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Teure Corona-Bürokratie

Ob Deutschland, Türkei oder Israel: Auf dem Flug nach Tel Aviv stehen Passagiere vor unerwarteten Hindernissen. Eine persönliche Erfahrung
Von Ulrich W. Sahm
Bremer Flughafen in Corona-Zeiten

Berichte über Auswüchse der Bürokratie können schon ganze Bibliotheken füllen. Doch was wir beim Rückflug von Bremen über Istanbul nach Tel Aviv erlebten, übertraf alle bisherigen Erlebnisse mit einer ausgeflippten Bürokratie, wobei Deutsche, Türken und Israelis miteinander wetteiferten.

In der Bremer Innenstadt locken medizinische Labors mit riesigen Plakaten ihre Kunden mit einem „kostenlosen PCR-Test“. Doch um sicher zu gehen, dass der Corona-Test allen Ansprüchen der Fluggesellschaften entsprach, zogen wir es vor, mit der Straßenbahn hinaus zum Flughafen zu fahren. Am Freitag fuhren die Bahnen in den frühen Morgenstunden noch, während sie später wegen einer Demonstration nahe dem Hauptbahnhof allesamt ausgefallen waren. Da blieb dann nur noch die Möglichkeit, per Taxi heimzukehren.

Wir hatten einen Flug mit Turkish Airline über Istanbul nach Tel Aviv gebucht, weil der wesentlich billiger war als Angebote deutscher und anderer Fluggesellschaften. In der Woche davor, als wir ursprünglich geplant hatten, nach Israel zu fliegen, fiel der Flug aus. Weil es in Istanbul geschneit hatte, hatten die Türken kurzerhand den dortigen Flughafen gesperrt. Wir waren schon versucht, eine Spendenaktion für Schneeschaufeln zu starten, zumal Istanbul eine internationale Drehscheibe für hunderte Flüge aus den Nahen Osten in alle Welt ist.

Kostenloser Test nur in der Innenstadt

Nach einem Spaziergang durch die Halle des Bremer Flughafens entdeckten wir endlich Tafeln zur „Corona-PCR-Test“-Station. Nach Anstehen in einer Schlange ohne Stühle für die „Patienten“ füllte ein eifriger junger Mann erst einmal das Formular mit Name, Passnummer und Geburtsdatum aus. Dann verlangte er, die Kreditkarte auf ein Lesegerät zu legen und die Geheimnummer einzugeben. 80 Euro kostete der Spaß, den es in der Innenstadt „kostenlos“ gab. Der PCR-Test für den ausgefallenen Flug war natürlich inzwischen nicht mehr gültig, da man sich frühestens 76 Stunden vor Abflug testen lassen muss.

Nach einer kurzen Wartezeit winkte eine Hilfskraft den Probanden in eine mit Vorhängen abgeschirmte Kammer. Die Dame ergriff einen Plastikstab mit Wattebüschel und stieß ihn heftig in die Nase. Mit dem anderen Ende des Wattebüschels wiederholte sie die recht schmerzhafte Prozedur im Rachenbereich. „Mund auf“ waren offenbar die einzigen deutschen Worte, die sie beherrschte. Die Wattebüschel steckte sie dann in ein Reagenzglas.

Bestätigungs-Mail kommt rechtzeitig

Der junge Mann hatte zuvor versprochen, das Ergebnis des Testes werde per Email zugeschickt. Tatsächlich erreichte uns am Freitag eine Bestätigung über den negativen Corona-Test, also rechtzeitig vor dem Abflug am Samstag.

Beim Einchecken verlangte die Mitarbeiterin von Türkish Airlines ein ganz anderes Papier: eine israelische Einreisegenehmigung. Vor lauter Papieren, Tests und Vorschriften hatten wir nicht daran gedacht, dieses Formular rechtzeitig daheim am PC auszufüllen.

Im Bremer Flughafen funktionierte gerade das WLAN nicht, sodass es unmöglich war, mit dem mitgebrachten Laptop eine Internet-Verbindung zum israelischen Gesundheitsministerium herzustellen.
Bei einem anderen Schalter der türkischen Fluggesellschaft auf der zweiten Ebene war eine freundliche Mitarbeiterin bereit, das geforderte Antragspapier auszudrucken. Eine Bestätigung sollte „später“ per Email eintreffen. Tatsächlich erreichte uns die entsprechende Bestätigung der „Einreisegenehmigung“ 24 Stunden nach der Ankunft in Israel – und nachdem die darin geforderte „häusliche Quarantäne“ schon abgelaufen war.

Suche nach Testzentrum geht in Israel weiter

Beim Ausgang aus dem Flughafen haben sich die Israelis eine neue Forderung ausgedacht: Das Vorweisen eines Armbandes mit Corona-Test. Nun ging es also wieder zurück in die Flughafenhalle. Nach einem längeren Fußmarsch entdeckten wir in einer Ecke das Labor für einen israelischen PCR-Test.

Das deutsche Papier, ohne das der Flug nach Israel gar nicht möglich gewesen wäre, interessierte hier niemanden. Per Kreditkarte musste ein neuer Test mit 100 Schekel (rund 28 Euro) Bezahlung gemacht werden. Die Dienstleistung dauerte nur wenige Sekunden. Es hieß, die Bestätigung werde per Email verschickt, was dann auch mit großer Verspätung geschah. Aber wenigstens wurde um das Handgelenk ein papierenes „Armband“ mit einer winzigen Nummer geheftet, womit man endlich den Flughafen verlassen durfte.

Fußmarsch nach Jerusalem nicht nötig

Zum Glück haben die Israelis inzwischen eine andere Corona-Maßnahme wieder aufgehoben. Zeitweilig war es verboten, mit „öffentlichen Verkehrsmitteln“ an das Ziel weiterzureisen. Es wurde erwartet, dass Israel-Urlauber oder Geschäftsreisende über Bekannte mit Auto verfügten, um sie am Flughafen abzuholen. Wer niemanden kannte, hätte mitsamt schweren Koffern die 60 Kilometer weite Strecke nach Jerusalem oder die rund 30 Kilometer nach Tel Aviv zu Fuß zurücklegen müssen, anstatt ein Taxi oder den Bus zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass Jerusalem 800 Meter über dem Meeresspiegel liegt und auf dem Weg dorthin mehrere Berge erklommen werden müssen.

Ein Bekannter von uns stieg zu jener Zeit einfach hinab zur Eisenbahn. Dort war diese problematische Verfügung offenbar unbekannt. „Niemand fragte“, sagte er nach seiner erfolgreichen Ankunft in Jerusalem. Wir selber wurden von einem „Vermittler“ angesprochen, der versprach, ein Taxi seiner Firma zu bestellen. Die Fahrt nach Jerusalem kostet normalerweise etwa 70 Euro, doch „wegen Sabbat“ verlangte der Fahrer weit über 100 Euro. Damit endete bei dieser Reise die umfassende Abzockerei.

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14 Antworten

  1. Wäre Ulrich Sahm mit der Bahn von Bremen nach Hamburg gefahren und hätte dort einen Flug mit Tel Aviv Air direkt von Hamburg nach Tel Aviv gebucht, wäre ihm das alles erspart geblieben. Im März hätte er für Hin- und Rückflug auch nur 99 Euro bezahlt, jetzt kostet der Flug hin und zurück 199 Euro.
    Kein lästiges Umsteigen mehr – und erst recht kein Schneeschippen. Kein Laufen von einem Flugsteig zum meist sehr entfernt liegenden anderen Flugsteig, dort, wo die Flieger nach Israel abheben. Jetzt gehen wieder Direktflüge von Hamburg nach Tel Aviv, vom Helmut-Schmidt- zum Ben-Gurion-Flughafen. Die Boeing 737-800 startet jeweils sonntags und donnerstags um 10.40 Uhr in Hamburg, von Tel Aviv um 17.40 Uhr nach Hamburg. Flugzeit jeweils viereinhalb Stunden.
    Der Sitz der neuen Airline ist im Terminal 1 am Hamburger Flughafen. Für die Flüge chartert das Unternehmen zu Beginn eine Mittelstreckenmaschine, die von Enter Air, einer polnischen Charter-Airline, betrieben wird.
    Informationen gibt es auch unter http://www.goisrael.com auf der Website des Israelischen Verkehrsbüros und unter http://www.tlv-air.com auf der Website von Tel Aviv Air. Heike Linde-Lembke mit schönen Gruß an Ulrich W. Sahm

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    1. Man muss erstmal dazu in der Lage sein, sich im Internet erfolgreich zurecht zu finden.

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    2. Enter Air führt die Flüge nicht mehr durch, jetzt ist es TUS Air mit erheblich besserem Service. In der Economy gibt es nun auch einen Snack.

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  2. Lieber Ulrich
    Du hast etwas wichtiges vergessen:
    Als Tourist muss man sich bis die Negativ-Bestätigung vorliegt in einer Unterkunft aufhalten die über ein eigenes WC verfügt. Sollte der Test positiv ausfallen, wird man mit einem Krankenwagen in ein Quarantänehotel gebracht. Man kann sich ja vorstellen was hierfür in Rechnung gestellt wird.
    Weiter ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum ein Israelischer Staatsbürger vor dem Abflug keinen PCR-Test machen muss, ein Tourist aber schon.

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  3. Da wird man es sich erst einmal überlegen , nach Isreal zu fliegen ( bei der Schikane )

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    1. Corona ist nun mal Corona. Wie ging es denn bei uns in Deutschland? Oder in Australien? In den USA?

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    2. In Israel gibt es keine Schikane, ich war selbst erst letzte Woche dort. Das ist schlichtweg die unterentwickelte Praxis-Seite eines Herrn, der gerne über andere herzieht und meint, dass ihn alle auf Zuruf bedienen müssen.

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  4. Sehr geehrter Herr Sahm, wir hatten keine Probleme nach Israel zu fliegen.
    Ab Ffm. nach Ben Gurion. Mit EL AL. Vorab PCR Test, ausgedruckt und auf Handy. Dazu Impfpass und Cov App. mit 3x Impfung. Alles dabei.
    Keine Probleme. Wir hatten auch Schnelltests dabei.
    Rückflug auch ohne Probleme. 30 Euro pro PCR.
    Am Flughafen wurden wir abgeholt.
    Mfg. Shalom

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    1. Bei Herrn Sahm reicht wohl kein Sherut mehr. Wer dann unbedingt mit dem Taxi chauffiert werden will, muss auch die Preise am Shabbat kennen.

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  5. Ich warte erst noch mit meiner Reise nach Israel. Giftige Teststäbchen lass ich mir nicht in den Rachen schieben. Ich hoffe, dass die Regierung in sich kehrt, oder eine andere intelligentere Regierung das Amt übernimmt.

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    1. Ich komme gerade aus Israel zurück und habe es sehr genossen, das Land mal zwei Wochen ohne nörgelige Touristen zu erleben.

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  6. Wetterbedingte Flugausfälle? Undenkbar in Deutschland! PCR Tests? Frechheit! Und wow, was für eine Schikane, wenn eine Airline Dokumente sehen möchte, die von den Israelischen Behörden für den Flugantritt zwingend vorgeschrieben sind. Höhere Taxipreise am Shabbat, der „Arme“ – muss ein richtiger Horrortrip gewesen sein… Kopfschüttel !

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