übernehmen oft Araber die Verantwortung für diese Lebensmittel. Es gibt auch besonderes Geschirr, das nur für das Passahfest hervorgeholt wird.

Israelische Supermärkte bieten zu Pessach Matzot an Foto: Martin Nowak
Israelische Supermärkte bieten zu Pessach Matzot an

Im 2. Buch Mose berichtet die Bibel, wie Gott die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei befreite. In der Nacht des Aufbruches war keine Zeit, um Sauerteig für Brot anzusetzen. Deshalb nahmen die Fliehenden ungesäuertes Brot mit. Dieses gehört in Form von Matzot zu Pessach. In 2. Mose 12,14–15 gebietet Gott den Israeliten: „Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung. Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Schon am ersten Tag sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern tun. Wer gesäuertes Brot isst, vom ersten Tag an bis zum siebenten, der soll ausgerottet werden aus Israel.“

Dank und Trauer nah beieinander

Dankbarkeit für die Befreiung aus der Sklaverei steht im Mittelpunkt der Festwoche. In der Haggada nimmt das Lob Gottes viel Raum ein. Durch die Jahrhunderte hindurch sind immer wieder Juden unterdrückt worden. Sie haben Gott um Hilfe angerufen, und manchmal sind sie aus ihrer Situation befreit worden. Die Erinnerung ist somit ein wesentliches Element der jüdischen Feste.

Dem Auszug gingen zehn Plagen voraus, mit denen Gott das verhärtete Herz des Pharao erweichen wollte, damit er die Israeliten ziehen lasse. Zuletzt starben alle erstgeborenen Söhne in Ägypten. Nur die Familien, die nach Gottes Geheiß ihre Türpfosten mit dem Blut eines Lammes bestrichen hatten, wurden von dem Todesengel verschont, der an diesen Häusern vorüberging. Die Bezeichnung „Pessach“ wird auf das hebräische Verb „passach“ (vorübergehen) zurückgeführt.

In manchen Familien fasten die Erstgeborenen vor dem Fest von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Dies soll daran erinnern, wie Gott die Söhne der Israeliten verschonte, während die der Ägypter getötet wurden. Doch die Freude über die Befreiung ist nicht vollkommen. Denn durch die Plagen und beim Durchzug durch das Schilfmeer starben auch Ägypter, die sich nicht persönlich gegen einen Israeliten versündigt hatten. Und so heißt es gleich an zwei Stellen im Talmud: „Als sie die Vernichtung der Ägypter sahen, wollten die Engel einen Gesang anstimmen, aber Gott gebot ihnen Schweigen und sprach: ‚Das Werk meiner Hände ertrinkt im Meer, und ihr wollt singen!’“

Der Sederabend am 15. Tag des jüdischen Monats Nisan bildet den Auftakt zu Pessach. Dieser Tag und der letzte Tag der Festwoche, also der 21. Nisan, sind in Israel offizielle Feiertage. Schüler haben in dieser Zeit Ferien. In der Diaspora währt das Fest einen Tag länger als in Israel.

Von: Elisabeth Hausen

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